Hamburg. Neue Infos zur Belegung in Dulsberg. Hamburg reagiert auf „kippelige“ Lage mit reaktivierten Notunterkünften in den Messehallen.
Die öffentlichen Unterkünfte in Hamburg sind rappelvoll. „Wenn die Zugänge so hoch bleiben, schaffen wir es als Stadt nicht mehr“, sagte Staatsrätin Petra Lotzkat am Mittwochabend bei einer Veranstaltung in Dulsberg. Auch deshalb würden ab dem 16. Oktober wieder Flüchtlinge in die Messehallen ziehen – dort wird Platz für 470 Menschen sein. Vom 11. Oktober 2023 an werde die Fläche vorbereitet. „Wir haben die Messehallen schon sehr frühzeitig im Jahr reserviert“, sagte sie. Denn im Winter erwarte man wieder viele Flüchtlinge aus der Ukraine. „Die Situation ist sehr kippelig.“
„Wir haben seit dem Beginn des Ukrainekriegs steigende Zugangszahlen“, sagte die Staatsrätin bei der Veranstaltung der Stadtteilräte von Dulsberg und Barmbek-Süd, bei der es um die Erweiterung und Neubelegung der Unterkunft in der Krausestraße in Dulsberg ging.
Flüchtlinge Hamburg: Messehallen werden wieder gebraucht
„Ende 2021 lebten 28.000 Menschen an 120 Standorten in öffentlicher Unterbringung, jetzt sind es 45.000 Menschen an 244 Standorten.“ Das bedeute, dass Hamburg eine Stadt in der Größe von Neumünster in öffentlicher Verantwortung habe. Von den 32.000 Ukraine-Flüchtlingen leben ihren Angaben zufolge zwischen 11.000 und 10.000 in öffentlicher Unterbringung.
Und der Zustrom an Flüchtlingen steige noch. Im August habe Hamburg 1400 Menschen mit Unterbringungsbedarf aufgenommen, im September sehe diese Zahl „noch gruseliger aus“, so die Staatsrätin. Und Oktober und November seien üblicherweise zugangsstarke Monate. Erst ab Dezember sei bis Februar, März mit einer kleinen Entspannung zu rechnen. „Wir haben ein Niveau erreicht, das 2015 schon lange überstiegen hat.“
Flüchtlinge Hamburg: Auslastung der öffentlichen Unterbringung bei 98 Prozent
Weil die Auslastung der öffentlichen Unterbringung derzeit bei 98 Prozent liegt, sucht die Sozialbehörde händeringend nach weiteren Flächen. Derzeit seien bereits zwischen 5000 und 6000 Geflüchtete in Hotels und Hostels untergebracht, aber man suche weiter nach Kapazitäten. „Wir agieren teilweise tagesaktuell“, so Lotzkat.
„Wir zählen die Plätze. Wir wissen, dass wir dieses Wochenende – wenn nichts Unvorhergesehenes passiert – die Belegung sicherstellen. Und vielleicht auch noch nächstes Wochenende. Aber wir wissen im Moment noch nicht, was wir übernächstes Wochenende oder das Wochenende darauf machen.“ Diese Situation führe dazu, dass Fehler passierten – dass auch ihr Fehler passierten, denn sie trage dafür die Verantwortung.
Das Angebot für ein Wohnschiff, das die Sozialbehörde eingeholt hat, sei zu teuer, sagte Petra Lotzkat: „Die öffentliche Unterbringung kostet pro Tag und Person zwischen 20 und 75 Euro, auf dem Schiff wären es mindestens 100 Euro pro Tag.“ Die Belegung von Sporthallen plane man derzeit nicht, versicherte Lotzkat.
Messehallen stehen bis Januar 2024 zur Verfügung
Die Messehallen stehen laut Wolfgang Arnhold, Sprecher der Hamburger Sozialbehörde, bis Ende Januar 2024 zur Verfügung. Betrieben werde der Standort vom Arbeiter-Samariter-Bund (ASB).
„Wie bereits 2022 soll eine Messehalle dazu genutzt werden, das Ankunftszentrum zu entlasten. Denn dort muss dringend Platz geschaffen werden für Neuankommende“, sagt Susanne Schwendtke, Sprecherin von Fördern&Wohnen. Bereits 2015 sei eine Messehalle als Not-Erstaufnahme genutzt worden, um die damals sehr große Zahl geflüchteter Menschen vorübergehend unterzubringen.
In der Messehallen werden Familien und Alleinreisende untergebracht
Nun sollen wieder asylsuchende Familien und Alleinreisende untergebracht werden. „Sie erhalten wie im letzten Jahr drei Mahlzeiten am Tag, es wird eine Gemeinschaftsfläche und Platz zum Spielen für Kinder geben“, so Schwendtke.
Mit Stellwänden würden Schlafbereiche (Compartements) abgetrennt, in denen sich neben Betten und Schränken auch ein Tisch und Stühle befinden werden. „Wie im letzten Jahr werden zusätzliche Sanitäranlagen aufgestellt. Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter werden vor Ort sein. Auch ein Wachdienst ist vorgesehen“, so die Sprecherin.
Staatsrätin Lotzkat warb in Dulsberg um Verständnis
Bei der Veranstaltung in Dulsberg warb Lotzkat um Verständnis bei den Anwohnern, die am Mittwochabend in die Turnhalle der Emil-Krause-Schule gekommen waren. Die Unterkunft für Geflüchtete an der Krausestraße wird gerade um 60 auf etwa 100 Plätze erweitert. Die dort wohnenden Familien mussten ausziehen, weil dort nun alleinreisende Männer einziehen sollen. Im April sei von weiteren Familien die Rede gewesen, hatten die Stadtteilräte im Vorfeld kritisiert und deshalb kurzfristig zu dieser Veranstaltung eingeladen, bei der Behördenvertreter und Verantwortliche von Fördern & Wohnen (F&W) Rede und Antwort stehen sollten.
