Hamburg. Nächtlicher Polizeieinsatz bei Pressegrossist in Rahlstedt. Chef prüft Schadenersatz. DJV: „Versuch, Pressefreiheit einzuschränken.“

Nach der Blockade bei einem Zeitungsgroßhändler im Stadtteil Rahlstedt ermittelt die Polizei Hamburg gegen die mutmaßliche Initiatorin. Wegen des Abhaltens einer nicht angemeldeten Versammlung sei ein Strafverfahren gegen eine 26 Jahre alte Frau eingeleitet worden, sagte Polizeisprecher Sören Zimbal am Montag. Ob weitere Straftaten wie Nötigung vorliegen könnten, sei derzeit in Prüfung.

Etwa 70 Blockierer hatten in der Nacht zum Sonnabend (3. Februar) versucht, die Auslieferung von Zeitungen und Zeitschriften zu verhindern. Zu den betroffenen Titeln gehörten unter anderem das Hamburger Abendblatt, die „Hamburger Morgenpost“ und auch „Der Spiegel“, wie der Geschäftsführer des Pressegrossisten 4Press, Joachim Sander, sagte.

Querdenker blockieren Zeitungsauslieferung in Hamburg

Es war offenbar ein gezielter Angriff auf die Pressefreiheit. Nach Informationen aus Polizeikreisen werden die Protestler der Querdenker-Szene zugerechnet.

Die Demonstranten waren um kurz vor Mitternacht plötzlich mit einem Sattelzug und 21 Pkw vor den drei Zufahrten des Pressegrossisten am Neuen Höltigbaum aufgetaucht, der von Rahlstedt aus den kompletten Einzelhandel in Hamburg mit Zeitungen und Zeitschriften versorgt. Die in Zivil gekleideten Männer blockierten die Zufahrtswege und drohten, zusätzliche Betonklötze heranzuschaffen. An der Sattelzugmaschine hing ein Transparent mit der Aufschrift „Die Ampel flackert, gut möglich, dass sie demnächst ausgeht“.

Als die Polizei gegen 23.55 Uhr schließlich anrückte, gaben die Blockierer an, dass sie die Zeitungsauslieferung wegen „falscher Berichterstattungen über die deutschen Krisenlagen“ verhindern wollten. Nähere Angaben zu bestimmten Titeln oder Berichten machten sie aber nicht.

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Die Aktion sollte demnach bis vier Uhr morgens dauern. Die Polizei sprach allerdings um 2.08 Uhr eine Auflösungsverfügung aus und beendete die Blockade nach mehreren Personalienfeststellungen. Außerdem wurden die Kennzeichen der Fahrzeuge erfasst, darunter Autos aus Ratzeburg, Nordwestmecklenburg und Lübeck. Augenzeugen wollen auch Fahrzeuge aus den Niederlanden gesehen haben. Die Polizei konnte dies nicht bestätigen.

Der Geschäftsführer des Pressegrossisten 4Press befand sich nach seinen eigenen Worten die ganze Nacht über in engem Kontakt mit der Polizei und versuchte, die Auswirkungen auf die Auslieferung der Zeitungen und Zeitschriften so gering wie möglich zu halten. Unter anderem wurden die frisch gedruckten Zeitungen, die aus der Druckerei in Ahrensburg den Grossisten erreichten, in einer Nebenstraße „zwischengeparkt“ und dann nach dem Ende der Blockade ausgeliefert. Insgesamt gingen bei der Auslieferung einige Stunden verloren. Alle Händler konnten aber beliefert werden.

4Press-Chef: „Ein gezielter Angriff auf die Pressefreiheit“

„So eine Blockade habe ich in meiner Zeit als Geschäftsführer noch nicht erlebt“, sagte 4Press-Chef Sander dem Abendblatt. „Das war ein gezielter Angriff auf die Pressefreiheit“. Man werde nun prüfen, ob Schadenersatzansprüche gegen die Protestierenden geltend gemacht werden könnten. „Es ist unsere Aufgabe, Hamburg mit Zeitungen und Zeitschriften zu beliefern“, so Sander. „Da kann es nicht sein, dass wir uns dabei von Protestierenden den Weg versperren lassen.“

„Das ist ein Angriff auf die freie Presse“, erklärte der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) zu der Blockade des Pressevertriebszentrums in Rahlstedt in der Nacht zum Sonnabend. „Weil ihnen die Berichterstattung nicht passt, nehmen Demonstranten einfach Zeitungen und Zeitschriften als Geisel.“ So ein Verhalten sei zutiefst undemokratisch.

