Hamburg. Dünendorf auf Insel soll saniert werden. Verantwortliche sind „bitter enttäuscht“ und werfen Hamburger Behörden Versagen vor.
Seit 1920, also seit mehr als 100 Jahren, gibt es das Hamburger JugenderholungsheimPuan Klent auf Sylt bereits. Generationen von Schülern aus Hamburg haben ihre Klassenreisen ins Naturschutzgebiet zwischen Hörnum und Rantum gemacht. Inzwischen ist das Gästehaus in die Jahre gekommen, die Verantwortlichen der Stiftung wollen es zu einem modernen Bildungshaus umbauen. Das sollte mit Mitteln des Bundesfamilienministeriums gelingen.
15 Millionen Euro wollte der Bund geben, 2019 gab es den Förderbescheid für das Projekt „Dünendorf Puan Klent“. Horst Bötcher, Vorstandsvorsitzender der gleichnamigen gAG, die die Anlage in Rantum auf Sylt betreibt, und seine Mitstreiter planen die Umgestaltung bereits seit Jahren. Doch jetzt herrscht Aufruhr: „Das Geld ist wohl weg“, sagt der Vorstandsvorsitzende. Und das, so sein Vorwurf, „weil die Hamburger Behörden immer neue Hürden aufgebaut haben“.
Sylt: Aufruhr bei Jugendheim Puan Klent – 15 Millionen Euro vom Bund kommen nicht
Erst nach der Zusage habe man konkret anfangen können zu planen, sagt Bötcher. So habe man zunächst Mitte 2021 auf eine Forderung der Behörden reagiert und aus der Stiftung eine gemeinnützige Aktiengesellschaft (gAG) ausgegründet, wie Stiftungsvorstand Peter Klix ergänzt. Dieser Schritt sei wesentlich für die generelle weitere Bereitstellung der Mittel gewesen.
Dazu sagt Wolfgang Arnhold, Sprecher der Hamburger Sozialbehörde: „Die Notwendigkeit zur Gründung der Puan Klent gAG hat sich aus den damaligen Förderbedingungen des Bundes ergeben. Nur so wäre eine Förderung durch Bundesmittel für das Projekt überhaupt möglich gewesen. Vor diesem Hintergrund hat die Sozialbehörde die Stiftung, die nach unserer Einschätzung diesen Weg auch aus organisationalen Gründen selbst aktiv gehen wollte, bei der Ausgründung inhaltlich und zeitlich intensiv unterstützt.“
Puan Klent auf Sylt: Internationales Büro erstellte eine weitere Machbarkeitsstudie
Doch die Umwandlung in eine gemeinnützige Aktiengesellschaft hatte gravierende Konsequenzen: „In der Folge mussten wir einen neuen Förderantrag stellen“, sagt Bötcher. Eigentlich waren die Puan-Klent-Betreiber davon ausgegangen, dass der Förderbescheid des Bundes auf die neu gegründete gAG übergeht. Doch dem war nicht so.
Der deshalb notwendige neue Antrag gestaltete sich aber extrem schwierig. In dem Prozess seien immer weitere Unterlagen angefordert worden, so Bötcher. Auch wurden weitere Behörden hinzugezogen. „Die Baubehörde hat plötzlich angezweifelt, dass die bereitgestellte Fördersumme ausreicht“, sagt Bötcher. „Unsere von einem Architekten erstellte Machbarkeitsstudie reichte nicht mehr.“
Puan Klent sei aufgefordert worden, eine weitere externe Machbarkeitsstudie erstellen zu lassen. Diese habe Drees & Sommer, ein international agierendes Büro, erstellt und diese sei Anfang 2023 der Sozial- und der Baubehörde übergeben worden.
„Das Ergebnis dieser Studie war: Wir können es genauso machen wie geplant, die Mittel reichen aus, und es gibt sogar noch einen Puffer“, sagt der gAG-Vorsitzende Bötcher. Für die nächsten 25 Jahre sei alles genau berechnet worden, „nach Fertigstellung hätten wir jedes Jahr bis zu 300.000 Euro Überschuss erwirtschaftet. Sylt ist ein attraktiver Standort.“
Doch trotzdem habe die Baubehörde erneut einen langen Fragenkatalog mit 34 Fragen geschickt, die man sehr schnell beantwortet habe.
