Hamburg. Prof. Ragosch, Chef der größten Geburtshilfe Hamburgs, räumt mit Mythen über die Ernährung auf. Was tabu und was „kein Drama“ ist.

Kein Sushi, nur durchgebratenes Fleisch, auf Rohmilchkäse verzichten: Es gebe durchaus einige ärztliche Empfehlungen, denen Schwangere folgen sollten, sagt Professor Dr. Volker Ragosch. „Es ist schon sinnvoll, das Steak nicht mehr Medium zu bestellen, weil man die Infektionskrankheit Toxoplasmose, die nach dem Verzehr von rohem Fleisch auftreten kann, nun wirklich nicht braucht“, sagt der Chefarzt der Frauenklinik an der Asklepios Klinik Altona.

Grundsätzlich sei er jedoch „kein Freund von Verboten oder Vorschriften“, sagt der Chef der größten Geburtshilfe der Stadt. „Einzige Ausnahme: Alkohol ist in der Schwangerschaft wirklich strikt verboten, da schadet schon ein kleiner Schluck“, sagt der renommierte Gynäkologe. Darüber hinaus habe er in mittlerweile mehr als 30 Berufsjahren beobachtet, dass sich vor allem jene Frauen für Ernährungsfragen interessieren, die sich schon vor der Schwangerschaft bewusst ernährt haben.

Schwangerschaft – Hamburger Chefarzt: Ratschlag „Essen für zwei“ ist Quatsch

„Wir haben mittlerweile ein ganz anderes Problem als die Frage, ob eine Salami-Pizza nun erlaubt ist oder nicht: Schon knapp 40 Prozent der Schwangeren gehen bereits mit Adipositas, also mit Übergewicht, in die Schwangerschaft“, sagt der Chefarzt aus Altona. „Und dann folgen sie womöglich noch dem alten, aber falschen Rat, dass sie nun ja für zwei essen müssen“, sagt Professor Dr. Volker Ragosch.

Dabei erschwere ein hohes Gewicht der Mutter im wahrsten Sinne des Wortes die Geburt, es komme häufiger zu Kaiserschnitten oder zu anderen Geburtskomplikationen. „Außerdem wissen wir mittlerweile, dass Kinder, deren Mütter bei der Geburt übergewichtig waren, selbst häufiger zu Übergewicht neigen und mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit im Laufe ihrer Kindheit Diabetes oder sonstige Stoffwechselerkrankungen entwickeln.“

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Es sei „wirklich sehr entscheidend“, dass Kinder insbesondere während der neun Monate im Mutterleib und auch in den ersten drei Lebensjahren „gesund und ausgewogen“ ernährt würden. „Da wird die Grundlage für das ganze spätere Leben gelegt.“

Schwangerschaft – bis zu 14 Kilogramm Gewichtszunahme sind normal

Professor Dr. Volker Ragosch plädiert daher für eine gezielte Schwangerschaftsvorsorge und eine möglichst individuelle Ernährungsberatung, gegebenenfalls durch Ökotrophologen. „Das sind Experten, die haben das gelernt. Ich finde, es reicht einfach nicht, eine werdende Mutter kurz darauf hinzuweisen, dass sie sich ausgewogen ernähren sollte. Manche wissen gar nicht, was das konkret bedeutet. Sie kaufen weiterhin irgendwelche bunten Frühstücksflocken und ahnen gar nicht, wie viel Zucker da drin ist.“

Bis zu 14 Kilogramm Gewichtszunahme seien während einer Schwangerschaft normal, mehr gelte als durchaus „problematisch“. „Klar, eine Diät ist für eine Schwangere nicht ratsam, aber dieses Essen für zwei ist kompletter Quatsch. Gerade in der Frühphase der Schwangerschaft ist der kleine Wurm ein paar Millimeter klein.“ Deshalb sollte, so Ragosch, bei den Vorsorgeuntersuchungen genauer auf das Gewicht der Mutter geachtet werden. „Eventuell müssen dann doch gewisse Ernährungsgewohnheiten infrage gestellt werden.“

Schwangerschaft: Heißhungerattacken sind „kein Drama“

Doch was ist mit den Heißhungerattacken, unter denen viele werdende Mütter leiden? „Die halte ich für kein allzu großes Thema“, sagt der habilitierte Mediziner. „Sie kommen vor, und es ist dann auch okay, mal über die Stränge zu schlagen. Passiert das allerdings andauernd, dann wird es ein Drama.“

Vegetarische Ernährung sei während der Schwangerschaft gar kein Problem. „Warum auch? Eisen, das ja unter anderem in Fleisch enthalten ist, kann gegebenenfalls in Absprache mit den behandelnden Ärzten auch anders substituiert werden.“ Allerdings sei das ohnehin eher ein „Großstadt-Phänomen“, kein Massenthema. „Gilt auch für vegane Ernährung, von der übrigens in der Schwangerschaft eher abzuraten ist. Da fehlt dann mitunter doch einiges an Nährstoffen“, sagt der Chefarzt, der die Frauenklinik an der Asklepios Klinik Altona bereits seit 2001 leitet.

Schwangerschaft: fünf kleine Mahlzeiten für werdende Mütter empfehlenswert

Ein Tipp des Hamburger Chefarztes: Fünf (kleine) Mahlzeiten seien in der Schwangerschaft empfehlenswert. „Denn wenn Sie als Frau mit einem Kind im Bauch zu viel, zu üppig essen, dann ist eben weniger Platz als vorher, und das Essen drückt womöglich unangenehm nach oben.“ Auch das regelmäßige Trinken werde leider oft vergessen: „Zwei Liter pro Tag sollten es schon aus, am besten natürlich Wasser und/oder Tee. Bitte keine Soft Drinks oder gesüßten Säfte.“

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Und was ist mit Kaffee, nur koffeinfrei? „Das Märchen hält sich leider hartnäckig“, sagt Professor Dr. Volker Ragosch. „Also zwei bis drei Tassen Kaffee dürfen Sie als Schwangere pro Tag locker trinken, das schadet weder Mutter noch Baby.“ Leider gebe es viele Mythen, die über Jahrzehnte überliefert würden. „Rotwein, um die Wehen auszulösen, ist auch so ein Ding“, sagt der Chefarzt. „Völliger Quatsch! Alkohol hemmt eher. Aber das ist ungefähr so wie die Erzählung, dass Gewitter Blasensprünge begünstige. Nein, nein, nein!“