Sobald es friert fragen sich die Hamburger: Gibt es ein Alstereisvergnügen? Der Spaß ist groß – die Auflagen sind es aber auch.
Sobald es im Winter ein wenig kälter wird und in Hamburg die Temperaturen unter den Gefrierpunkt sinken, werden die ersten Hamburger zuverlässig ungeduldig. Friert die Alster zu? Kann es endlich mal wieder ein Alstereisvergnügen geben? Gibt es Glühwein und Bratwurst auf dem Eis? Kann man die Schlittschuhe anschnallen und von einem Ufer zum anderen gleiten?
Das Motto lautet nämlich stets: Wenn die Alster zufriert, tauen die Hanseaten auf! Doch lange schon müssen wir in dieser Stadt auf eine Neuauflage dieser ungewöhnlichen Winterattraktion warten, die der Alsterfontäne, die im Sommer sprudelt, einfach deutlich überlegen ist. Fragt man in die Runde, wann wohl das letzte Alstereisvergnügen stattgefunden hat, gibt es ratlose Gesichter. Es ist nämlich tatsächlich schon etwas her – 2012 war das.
Alster in Hamburg: Warum es nie mehr Buden auf dem Eis geben wird
Die Hamburger Umweltbehörde hat Buch über diese spontanen Volksfeste geführt. Das eiskalte Vergnügen gab es in den Jahren 1979, 1985 (sogar an drei Wochenenden), 1991, 1996 (an drei Wochenenden), 1997, 2010 und zuletzt eben 2012.
Eines stellt die Behörde auf Anfrage klar: So wie früher wird es solche Veranstaltungen auf dem Eis nie wieder geben. Die Menschen dürften zwar weiterhin auf die Eisfläche, Buden, die Glühwein oder Punsch ausschenken und kleine Imbisse wie Grillwürste anbieten, wird es aber nicht mehr geben.
Das große Problem: Der Müll landet irgendwann im Wasser
„Bei einem Alstereisvergnügen wären Verkaufsstände von den Bezirken zu genehmigen. Allerdings werden Stände inzwischen nicht auf dem Eis, sondern am Ufer der Außenalster genehmigt“, so Behördensprecher David Kappenberg.
Buden direkt auf der Alster gab es zuletzt 1997, im Jahr 2010 wurden dann erstmals Stände am Ufer genehmigt. Dies hatte laut Kappenberg mehrere Gründe. Zum Einen landete durch die Stände auf der Alster sehr viel Müll in der Alster, was ein großes Problem für das Gewässer darstellte.
Wenn es nahe der Buden zu warm wird, wird es zu gefährlich
Zum anderen geht es um die Sicherheit: Denn der Betrieb der Stände setzt die Tragfähigkeit des Eises herab, da dort ein Wärmestau erzeugt wird. Stromaggregate und deren Stromleitungen stellen ein erhöhtes Sicherheitsrisiko dar. Zudem kam es zu großen Ballungen der Besuchermengen im Bereich der Stände – die Sicherheit ist deshalb größer, wenn die Stände am Ufer stehen.
Noch ein Grund: Die Bewegungsfreiheit auf der Alster wurde extrem eingeschränkt. Wenn die Stände am Ufer stehen, können die Menschen auch ohne größere Hindernisse Eislaufen und das Spazierengehen genießen.
Alstereisvergnügen: Einige Gästen reisten sogar aus dem Ausland an
So genehmigten die Bezirke auch im Winter 2011/2012 für ein Wochenende rund um die Außenalster Verkaufsstände. Gefeiert wurde an Land und beim Spaziergang beziehungsweise beim Eislaufen auf der Alster. Und dabei habe man den freien Blick auf Hamburgs Stadtsilhouette genießen können, so der Behördensprecher. Weit mehr als eine Million Eisspaziergänger sollen an jenem Wochenende auf der Alster gewesen sein. Einige Gäste waren für das ungewöhnlichste Volksfest des Nordens sogar aus dem Ausland angereist.
Sollte es im kommenden Winter 2023/24 wieder kalt werden, müssen aber einige Voraussetzungen zusammenkommen, damit ein Alstereisvergnügen stattfinden kann. Bei länger andauerndem, starken Frost werden von der Umweltbehörde auf der Außenalster Eismessungen durchgeführt.
Hamburger Behörde sagt, wie dick das Eis beim Alstereisvergnügen sein muss
Diese Messungen erfolgen an bis zu 50 verschiedenen Stellen über die Außenalster verteilt. Neben der Messung der Eisdicke und der Wassertemperatur würden auch der Aufbau und die Konsistenz des Eises begutachtet, um die Tragfähigkeit und Stabilität beurteilen zu können, so Kappenberg.
