Hamburg. Die Einrichtung in Winterhude wird nun voll belegt. Anwohner klagen schon jetzt über Falschparker, Müll und menschliche Notdurft.

Wie schwer es ist, ausreichend Kapazitäten für die Unterbringung von Flüchtlingen zu schaffen, hat die Hamburger Sozialbehörde erst vor wenigen Tagen wieder öffentlich gemacht. Sogar Zelte in Parks werden möglicherweise bald aufgestellt.

Auch deshalb will die Behörde alles ausschöpfen, was möglich ist. Die Flüchtlingsunterkunft am Überseering im ehemaligen Postbank-Gebäude in der City Nord mit einer Ausbaureserve bis 1560 Plätze ist daher an diesem Dienstag Thema im Hauptausschuss des Bezirks Nord. Hier sollen nun weitere Menschen einziehen.

Flüchtlinge Hamburg: Unterkunft in der City Nord wird maximal belegt

In einem Informationsschreiben der Sozialbehörde an die Vorsitzende der Bezirksversammlung wird die „bevorstehende Inbetriebnahme von Krisenkapazitäten am Standort am Überseering in Winterhude angekündigt“. Nach einer längeren Einleitung über die schwierige Unterbringungslage in Hamburg verweist die Behörde auf die Notwendigkeit, weitere Plätze zu schaffen.

Bislang leben bereits gut 1200 Menschen am Überseering. „Vor dem Hintergrund der oben geschilderten Lage müssen nunmehr leider auch die verbliebenen 341 Plätze der Krisenkapazität kurzfristig in Anspruch genommen werden.“ Die Entscheidung sei in enger Abstimmung mit dem Bezirk erfolgt.

City Nord: Belegung mit weiteren Flüchtlingen soll bis Mitte April abgeschlossen sein

Die Belegung der Plätze werde sukzessive erfolgen, jedoch spätestens bis Mitte April 2024 abgeschlossen sein. Auch weiterhin sollen Schutzsuchende aus der Ukraine an den Standort verlegt werden.

Die Behörde schreibt weiter, man sage für den Überseering zu, die besonderen Herausforderungen des großen Standortes auch für das Umfeld sorgfältig im Blick zu behalten. Denn es hatte in der Vergangenheit etliche Beschwerden gegeben.

Flüchtlinge: Wirt des italienischen Restaurants hat seine Terrasse verlegt

Giorgio Freitas, der an der Sydneystraße ganz in der Nähe der Unterkunft sein italienisches Restaurant Pepe Nero betreibt, hat nach dem Ärger im vergangenen Jahr, als seinen Angaben zufolge viele Gäste auf der Terrasse angebettelt wurden, diese jetzt an die andere Hausseite verlegt. Die Terrasse grenzt jetzt an den Parkplatz, den er sich mit dem Discounter Penny teilt.

Giorgio Freitas vor seinem italienischen Restaurant Pepe Nero in der City Nord
Giorgio Freitas vor seinem italienischen Restaurant Pepe Nero in der City Nord © Elisabeth Jessen | Elisabeth Jessen

Dort sorgt seit dem Herbst ständig ein Wachmann für Sicherheit und Ordnung. Seither werde auch weniger geklaut, sagt ein Mitarbeiter. Auch die Stammkunden aus der Nachbarschaft kämen jetzt wieder zum Einkaufen.

Restaurant Hamburg: Gastronom spricht von erheblichen Einbußen wegen Bettelei

Freitas hofft, dass ein neues Schild hilft. Es weist Passanten darauf hin, dass es sich bei seiner Terrasse um Privatgelände handelt. Derzeit nutzen viele Kunden, die zum Einkaufen wollen, den Weg am Parkplatz vorbei noch als Abkürzung. Aber sobald die Möbel stehen, werde er die Terrasse mit 70 Plätzen zumachen, sagt der Wirt. „Hier kommt noch eine Absperrung.“

Er habe mächtige Einbußen gehabt im vergangenen Jahr, sagt Freitas, und spricht von 40.000 Euro. Denn viele Stammkunden seien weggeblieben oder seltener gekommen. „Viele Gäste haben gesagt, wir möchten in Ruhe essen, aber das geht bei dir auf der Terrasse nicht“, erzählt der Wirt.

