Hamburg. Michael Werner-Boelz hatte Abgeordneten wegen vermeintlicher Fremdenfeindlichkeit kritisiert. Jetzt schlägt die AfD zurück.
Wer Michael Werner-Boelz kennt, weiß: Fremdenfeindlichkeit und Rassismus sind Themen, die den Bezirksamtsleiter von Hamburg-Nord besonders umtreiben. Er initiiert Gedenkveranstaltungen für Opfer rechter Gewalt und lässt ihre Angehörigen zu Wort kommen. Weil er im März 2022 einen Abgeordneten der AfD für vermeintlich fremdenfeindliche Äußerungen kritisiert hat, hat ihn die Partei, die in Teilen als rechtsextrem gilt, nun verklagt. Am 14. Februar beginnt der Prozess.
Was war geschehen? Werner-Boelz (Grüne) hatte die AfD im Rahmen einer Aktuellen Stunde der Bezirksversammlung Hamburg-Nord am 24. März 2022 zum Thema Geflüchtete aus der Ukraine als „Bruder im Geiste von Herrn Putin“ sowie als „Feinde der Demokratie, der Meinungsfreiheit und des Pluralismus“ bezeichnet.
AfD Hamburg-Nord verklagt Bezirkschef wegen Verstoß gegen Neutralitätsgebot
Zuvor hatte es in einem Redebeitrag des AfD-Bezirksabgeordneten Thorsten Janzen geheißen, man müsse darauf achten, dass die Kriegssituation nicht von Menschen ausgenutzt werde, die nicht in der Ukraine lebten und aus rein wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland kämen. Nach Meinung des AfD-Kreisverbands Hamburg-Nord hat Werner-Boelz mit seiner Aussage gegen das politische Neutralitätsgebot in seiner Funktion als Bezirksamtsleiter verstoßen. Im August 2022 wurde er deshalb von dessen Vorsitzenden verklagt.
Bevor der Fall am 14. Februar – als erster in Hamburg – vor dem Verwaltungsgericht verhandelt wird, lud der Bezirksamtsleiter am Donnerstag zu einem Pressetermin, um den Vorfall aus seiner Sicht zu erläutern. Darüber hinaus präsentierte er die Statements einiger Unterstützer: Amelie Deuflhard (Kampnagel), Malte Siegert (Nabu), Sandra Goldschmidt (Ver.di), Frank Fechner (ETV) und Faruk Arslan (Vater von Opfern des Brandanschlags auf ein Wohnhaus in Mölln 1992).
Prozess Hamburg: Gericht muss klären, welche Funktion Werner-Boelz hatte
Tatsächlich klage die AfD seit Jahren gegen Amtsträger in ganz Deutschland wegen ähnlicher Äußerungen, so Rechtsanwältin Cornelia Ganten-Lange, die Werner-Boelz vertritt. Dabei berufe sie sich auf das Recht der politischen Parteien auf Chancengleichheit und das Neutralitätsgebot.
Die ehemalige Richterin am Hamburger Verfassungsgericht vertritt die Ansicht, dass ihr Mandant im aktuellen Fall die Äußerungen nicht in Ausübung seiner Amtsfunktion getätigt habe, sondern als einfacher Teilnehmer der Versammlung. Das müsse das Gericht zunächst klären.
Bislang habe die AfD häufig recht bekommen, da sich „die Gerichte dem Neutralitätsgebot sehr verpflichtet“ fühlten, so die Anwältin. Und betonte: „Die bisherige Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte und des Bundesverfassungsgerichts zum Neutralitätsgebot von Amtsträgern muss überdacht und geändert werden. Äußerungen, die sich eindeutig gegen Demokratie, Rechtsstaat und Menschenwürde richten, dürfen nicht hingenommen werden. Auch Amtsträger sind gefragt, ihrer Verantwortung zum Schutz der Verfassung und Demokratie nachzukommen.“
Michael Werner-Boelz sieht Kritik an AfD als Teil seiner Dienstpflicht an
Genau darauf beruft sich auch Werner-Boelz. „Ich bin der festen Überzeugung, dass der Einsatz für unsere Demokratie und gegen die Abwertung und Ausgrenzung von Menschen nicht gegen meine Neutralität verstößt. Im Gegenteil sehe ich dieses Engagement als Teil meiner Dienstpflicht an“, betonte er.
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Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes besage nicht nur, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Er beinhalte durch den nächsten Satz „Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“ auch einen klaren Handlungsauftrag für staatliche Institutionen.
AfD-Klage: „Lasse mich im Einsatz für Demokratie nicht einschüchtern“
„Ich lasse mich in diesem Einsatz für Demokratie, Pluralismus und Meinungsfreiheit nicht einschüchtern“, so Werner-Boelz. Die juristische Einordnung bleibe abzuwarten. „Mir geht es aber auch um die politische Botschaft: In einer ,wehrhafte Demokratie‘ müssen Amtsträger in die Lage versetzt werden, klare Stellung zu beziehen, wenn die Demokratie in Gefahr ist.“
In ihren Statements bekunden seine Unterstützer volle Solidarität mit dem Bezirksamtsleiter. Besonders eindrucksvoll war die Videobotschaft von Faruk Arslan. Er habe nach dem Brandanschlag durch den jahrelangen „Papierkrieg“ mit den Behörden das Vertrauen in diese Institutionen verloren. Erst durch Werner-Boelz‘ Engagement gegen Fremdenfeindlichkeit habe er erlebt: „Da ist einer, der da oben sitzt und uns hier unten die Hand reicht.“