Polizei Hamburg rechnet Blockierer rechtem Spektrum zu

Immer öfter würden Journalistinnen und Journalisten Opfer von Aggression und Gewalt, kritisierte der BDZV. Die Blockade in Hamburg sei nur der jüngste Fall, in dem selbst ernannte Zensoren ihnen missliebige Berichterstattung verhindern wollten.

Die Hamburger Polizei rechnet die Demonstranten dem Vernehmen nach dem rechten Spektrum zu. Der BDZV führte dazu weiter aus, dass es bei solchen Angriffen auf die Medien nicht um Fakten, Wahrheit oder Dialog gehe. „Es geht darum, die freie Presse als Fundament der Demokratie infrage zu stellen.“

Aktuell werde in Deutschland so viel diskutiert wie schon lange nicht. Die Presselandschaft sei ein wichtiger Motor der Debatten – und sie sei in ihrer Vielfalt an Titeln, Meinungen und professioneller Darstellung weltweit vorbildlich, heißt es dazu weiter vom BDZV. „Wer Journalistinnen und Journalisten angreift, Medien verächtlich macht und Pressehäuser blockiert, will nicht diskutieren, sondern unsere Freiheit zerstören. Das werden wir nicht zulassen.“

DJV: Blockade von Medienhäusern sofort beenden

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) forderte nach dem Vorfall ein sofortiges Ende der Blockaden von Medienhäusern und Presseverteilzentren. Der Versuch, die Auslieferung von Zeitungen und Zeitschriften mit vermeintlich unbequemen Inhalten zu verzögern oder gar zu verhindern, sei der Versuch, „die Pressefreiheit einzuschränken“, hieß es. Zudem rief die Gewerkschaft Ver.di in Hamburg dazu auf, die Pressefreiheit zu verteidigen.

„Wer mit der journalistischen Berichterstattung nicht zufrieden ist, kann Leserbriefe schreiben oder Postings in sozialen Netzwerken absetzen“, sagte DJV-Bundesvorsitzender Mika Beuster. Bei Verstößen von Journalistinnen und Journalisten gegen die Statuten des Pressekodex sei der Deutsche Presserat der richtige Ansprechpartner. „Blockaden sind jedoch das falsche Mittel.“

Blockadeaktion „ein Aufruf an uns alle, die Pressefreiheit zu verteidigen“

„Die Drohung der Blockierer ist ernst, unsere Antwort ist es auch“, erklärte Sandra Goldschmidt, Landesleiterin der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Ver.di) in Hamburg. Die Gewerkschaft stehe den Journalistinnen und Journalisten solidarisch zur Seite. „Lasst euch in eurer Arbeit nicht einschüchtern!“ Die Blockadeaktion sei „ein Aufruf an uns alle, die Pressefreiheit zu verteidigen: in den Redaktionen, im Freundeskreis, auf der Straße – und auch vor den Toren eines Grossisten“, sagte Goldschmidt.

Eine ähnliche Aktion hatte sich laut DJV wenige Tage zuvor vor dem Druckzentrum der „Deister- und Weserzeitung“ in Hameln ereignet. „Das darf als Protestform nicht Schule machen. Andernfalls muss die Polizei das Grundrecht der Pressefreiheit durchsetzen“, sagte der DJV-Chef Beuster.

Am Montagmorgen protestierten Bauern und Mittelständler vor dem NDR-Landesfunkhaus Niedersachsen in Hannover.
Am Montagmorgen protestierten Bauern und Mittelständler vor dem NDR-Landesfunkhaus Niedersachsen in Hannover. © DPA Images | Julian Stratenschulte

Zu einer weiteren Protestaktion gegen Medien kam es am Montagmorgen: Landwirte und Mittelständler fuhren mit etwa 50 Fahrzeugen vor dem NDR-Landesfunkhaus Niedersachsen in Hannover vor. Die Kundgebung richtete sich laut Veranstalter gegen die angeblich zu geringe Beachtung der Bauerndemonstrationen durch die Medien im Allgemeinen.