Sylt: Zukunftspläne für Puan Klent sehen eine inklusive Bildungsstätte vor
„Zeitgleich mit der Machbarkeitsstudie haben wir einen neuen Antrag auf Zuwendungen an die Dünendorf Puan Klent gAG eingereicht“, sagt Bötcher, der als Berater seit vielen Jahren gemeinnützige Übernachtungs- und Tagungsstätten bei der Betriebsführung unterstützt.
Eine weitere unerwartete Hürde war nach Aussagen von Bötcher die Forderung des Haushaltsausschusses des Bundes, bis Mitte Mai 2023 die „Baureife“ nachzuweisen. „Wir haben erst mal bei unterschiedlichen Stellen versucht, zu erfahren, was genau erwartet wird, uns und den beteiligten Hamburger Behörden war die Bedeutung des Begriffs unklar“, sagt Bötcher.
Aus diesem Grund habe man bis Anfang April termingerecht zunächst einmal einen Sachstandsbericht abgegeben, so Bötcher. „Wir wurden kurz darauf aufgefordert, unsere Angaben zu verdichten und unsere 35 Seiten plus Anlagen auf drei Seiten einzukürzen.“ Danach habe das Familienministerium eine Stellungnahme an den Haushaltsausschuss abgegeben.
Puan Klent auf Sylt: Haushaltsausschuss in Berlin forderte Nachweis der „Baureife“
Da zeigte sich, dass man beim Haushaltsausschuss eine andere Auffassung vom Begriff „Baureife“ hat. Wolfgang Arnhold sagt: „Das vom Haushaltsausschuss gesetzte Ziel der Darlegung einer hinreichenden Baureife, die zu einem unmittelbaren Ausschreibungsverfahren hätte führen können, konnte somit im Ergebnis nicht erreicht werden. Dies liegt nach unserer Einschätzung daran, dass sich der Gesamtprozess der Frage der Machbarkeit des Bauprojekts über Jahre hingezogen hat und dennoch nicht über die Vorplanungsphase hinausgegangen ist.“
Mit anderen Worten: Die Puan-Klent-Betreiber beklagen, dass die Behörden immer wieder Nachforderungen gestellt haben, was den ganzen Prozess so lange verzögert habe. Die Hamburger Sozialbehörde wiederum argumentiert, diese Schritte seien notwendig gewesen.
„Seit Beginn des Projektzeitraums wurden mehrere Versionen einer Machbarkeitsstudie durch die Puan Klent gAG in unterschiedlicher Reife vorgelegt, die immer wieder Grund zu weitergehenden Änderungen gaben, sodass eine finale Machbarkeitsstudie im gesamten Projektzeitraum nicht erstellt und die vom Haushaltsausschuss des Bundestages vorgesehene Frist letztendlich nicht gehalten werden konnte“, sagt Behördensprecher Arnhold.
Das vom Haushaltsausschuss des Bundestags geforderte Ausschreibungsverfahren habe so trotz intensiver Begleitung und Beratung der Puan Klent gAG durch die Sozialbehörde, die für die baufachliche Prüfung zuständige Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen sowie das Bundesfamilienministerium nicht beginnen können, so der Sprecher weiter.
Hamburger Sozialbehörde: Warum der Haushaltsausschuss die Mittel sperrte
„Es erfolgten keine Baumaßnahmen, sodass auch die vom Bund bereitgestellten Haushaltsmittel nicht abgerufen wurden“, sagt Arnhold. „Die Bereitstellung der 15 Millionen Euro Bundesmittel ohne Umsetzung ist im Übrigen auch der Grund der Sperrung der Haushaltsmittel durch den Haushaltsausschuss des Bundestages.“
Horst Bötcher hält dagegen und sagt, man habe ohne Zuwendungsbescheid doch nicht einfach anfangen können zu bauen.
Erschwerend kam in dem gesamten Prozess wohl hinzu: Die beiden Hamburger Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs (SPD) und Rüdiger Kruse (CDU) hatten sich seinerzeit für die Stiftung Puan Klent starkgemacht. Doch Kahrs hat 2020 alle Mandate und Ämter niedergelegt, und auch Rüdiger Kruse gehört dem Parlament nicht mehr an. Damit haben die Puan-Klent-Betreiber ihre wichtigsten Unterstützer verloren.
