Hamburg. Bezirk Hamburg-Nord hatte sich bislang gegen Aufstellen von Mülltonnen auf öffentlichem Grund gewehrt. Nun lenkt die Politik ein.

Die sogenannten rosa Säcke, die in engen Quartieren wie Winterhude,Eimsbüttel oder Altona als Ersatz für Restmülltonnen dienen, sind dort ein ewiges Ärgernis: Weil nicht jeder sie in der Wohnung zwischenlagern will oder kann, lagern die Plastiksäcke für Restmüll nicht nur an den Abholtagen, sondern die ganze Woche über am Straßenrand. Dort reißen Ratten und Raben sie auseinander und verteilen den unappetitlichen Inhalt im Umfeld.

Im Bezirk Hamburg-Mitte nennt man die Tatsache, dass im 21. Jahrhundert immer noch Haushalte ihren Hausmüll in rosa Säcken auf die Straße tragen müssen, „beschämend“. Dort hat die Bezirksversammlung gerade Unterflursysteme oder andere Instrumente zur Abschaffung der umstrittenen Plastiksäcke gefordert. Damit will man dem Beispiel der Bezirke Altona und Eimsbüttel folgen.

Hamburg-Winterhude: Bezirk Nord sagt rosa Säcken doch den Kampf an

In Hamburg-Nord sah man das bislang anders. Auf der letzten Sitzung des Umweltausschusses zu dem Thema hatte ein Vertreter des Bezirksamts noch gesagt, die rosa Säcke seien „attraktiver für das Stadtbild als die Müllboxen, die ja das ganze Jahr über dort stehen würden“, erinnert sich ein Zuhörer. Der Antrag der CDU, die Müllsäcke auch in Hamburg-Nord abzuschaffen, wurde vertagt.

Auf der letzten Bezirksversammlung haben die Koalitionspartner Grüne und SPD nun eingelenkt – und setzen sich in einem gemeinsamen Antrag mit der CDU für ein Ende der rosa Säcke in Hamburg-Nord ein. Bei der Suche nach Standplätzen zur Müllentsorgung will der Bezirk die Stadtreinigung unterstützen. Da in Winterhude die meisten rosa Müllsäcke anfallen, soll dort mit dem Prozess begonnen werden.

Sondernutzungsanträge sollen vom Bezirksamt „wohlwollen geprüft“ werden

Der Bezirk werde „Sondernutzungsanträge für das Aufstellen von Entsorgungssystemen wohlwollend prüfen“, heißt es in dem gemeinsamen Antrag. Das bedeutet auch Hoffnung für die Bewohner der vom Mühlenkamp abgehenden Preystraße.

Der Antrag, vor ihren Häusern Mülltonnenboxen aufstellen zu lassen, war erst kürzlich erneut abgelehnt worden. Es sei laut Hamburgischem Wegegesetz „unzulässig, Hausmüllgefäße auf öffentlichen Wegen aufzustellen, bzw. Müll von den Grundstücken auf einen öffentlichen Weg zu bringen“, hatte das Bezirksamt der Antragstellerin Ende Januar mitgeteilt.

Bezirk Hamburg-Nord: „Kein Privatmüll auf öffentlichen Flächen“

Vor mehreren Häusern an der Preystraße verläuft tatsächlich ein zwei Meter breiter Streifen Privatgrundstück, der aber dem Gehweg zugeschlagen wird. Theoretisch könnte man hier Mülltonnen aufstellen, weil sie dann auf privatem Grund stehen würden.

Aber: „Würde man dort Mülltonnenboxen aufstellen, hätten die Fußgänger nicht mehr genug Platz“, sagt Antragstellerin Svenja Sund. Auf einer Visualisierung, die sie angefertigt und dem Bezirksamt geschickt hat, ist das deutlich zu sehen.

So wie auf dieser Fotomontage würde es aussehen, wenn Müllboxen auf dem Privatgelände (hier vor den Häusern Preystraße 6 und 8) aufgestellt würden. Fußgänger hätten dann nicht mehr genug Platz.
So wie auf dieser Fotomontage würde es aussehen, wenn Müllboxen auf dem Privatgelände (hier vor den Häusern Preystraße 6 und 8) aufgestellt würden. Fußgänger hätten dann nicht mehr genug Platz. © Svenja Sund

Stattdessen hat sie einen Sondernutzungsantrag gestellt, die Mülltonnenbox auf einer etwa 3,50 Meter breiten und maximal ein Meter tiefen öffentlichen Fläche aufzustellen, wo sie niemanden störten. Doch auch das wollte man nicht. „Öffentliche Flächen werden nicht für die private Müllentsorgung zur Verfügung gestellt“, erfuhr sie aus dem Amt.

Altona und Eimsbüttel ersetzen rosa Säcke durch Tonnen

In den Bezirken Altona und Eimsbüttel sieht das ganz anders aus. Beide Bezirke wurden für ein 2016 gestartetes Pilotprojekt ausgewählt, weil dort viele Altbauquartiere weder über Keller oder Hinterhöfe zum Aufstellen von Mülltonnen verfügen – mit großem Erfolg, besonders in Altona.

Einer kleinen Anfrage des CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Sandro Kappe zufolge wurden in Altona in den vergangenen zehn Jahren auf öffentlichen Flächen 164 Boxen (sogenannte Standplätze) mit 222 Restmüllbehältern sowie 41 unterirdischen Müllbehältern (Unterflursysteme) installiert, in Eimsbüttel waren es 36 Standplätze mit 39 Behältern und 19 Unterflursystemen.

Hamburg-Winterhude: Nur Sondernutzungsantrag wurde genehmigt

Sund hat gegen die Ablehnung ihres Antrags Einspruch eingelegt – und hofft jetzt darauf, dass diesem stattgegeben wird. „Bereits vor zehn Jahren wurden uns Anwohnern dieselben Argumente vom Bezirksamt Nord genannt. Angesichts der Tatsache, dass die Stadt die ,temporäre Lösung’ mit den rosa Müllsäcken endlich beseitigen möchte, hätte ich mir etwas mehr guten Willen seitens des Bezirksamtes gewünscht.“

Zumal ihr neuerlicher Antrag auch dadurch motiviert worden sei, dass 2022 in der unmittelbaren Nachbarschaft ein entsprechender Antrag auf Sondernutzung der öffentlichen Fläche für das Aufstellen von Müllboxen genehmigt wurde. Damit müsste das genau der eine Standplatz sein, der laut der Senatsantwort auf die Kappe-Anfrage seit 2013 in Hamburg-Nord installiert wurde.

Preystraße: Bezirksamt Hamburg-Nord begründet Ablehnung

Das Bezirksamt betont auf Nachfrage, der öffentliche Raum sei für den sogenannten Gemeingebrauch geschützt und die private Müllentsorgung hierauf „grundsätzlich mit wenigen Ausnahmen“ verboten. Im Fall Preystraße sei der Antrag auf Sondernutzung abgelehnt worden, da die vorgestellten Varianten entweder den Gehweg blockiert oder in der Alternative auf Leitungstrassen und Baumscheiben gestanden hätten.

Allerdings sei auch die Stadtreinigung „aus hygienischen und ästhetischen Gründen“ daran interessiert, die Sackabholung so weit wie möglich durch Tonnen- und Containerabholung zu ersetzen. In diesem Zug habe sie ein Antrags-, Prüf- und Aufstellungsverfahren entwickelt und bereits vorgestellt. „Das Verfahren sieht eine möglichst große Bündelung von anzuschließenden Wohneinheiten vor, um möglichst wenige Aufstellflächen auf öffentlichem Grund beanspruchen zu müssen.“