Darüber hinaus werde der gesamtheitliche Eindruck der Oberfläche beurteilt – gibt es noch viele offene Gewässerbereiche, sind Risse und Verwerfungen im Eis, ist das Eis schneebedeckt (er wirkt als Dämmschicht) und wie ist die Farbe des Eises (klar und leicht blau = Kerneis mit hoher Festigkeit)? Das seien wichtige Indikatoren bei der Beurteilung der Belastbarkeit des Eises.
Der Eiszustandsbericht wird im Internet veröffentlicht
Die Ergebnisse werden dann in einem Eiszustandsbericht veröffentlicht, der dann auf der Seite hamburg.de/alstereisvergnuegen veröffentlicht wird.
Für ein Alstereisvergnügen ist eine überwiegende Mindesteisdicke von 20 Zentimetern notwendig. „Eis kann täglich um einen Zentimeter bei Temperaturen um minus zehn Grad bis minus 15 Grad wachsen, sofern das Wasser auch Minustemperaturen hat, denn das Anwachsen des Eises erfolgt von der Wasserseite her.
Alster im Winter: Vorsicht am Ufer und in der Nähe von Brücken
Im Bereich von Fahrrinnen der Alsterschifffahrt, Abwasserauslässen, Brückenbereichen, überhängenden Bäumen und in der Nähe von Gebäuden kann das Eis auch bei frostigen Temperaturen dünner beziehungsweise gar nicht gewachsen sein“, so Kappenberg. Das Betreten der zugefrorenen Alster (und anderer Gewässer) ist laut Behörde „Gemeingebrauch“, es ist also keine Genehmigung erforderlich. Das Betreten erfolge immer auf eigene Gefahr und Verantwortung.
Der Eiszustandsbericht gibt allerdings nur eine momentane Beschreibung der Eisverhältnisse an bestimmten Orten wieder. Die Stabilität des Eises auf natürlichen Gewässern könne sich aber zeitlich und örtlich (schon einen Meter neben dem Messpunkt und eine Stunde später) durch witterungsbedingte oder anthropogene Einflüsse rasch ändern. Auf Gewässern mit natürlich gewachsenen Eis sei immer besondere Vorsicht geboten.
Was alles auf der zugefrorenen Alster nicht erlaubt ist
Auf der zugefrorenen Außenalster ist übrigens längst nicht alles erlaubt. Eissegeln und Eissurfen etwa sind verboten, eventuelle Sondernutzungen, beispielsweise Sportveranstaltungen sind nur mit Behördengenehmigung zulässig.
Aber nicht jeder hat in der Vergangenheit vorher um Erlaubnis gefragt, und so gab es im Laufe der Jahre eine Reihe von Kuriositäten. Hätte nicht das Abendblatt selbst darüber berichtet, wäre es kaum zu glauben: 1997 setzten ein paar Norweger mit einem Flugzeug auf der Alster auf, spielten Golf – und flogen wieder ab.
Alster: Schon vor Jahrhunderten liefen die Hamburger Schlittschuh
Ein ausführlicher Blick in die Archive ergibt, dass es auch 1829 einen superfrostigen Winter gab. Damals war die Alster 100 Tage lang zugefroren. 1736, so heißt es in einem alten Bericht, brach ein junger Schlittschuhläufer ein. Er wurde gerettet, allerdings kamen vier Menschen, die ihm helfen wollten, dabei ums Leben.
Wenn die Alster zufriert, sind 3,5 Millionen Kubikmeter Wasser von Eis bedeckt. Selbst wenn das Eis schwarz ist vor Menschen, reiche deren Gewicht nicht aus, um das Eis brechen zu lassen, hat ein Mitarbeiter des Eis-Labors an der Technischen Universität Hamburg-Harburg einst versichert. Die 1,65 Millionen Quadratmeter große Eisfläche verteile das Gewicht der Spaziergänger gleichmäßig.
Sogar Tischkicker wurde auf der Alster schon gespielt
Wobei üblicherweise längst nicht alle Besucher beim Alstereisvergnügen zu Fuß unterwegs sind. Wenn das Eis glatt gefroren ist, schnallen sehr viele Hamburgerinnen und Hamburger ihre Schlittschuhe unter. Aber auch mit dem Rad oder mit Langlaufskiern waren stets einige unterwegs. Ein junger Mann radelte im Februar 1991 sogar mit dem Einrad über den See. Seine Jonglierkeulen hatte er dabei im Koffer verstaut.
Und 1996 fuhren der Besitzer eines historischen russischen Pferdeschlittens von 1905 und ein Kutscher mit Pferden Kinder kostenlos unter Glockengeläut über die Alster. Aber nicht länger als zehn Minuten, denn der Wind war einfach zu kalt für längere Touren. Sogar Tischkicker wurde auf der Alster schon gespielt.
