Hamburg. Experte aus Hamburg ist schockiert von Bitburger-Kampagne und legt Beschwerde beim Werberat ein. Wie das Unternehmen reagiert.

Ob die Marketingstrategen von Bitburger sich mit der aktuellen Werbung einen Gefallen getan haben? Wohl eher nicht, denn in den sozialen Medien tobt ein heftiger Shitstorm gegen die Kampagne zum Dry January, also dem Verzicht auf Alkohol im Januar und einen insgesamt verantwortungsvollen Umgang. Nachdem vor allem zum Jahresende traditionell wieder viel getrunken wurde, lassen es viele Menschen zum Jahresbeginn ruhiger angehen.

Auf dem Werbebild der Brauerei ist eine Schwangere mit Bustier, Hemd und prallem nackten Babybauch zu sehen, die eine Flasche Bier kippt. Daneben steht: „Getestet von Müttern. Gebraut für euch alle. Dry January mit Bitburger 0,0%.“ Es gibt noch weitere Bilder, darunter eine Frau, die einen Kinderwagen schiebt und dabei aus der Flasche trinkt.

Brauerei wolle mit „idealisierten Klischees vom Muttersein aufräumen“

Man wolle mit idealisierten Klischees vom Muttersein aufräumen sowie den Selbstaufgaben, mit denen sich junge Frauen heutzutage konfrontiert sähen, wie der Vereinbarkeit von Familie und Job, heißt es in der Kampagne, mit dem das alkoholfreie Bier beworben wird.

Die Brauerei erklärt auf ihrer Homepage weiter: „Junge Mütter haben viel zu managen: Vereinbarkeit von Familie und Job, Me-time-Family-time-Balance und vieles mehr. Das wollen wir wertschätzen – deshalb sind (werdende) Mütter die Heldinnen in unserem Dry January.“

Bitburger wirbt mit der enthaltenen Folsäure in dem alkoholfreien Bier

Sogar auf gesundheitliche Aspekte weist Bitburger hin: „Während der Schwangerschaft haben Frauen beispielsweise einen erhöhten Bedarf an Folsäure. Alkoholfreies Bier enthält diese Folsäure und weitere wichtige Vitamine und Mineralstoffe, darunter Kalium, Niacin, B-Vitamine und Spurenelemente. Folsäure oder auch Vitamin B9 ist ein natürliches – aus der Gerste und der Hefe stammendes – Vitamin im Bier, welches zur Stärkung des Immunsystems beiträgt.“

Das Kampagnenfoto von Bitburger zeigt eine Schwangere mit Bierflasche.
Das Kampagnenfoto von Bitburger zeigt eine Schwangere mit Bierflasche. © Bitburger | Bitburger

Und liest man weiter, könnte man fast zum Schluss kommen, dass alkoholfreies Bier geradezu ein Muss ist für stillende Mütter: Während der Stillzeit könne sich alkoholfreies Bier ebenfalls als förderlich erweisen, da Gerste die Milchbildung fördere, schreibt Bitburger. „Der Hopfen kann zudem beruhigend sowie entspannend wirken und so das Stillen begünstigen.“

Hamburger Experte spricht von völlig falschem Signal und alkoholgeschädigten Kindern

Ein „völlig falsches Signal“ nennt das dagegen Tobias Wolff, Projektleiter des FASD Fachzentrum Hamburg e.V., das sich um durch Alkohol geschädigte Kinder kümmert. „Wir haben in Deutschland circa 1,6, Millionen Menschen, die mit einer Alkoholschädigung (FASD, Fetale Alkoholspektrumstörung) zur Welt gekommen sind. Diese Kampagne sorgt doch eher dafür, dass der Genuss von Bier verharmlost wird. Egal, ob 0,0 Prozent oder mehr.“ Die Forschung habe inzwischen festgestellt, dass schon geringste Mengen von Alkoholkonsum während der Schwangerschaft die Hirnstruktur des Ungeborenen schädigen, so der Experte.

Wolff sagte dem Abendblatt, er habe bereits Beschwerde beim Deutschen Werberat eingelegt. Dessen Zuständigkeit ist medienübergreifend. Nach eigenen Angaben setze sich Wolff mit seinen Beanstandungen in 94 Prozent der Fälle bei den betroffenen Unternehmen durch. Lediglich in Ausnahmefällen sei eine öffentliche Rüge nötig, die dann meist dazu führe, dass das betroffene Unternehmen künftig auf gesellschaftlich akzeptierte Werbung setze.

