Hamburg. Wie konnte ein Geiselnehmer aufs Rollfeld gelangen? Airport Hamburg bezieht Stellung, Polizeigewerkschaft fordert besseren Schutz.

Der Flughafen Hamburg sieht trotz der Geiselnahme auf dem Vorfeld des Airports keine Versäumnisse bei der Sicherung des Geländes. „Die Sicherung des Geländes entspricht selbstverständlich allen gesetzlichen Vorgaben und übertrifft diese größtenteils sogar“, sagte Flughafensprecherin Katja Bromm am Sonntag.

Dennoch könne bei der Größe des Flughafens – sie entspreche mehr als 570 Hektar oder fast 800 Fußballfeldern – nicht ausgeschlossen werden, „dass ein hochkrimineller, unbefugter Zutritt zum Sicherheitsbereich mit brachialer Gewalt erfolgen kann“.

Schließlich sei das Auto am Sonnabendabend mit hoher Geschwindigkeit durch eine Sicherheitssperre gelenkt worden. „Der Fahrer hat dabei keine Rücksicht darauf genommen, ob er sich selbst, seine Insassin oder das Personal an der Sicherheitsschleuse verletzen oder gefährden könnte“, sagte Bromm.

Flughafen Hamburg: „Sicherheitskonzepte sind nicht statisch“

Die Sprecherin betonte: „Um die Sicherheit des Luftverkehrs zu gewährleisten, sind neben baulichen Maßnahmen auch Alarmketten etabliert, die unverzüglich und einwandfrei gegriffen haben.“ Der Flugbetrieb sei sofort nach dem unbefugten Zutritt eingestellt und der Täter lokalisiert worden. Die Sicherheitskräfte seien „in Minutenschnelle“ vor Ort gewesen.

„Wenn es nicht möglich ist, das gewalttätige Eindringen zu verhindern, dann hat es für uns und die Sicherheit aller anwesenden Personen oberste Priorität, den oder die Täter schnellstmöglich zu stoppen“, so Bromm weiter. „Wichtig ist dabei der funktionierende Mix aus technischen Maßnahmen und physischer Präsenz der Sicherheitskräfte.“

Einsatzkräfte der Hamburger Polizei am Zaun zum Rollfeld – wie konnte der Geiselnehmer die Absperrungen durchbrechen?
Einsatzkräfte der Hamburger Polizei am Zaun zum Rollfeld – wie konnte der Geiselnehmer die Absperrungen durchbrechen? © Getty Images Europe | Martin Ziemer

Nähere Angaben zu sicherheitsrelevanten Details seien nicht möglich, erklärte Bromm. Der Hamburger Flughafen arbeite hierbei aber „sehr eng“ mit den Sicherheitsbehörden zusammen.

Kritik am Schutz des Flughafens begegnete die Sprecherin mit einem teilweisen Eingeständnis sowie einer Forderung. „Solche Vorfälle zeigen aber auch, dass die Sicherheitskonzepte mit allen Beteiligten laufend neu bewertet werden müssen – das gilt für die gesamte kritische Infrastruktur“, sagte Bromm. „Sicherheitskonzepte sind nicht statisch, daher arbeiten wir selbstverständlich den Vorfall mit den zuständigen Behörden und Sicherheitskräften auf.“

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Technische Ausstattung wird am Flughafen überprüft

Wegen eines Sorgerechtsstreits war ein 35 Jahre alter bewaffneter Mann am Sonnabendabend mit seinem Auto durch Schranken am Airport gebrochen und auf das Vorfeld gefahren. Dort hielt er rund 19 Stunden lang seine vierjährige Tochter als Geisel. Bereits Mitte Juli hatten sich Aktivisten der Letzten Generation Zutritt auf das Rollfeld verschafft und den Flugbetrieb über Stunden lahmgelegt.