Alstereisvergnügen: Viele private Budenbetreiber machten gute Geschäfte
Und auch, wenn die Eisdecke meist mehrere Tage hielt, wurde ihr manchmal einfach zu viel zugemutet. Achtlost ausgekippte Grillkohle und der Hitzestau durch Glühweinkocher und andere elektrische Geräte in den Buden sorgten immer mal wieder dafür, dass das Eis stellenweise taute und sich große Pfützen bildeten.
Und so musste der Betreiber einer Würstchenbude, der nahe der Krugkoppelbrücke stand, zusehen, als sich die Eisdecke senkte. Aber die Chance, in wenigen Tagen einen ordentlichen Reibach zu machen, nutzen viele der teils privaten Budenbetreiber immer wieder gern.
Bei Tauwetter wurden die Alsterdampfer zu Eisbrechern
Wenn Tauwetter einsetzte, ließ die Umweltbehörde auch mal Alsterdampfer als Eisbrecher durch die Alster pflügen, weil es immer wieder Unbelehrbare gab, die trotz Warnung noch auf das Eis gingen.
Besonders die Binnenalster bleibt auch dann ein gefährliches Gewässer, wenn die Außenalster zufriert, weil sie nicht gleichmäßig zufriert. Und so gab es 1996 einen dramatischen Zwischenfall. Ein 18-Jähriger brach Anfang Januar 1996 an der Binnenalster, die nicht freigegeben war, ins Eis ein. Seinem gleichaltrigen Freund gelang es schließlich, ihn aus dem eiskalten Wasser zu ziehen. Die beiden Jugendlichen waren davor mit ihrer Schulklasse auf der Außenalster gewesen.
Hamburger Winter: In manchen Jahren gab es gleich mehrere Eisvergnügen
Das Party-Wochenende Anfang Januar 1996 beendete die Behörde vorsorglich nach knapp zwei Tagen bereits am Sonnabendnachmittag, weil im Bereich der Budenmeile am Fähranleger „Alte Rabenstraße“ das Eis gebrochen war und Wasser durch die Risse drang. Immerhin etwa 500.000 Menschen hatten sich bis zu diesem Zeitpunkt auf der Alster vergnügt.
Ein Polizeihubschrauber kreiste über der Fläche und forderte die Besucher auf, das Eis zu verlassen. Weil die Durchsage aber wegen des Windes kaum zu verstehen war, blieben die meisten Besucher auf der Alster. Möglicherweise ein Glück, denn so kam wenigstens keine Panik auf. Allerdings gingen die Hamburger am nächsten Tag, dem Sonntag, dennoch wieder zu Tausenden auf das Eis.
Der Winter 1996 war klirrend kalt – es gab drei Volksfeste
Knapp einen Monat später gab es eine Neuauflage. Aber zu dem Zeitpunkt hatte sich die Attraktion schon etwas abgenutzt. Es kamen nur etwa 350.000 Besucher. Und gleich eine Woche später bescherte der Winter den Hamburgern die kälteste Nacht des Jahres – in Fuhlsbüttel wurden mins 14 Grad gemessen, auf St. Pauli minus 13. Und so gab es 1996 sogar noch ein drittes Alstereisvergnügen.
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Im Jahr darauf, Mitte Januar 1997, gab es dann wieder kein Halten mehr. Mehr als eine Million Menschen feierten eine Winterparty auf der Außenalster. „Das Millionen-Spektakel“ titelte das Abendblatt. Teilweise waren bis zu 100.000 Menschen gleichzeitig auf dem Eis. Weil Schnee darauf lag und die Fläche dadurch weniger glatt war, war die Zahl der Verletzten mit 80 nur halb so groß wie im Jahr davor. Der Schnee verhinderte schwere Knochenbrüche.
Alstereisvergnügen: 2012 standen die Buden erstmals am Ufer
Und zur bislang letzten großen Winterparty im Februar 2012 kamen 1,1 Millionen Menschen – die etwa 60 Buden standen erstmals am Ufer.
Wo viele Menschen zusammenkommen, entsteht auch viel Müll. 1986 waren es 220 Kubikmeter, die auf dem Eis verteilt lagen. Fünf Jahre später warfen die Besucher den Unrat in die bereitstehenden Abfallbehälter. Damals räumte die Stadtreinigung nur mehr 40 Tonnen Abfall vom Alsterufer weg. Und von 1996 ist überliefert, dass die Eisdecke beim zweiten Alstereisvergnügen bis zum Schluss weiß blieb, weil die Gäste die zahlreichen Müllsäcke benutzten, um ihren Abfall los zu werden.
Alster: In ein paar Monaten beginnt das Hoffen auf das Eisvergnügen
Die Stadtreinigung hatte allen Standbetreibern vorsorglich 20 Müllsäcke zugeteilt, um ein Müllchaos wie vier Wochen davor zu vermeiden.
Noch ist es ein wenig zu früh, aber in ein paar Monaten beginnt wieder das Hoffen – auf das Alster-Wintermärchen 2023/24.