Bitburger verteidigt den geringen Restalkohol im alkoholfreien Bier

Die Antwort, wie es um den Restalkohol steht, beantwortet die Bitburger-Brauerei selbst: „In Deutschland dürfen Getränke bis zu einem Restalkohol-Gehalt von 0,5 Prozent als alkoholfrei bezeichnet werden. Bei unserem alkoholfreien Bier ist ein so geringer Restalkohol enthalten, dass die Berechnung mathematisch gesehen stets 0,0 Prozent ergibt. Somit ist der Restalkohol unseres alkoholfreien Bieres geringer als zum Beispiel bei Apfelsaft.“

Auch dieses Motiv der Kampagne von Bitburger zeigt eine Schwangere mit Bierflasche.
Auch dieses Motiv der Kampagne von Bitburger zeigt eine Schwangere mit Bierflasche. © Bitburger | Bitburger

Das Bitburger 0,0% sei alkoholfreier als gesetzlich vorgeschrieben und damit während der Schwangerschaft und der Stillzeit komplett unbedenklich.

Bitburger-Kampagne: Facebook-Nutzer schockiert über Bier trinkende Schwangere

In den Kommentaren in den sozialen Medien bleibt das nicht unwidersprochen. Eine Userin schreibt: „Hört doch endlich mit der Faselei von den 0,0% Alkohol auf. Das Bild, das ihr vermittelt, ist brandgefährlich. Könnt oder wollt ihr es nicht verstehen?“

Eine andere schreibt auf den Hinweis von Bitburger, das Bitburger 0,0% sei während der Schwangerschaft und Stillzeit komplett unbedenklich: „Ich finde es trotzdem ein falsches Zeichen, ähnlich wie Kaugummizigaretten für Kinder oder Kindersekt. Es macht meiner Meinung nach Alkohol mehr salonfähig, alltäglich, dazugehörig, und das ist es nicht bzw. sollte es nicht sein.“

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Eine weitere Facebook-Nutzerin schreibt: „Ganz ehrlich ... allein das Foto schockt mich, denn ich sehe eine Bier trinkende, schwangere Frau, und dann erst entdecke ich die 0,0 ... solch eine Werbung ist für mich persönlich ein No-Go ... aber mittlerweile geht man wohl über Grenzen, um sein Produkt anzupreisen.“

Und eine weitere Nutzerin meint: „Mich hat das Bild geschockt, denn gerade, wenn man Kinder betreut, die mit FASD zur Welt gekommen sind, ist diese Werbung ein Schlag ins Gesicht ... Es wird viele Frauen geben, die diese Werbung als Alibi nutzen, um zu trinken.“ Und ein weiterer Kommentator schreibt, die Werbung sei ein No-Go für die Branche. „Absolut unmöglich und irritierend. Bitte KEIN Bit!“

Hamburger Experte: Form der Bitburg-Werbung sei „brandgefährlich“

Eine Userin schreibt, sie habe erst gedacht, es handle sich um Satire. Es gibt aber auch Zustimmung: „Klasse Werbung! Frech und provozierend, super“. Und etliche Frauen, die berichten, dass sie in ihrer Schwangerschaft gern alkoholfreies Bier getrunken haben, fühlen sich in ihrem Tun bestätigt.

Die Pressestelle der Bitburger Braugruppe sagte dem Abendblatt: „Mit unserer Bitburger 0,0%-Dry-January-Kampagne bewerben wir bewusst unser alkoholfreies Bitburger 0,0% mit Schwangeren und Müttern, da es auch während der Schwangerschaft und Stillzeit absolut unbedenklich ist.“ Mit der Kampagne stelle man Genuss- und Gemeinschaftsmomente klar in den Vordergrund, nicht den Konsum von Alkohol.

Bitburger Braugruppe spricht von „verantwortungsvoller Produktvermarktung“

„Dabei ist es uns wichtig zu betonen, dass wir als Produzent alkoholhaltiger Getränke grundsätzlich eine besondere Verantwortung gegenüber unseren Verbrauchern tragen und zu keiner Zeit und in keiner Weise für Alkoholkonsum während der Schwangerschaft und Stillzeit werben. Schon seit Jahren haben wir uns einen Kodex zur verantwortungsvollen Produktvermarktung auferlegt, der uns einen klaren Handlungsrahmen für alle Marketingaktivitäten vorgibt“, so die Sprecherin.

Für Tobias Wolff steht dennoch fest: „Die Wirkmacht von Bildern hat einen klaren Vorteil gegenüber Worten. Sie wirken direkter auf unser Bewusstsein. Die Verarbeitung beim Prozess der Kognition ist bei ihnen, anders als bei der Schrift, nicht mehr nötig. Bilder dringen noch unmittelbarer zu uns vor. Deswegen ist diese Form der Werbung so brandgefährlich.“