Der Einladung folgten neben Staatsrätin Lotzkat auch Yvonne Nische, Dezernentin für Soziales, Jugend und Gesundheit im Bezirk Hamburg-Nord, sowie Arne Nilsson, Sprecher der Geschäftsführung von Fördern & Wohnen und zwei weitere F&W-Kolleginnen.
Flüchtlingsheim Krausestraße: Stadtteilräte verlangen Antworten von Behörden
„Wir möchten Antworten von Behördenvertretern und Fördern & Wohnen auf drängende Fragen bezüglich der Betreuung und Unterbringung der alleinstehenden beziehungsweise alleinreisenden Männer bekommen“, sagte Manfred Wachter vom Stadtteilrat Barmbek-Süd. „Und wir möchten wissen, warum wir als Stadtteilräte nicht von der doch sehr plötzlichen Aktion unterrichtet wurden.“ Immerhin seien die Stadtteilräte Träger öffentlicher Belange.
„Ich möchte mein Bedauern ausdrücken, dass wir Sie nicht informiert haben und dass auch der Bezirk nicht umfassend informiert worden ist“, sagte Lotzkat, ehe sie dann die Probleme mit den steigenden Zugangszahlen referierte. Im kommenden Jahr müsse Hamburg voraussichtlich mehr als 10.000 neue Plätze für Geflüchtete schaffen, wenn die Entwicklung so weitergehe.
Flüchtlinge Hamburg: Krausestraße – noch keine genauen Infos über neue Bewohner
Ulrike Meinecke, Vorsitzende des Stadtteilrats Dulsberg, bat Arne Nilsson um Informationen zur Zusammensetzung der neuen Bewohnerschaft, zu den Ethnien, den Herkunftsländern. „Im Moment haben wir einen Überhang an Menschen, die allein reisen“, sagte Nilsson von F&W. „Diese werden aus verschiedenen anderen Teilen der Stadt zusammenkommen. Wir haben sehr gute Erfahrungen damit gemacht, alleinstehende Männer an kleineren Standorten unterzubringen – deswegen gehen wir davon aus, dass das hier auch gut laufen wird.“ Dennoch seien das andere Herausforderungen als mit Familien.
Nilsson gab an, dass der Großteil der 240 Standorte unproblematisch sei. „Probleme haben wir im Schnitt bei zehn Standorten, an denen wir richtig interventionell reingehen und was tun müssen. Der Rest läuft friedlich und gut. Darunter sind auch viele Standorte mit Alleinstehenden.“
Flüchtlingsheim Krausestraße: Auch deutsche Wohnungslose könnten einziehen
Zur konkreten Zusammensetzung sagte Judith Lennartz, Geschäftsbereichsleiterin Unterkunft und Orientierung Nord/Ost bei F&W, dass die Unterkunft gemischt belegt werde – sowohl mit Menschen aus dem arabischen Sprachraum, aus Afghanistan als auch aus Nordafrika und dem afrikanischen Raum. Und es würden Männer, die schon länger in Hamburg sind, als Neuankömmlinge untergebracht. Auch deutsche Wohnungslose könnten darunter sein. „Es sind alleinreisende Männer – das heißt nicht automatisch, dass sie alleinstehend sind.“ Es würden aber sowohl junge als auch ältere Männer einziehen.
Was viele in der Turnhalle umtreibt, ist, welche Betreuung und Förderung es für diese Männer geben wird. Staatsrätin Lotzkat sicherte zu, dass es sowohl Angebote des Unterkunfts- und Sozialmanagements von F&W geben werde, aber auch finanzielle Mittel für den Bezirk, der wiederum Unterstützungsangebote für den Standort finanzieren kann. Außerdem gebe es übergeordnete Strukturen wie beispielsweise das Jobcenter für die Arbeitsmarktintegration oder eine Kooperation mit dem Traumazentrum Centra für psychisch belastete Menschen.
Flüchtlinge Hamburg: Ein F&W-Sozialarbeiter ist für 80 Bewohner zuständig
Dass pro 80 Bewohner an einem Standort nur ein F&W-Mitarbeiter für das Sozialmanagement vorgesehen ist, sorgt für höhnisches Gelächter im Saal. Was die Stadt an Integration anbiete, sei ein Baukasten und es gebe viele Hilfebausteine, so Nilsson: „Wir gehen grundsätzlich davon aus, dass die Menschen allein leben können und sich in die Gesellschaft hineinbegeben.“
Eine Sozialarbeiterin, die seit 1983 in Dulsberg lebt, fragte, wie die Sicherheit für den Stadtteil gewährleistet werde. Das bewegte auch einen Vater von drei minderjährigen Töchtern. Laut Nilsson gibt es die Möglichkeit, bei Bedarf einen Wachdienst in der Unterkunft Krausestraße zu beauftragen.
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Auf Bitten aus dem Saal sagte Nilsson zu, diesen Wachdienst bereits prophylaktisch zur Eröffnung der Unterkunft einzusetzen. Für November wurde ein Runder Tisch der Beteiligten verabredet, „dann wissen wir, wie die Zusammensetzung ist“, sagte Yvonne Nische. Sie machte den Menschen in Dulsberg Mut: „Wir haben völlig geräuschlos laufende Unterkünfte nur mit Männern.“