Im Bundeshaushalt klafft bekanntermaßen ein 60-Milliarden-Loch. Aus Sicht der Sozialbehörde sei eine weitere Förderung des Bauprojekts Puan Klent aus Bundesmitteln sehr unwahrscheinlich, so Behördensprecher Arnhold. Und Hamburg könne aufgrund der gegenwärtigen Haushaltslage die ausfallenden Bundesmittel nicht kompensieren.
Puan Kent auf Sylt: Behörde gibt gerne „positive Stellungnahme“
Die Behörde gebe aber gern für etwaige Förderer oder Kreditgeber eine positive Stellungnahme zum inhaltlichen Charakter des Bauprojekts ab. „Zugleich ist festzustellen, dass die Fördergelder des Bundes an die Vorlage eines spezifischen Betreiberkonzeptes gebunden waren, das bestimmte Alleinstellungsmerkmale im Bereich der Inklusion verlangte, um die Förderung in dieser Höhe gegenüber anderen Marktteilnehmern zu begründen. Ohne die Bindung an ein bestimmtes, anspruchsvolles Konzept könnte aus Sicht der Sozialbehörde die Modernisierung von Puan Klent in kleineren Schritten erfolgen.“
An dem geplanten Konzept für Puan Klent gibt es schließlich keine Kritik. Die Zukunftspläne sehen eine inklusive Begegnungs- und Bildungsstätte vor, die sich weiterhin vorrangig an junge Menschen richten und Programme zur außerschulischen Bildung anbieten will – etwa zu den Themen „Wattenmeer, Klimawandel und Raum zum Leben“. Mit diesem Bildungsprogramm will sich das neue Dünendorf Puan Klent von anderen Anbietern abheben.
Hamburger Jugendverband hatte die Anlage auf Sylt 1919 gekauft
Bereits 1919 hatte der Hamburger Jugendverband das ehemalige Marine-Barackenlager mitten in den Rantumer Dünen gekauft. 1920 eröffnete dann das Jugenderholungsheim. Zwischendurch war die wirtschaftliche Situation so katastrophal, dass die Stiftung im Dezember 2017 einen Insolvenzantrag stellen musste.
Dank der Unterstützung von Politikern und vielen Hamburgern konnte der Insolvenzantrag wenig später zurückgenommen werden. Und auch die Corona-Pandemie überstand das Heim, das seit 2022 von Lea Thomas geleitet wird, vergleichsweise glimpflich.
Puan Klent auf Sylt: Die Verantwortlichen wollen nicht aufgeben und überlegen neu
Bötcher und seine Mitstreite wollen trotzdem nicht aufgeben, auch wenn die Bausubstanz und die Inneneinrichtung in dieser Form auf längere Sicht nicht zukunftsfähig seien. „Wir werden kein 15-Millionen-Euro-Darlehen aufnehmen können, aber wir werden mit Banken verhandeln.“
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In diesem Jahr habe man etwa 38.000 Übernachtungen verzeichnet, und bis 2027/2028 gebe es sehr viele Vorbuchungen, sagt Bötcher. Natürlich würde man die Anlage weiterhin instandhalten können. „Wir stehen ja nicht mittellos da. Konsens ist, dass es weitergeht. Wir wissen, wie wichtig Puan Klent ist“, sagt Stiftungsvorstand Peter Klix.
Sylt: Puan Klent soll nun in kleinen Schritten erneuert werden
Einen großen Umbau oder sogar Neubauten wird es in den kommenden zwei, drei Jahren also nicht geben. „Der große Wurf wird es nicht, aber wir haben siebenstellige Summen in Aussicht, die es uns ermöglichen, schrittweise Verbesserungen durchzuführen“, sagt Bötcher, und verspricht: „Wir werden die Attraktivität des Standortes hochhalten.“ Bisher gebe es auch keine ernsthaften Beschwerden über den Standard.
Trotzdem ist die Lage angespannt: „Ich bin bitter enttäuscht, dass Hamburg es nicht geschafft hat, ein Geschenk von 15 Millionen Euro anzunehmen“, sagt Bötcher.