Flüchtlinge in der Nachbarschaft – mit vielen hat der Wirt kein Problem

Dass ein paar Hundert Flüchtlinge mehr in der Nachbarschaft einen großen Unterschied machen werden, denkt er nicht. „Ich hoffe, dass es dieses Jahr besser klappt. Ich bin 62, mache meinen Beruf sehr gern, aber ich will nicht jeden Tag Ärger.“ Die meisten Ukrainer seien angenehm, aber es gebe einige Sinti und Roma in der Unterkunft, die Probleme machten, auch weil sie sehr viel Alkohol konsumierten. „Mir tun auch die Frauen und Kinder da leid.“

Freitas, der portugiesische Wurzeln hat, würde Asylbewerbern mehr abverlangen, dann hätten sie auch weniger Langeweile und weniger Zeit zu trinken, wie er meint. „Ich verstehe den deutschen Staat nicht“, sagt er. Er selbst arbeite von morgens bis zur Sperrstunde, weil es so schwer sei, Personal zu finden. Nicht bei jeder Arbeit brauche man gute Deutschkenntnisse, sagt er. „Man kann Menschen auch integrieren, während sie arbeiten. Dabei lernen sie auch Deutsch.“

City Nord: Dauerparker nehmen Kunden die wenigen Stellplätze weg

Was er sich nicht mehr gefallen lassen will, sind die vielen Dauerparker auf dem Parkplatz mit etwa 25 Stellplätzen, den er sich mit Penny teilt. „Die Polizei sagt, sie kann nichts machen, weil es Privatgelände ist“, sagt Freitas. Aber inzwischen habe er eine Abschleppfirma gefunden, bei der er nicht in Vorkasse gehen müsse. „Der private Parkplatz ist für Kunden, die einkaufen, und für meine Gäste“, sagt der Restaurantbetreiber energisch.

Wegen der U5-Baustelle und wegen der Container an der Baustelle des Neubauprojekts Ipanema ist die Zahl der Stellplätze rund um die Flüchtlingsunterkunft stark reduziert. Man sieht in deren Umfeld am Straßenrand viele Autos mit ukrainischen, aber auch viele mit polnischen Kennzeichen.

Flüchtlingsunterkunft: Anwohnerin spricht von Ärger mit Müll und zugeparkten Stellplätzen

Davon berichtet auch eine Anwohnerin, die ihren Namen nicht veröffentlicht sehen möchte. „Unsere Parkplätze werden ständig zugeparkt, vor allem am Wochenende“, sagt sie. „Sie werden sehr ungehalten, wenn sie ihre Autos vom Hof wegparken sollen.“ Sätze wie „Hier nur Probleme in Deutschland, alles shit“ und andere Wörter müsse man sich anhören.

Sie spricht auch von einem anhaltenden Müllproblem: „Hinter den Garagen wird der Müll hingeschmissen, auf den Garagen werden Hüpfspiele gemacht, Alkoholflaschen liegen in unserem Innenhof.“ Oft würden die Mülleimer durchwühlt, aber darin lande auch viel Müll von Menschen, die nicht im Haus wohnen – allerdings ohne Rücksicht auf Mülltrennung.

Flüchtlinge in der City Nord: Nachbarn ärgern sich über menschliche Notdurft

Mehrere Nachbarn berichten auch von menschlicher Notdurft, die häufig hinter Garagen und auf Grünflächen verrichtet werde. „Da ist längst nicht jeder Haufen von einem Hund“, sagt ein Mann.

Von älteren Anwohnern wird vor allem beklagt, dass viele Flüchtlinge in Gruppen unterwegs seien und anderen Passanten auf dem Fußweg nicht oder nur widerwillig Platz machten. Auch mehrere Rollstuhlfahrer, die in einem der benachbarten Häuser leben, machten oft diese Erfahrung. „Die Straße gehört den Ukrainern“, sagen sie.

Flüchtlingsunterkunft: Anwohner beobachten Liebesaustausch in den Duschcontainern

Dass das Licht in den Duschcontainern der Flüchtlingsunterkunft aus Sicherheitsgründen die ganze Nacht leuchtet, sorgt ebenfalls für Kritik. „Es wird gequalmt darin, und Liebesaustausch findet natürlich auch statt“, so eine Anwohnerin.

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Wolfgang Arnhold, Sprecher der Sozialbehörde, weiß um die Beschwerden, sagt aber auch: „Wir haben über 240 Standorte in Hamburg. Die meisten laufen unauffällig und geräuschlos.“ An einigen Standorten, wo es Probleme gibt, habe man runde Tische eingerichtet, um diese zu lösen.

Flüchtlinge am Überseering: Betreiber bietet Sprechstunde mit Anwohnern an

Darauf hoffen auch die Nachbarn der Einrichtung am Überseering. „Wir haben schon neue Privatgelände-Schilder, vor der Einfahrt kommen auch noch welche“, sagt eine Anwohnerin.

„Auch abschließbare Mülleimer sollen kommen, und ein Zaun soll das Hinüberklettern von unserer Seite auf die andere verhindern“, sagt sie weiter. Sie hofft auf eine Sprechstunde im Haus, bei der sich die Nachbarn mit dem Betreiber Fördern & Wohnen austauschen könnten. Diese solle noch im April stattfinden.