Nach Angaben der Flughafensprecherin hat die Analyse des Vorfalls mit den Aktivisten der Letzten Generation – sie hatten sich durch den Außenzaun geschnitten und waren dann mit Fahrrädern auf das Rollfeld gelangt – keine neuen Erkenntnisse gebracht. „Es liegen noch keine neuen Anforderungen für Einrichtungen der kritischen Infrastrukturen vor“, sagte die Sprecherin. Derzeit teste der Flughafen neue Kamera- und Zaunsensorik-Systeme. „Zudem wurde die Bestreifung der Zaunanlage durch Sicherheitskräfte nachhaltig erhöht.“

Kritik gibt es derweil vom stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Heiko Teggatz, der mit Nachdruck einen besseren Schutz von Flughäfen fordert. „Es ist nur schwer vermittelbar, dass etwa Weihnachtsmärkte mit Betonbarrikaden gesichert werden, und unsere Flughäfen werden als Hochsicherheitsbereiche von Betreibern stiefmütterlich behandelt“, sagte Teggatz am Sonntag. Die Politik unternehme zu wenig, um Betreiber zu mehr Schutz zu zwingen.

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Flughafen Hamburg: Polizei-Gewerkschaft fordert besseren Schutz vom Airport

„Da vermisse ich auch eine Initiative von Bundesinnenministerin Nancy Faeser“, sagte Teggatz. „Offensichtlich zwingt niemand die Flughafenbetreiber ernsthaft, Sicherheitsmaßnahmen so hochzufahren, dass es zu solchen Vorfällen schlicht nicht mehr kommen kann.“ Schon nachdem Klima-Aktivisten unlängst mehrere deutsche Flughäfen blockiert hatten, habe er angemahnt, dass Qualität, Höhe und Stärke der Zäune unzureichend seien.

„Ich erwarte als Lehre aus dem aktuellen Vorfall, dass man sich das jetzt genau anschaut und Standards drastisch erhöht“, betonte Teggatz. Es müsse möglich sein, Flughafenbetreiber mit Sanktionen zu belegen, wenn die Sicherheitsvorschriften nicht nach dem neuen Gesetz zum besseren Schutz kritischer Infrastruktur eingehalten würden.

Zur Geiselnahme auf dem Hamburger Flughafen sagte Teggatz, die Polizei mache nach seinem Eindruck „einen grandiosen Job“. „Sie hat es nicht eskalieren lassen und in langen Verhandlungen aus einer dynamischen eine statische Lage gemacht. Das ist hochprofessionell.“

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Flughafen-Verband hält totale Sicherheit an Airports für ausgeschlossen

Der Flughafenverband ADV hält einen vollständigen Schutz der Sicherheitsbereiche an Airports derweil für ausgeschlossen. Bei großen Flughäfen könnten die Zaunanlagen eine Länge von mehr als 40 Kilometern erreichen. Hinzu kämen Tore und Zugangsanlagen, die an bestimmten Stellen auch aus Sicherheitsgründen - etwa für die Feuerwehr - schnell passierbar sein müssten, teilte der Verband am Sonntag mit.

Auch mit Blick auf das Eindringen eines bewaffneten Mannes auf das Vorfeld des Hamburger Flughafens erklärte der Verband: „In diesen Fällen ist ein 100-prozentiger Schutz gegen das Durchdringen mit brachialer Gewalt unmöglich.“ Der 35-Jährige hatte mit seinem Auto die Absperrungen an der Zufahrt durchbrochen.

Der Verband betonte: „Die mit den zuständigen Aufsichtsbehörden und der Polizei abgestimmten Sicherungsmaßnahmen der Flughafenbetreiber gehen an allen Standorten in Deutschland über die gesetzlichen Anforderungen hinaus.“ Neben den baulichen Maßnahmen seien Alarmketten etabliert, die bei allen bisherigen Vorfällen einwandfrei gegriffen hätten. „Der Flugbetrieb wurde sofort nach dem unbefugten Zutritt eingestellt. Reisende und Beschäftigte sind nicht zu Schaden gekommen.“