Hamburg. Die Autorin Rita Fischer lebt seit 43 Jahren in Eppendorf – und kann viel vom „Shabby Chic zu Schickimicki“-Wandel berichten.

Früher gab es mehr Hippies in Hamburg-Eppendorf, die Autos waren kleiner und dennoch beklagten die Anwohner schon immer den Mangel an Parkplätzen, sagt Rita Fischer. Die Autorin lebt seit mehr als 40 Jahren in dem angesagten Stadtteil, kennt sich in Eppendorf aus – und widmet ihrem Lieblingsort sogar einen Roman.

„Sternenweg 17“ heißt ihr Buch über das Zusammenleben in einem Eppendorfer Mehrfamilienhaus: Nach außen prachtvolle Jugendstilfassade, innen Stuck und Wände aus Papier, heißt es zu ihrem Buch. Es geht um Garten- und Straßenfeste, Eigentümerversammlungen, Stolpersteine und Flüchtlingskrise, über Liebe und Schmerz, Affären und Tod.

Eppendorf-Roman beschreibt klassisches Stadtteilleben in fiktiver Straße

Nach einem Schreibseminar mit Bodo Kirchhoff hatte die ehemalige Lehrerin Rita Fischer Gefallen am Schreiben gefunden. Nach Kurzgeschichten und dem autobiografischen Roman „Ankommen.Bleiben“ folgte im Frühjahr „Sternenweg 17“ – eine Liebeserklärung an den Stadtteil.

Im fiktiven Sternenweg geht es immer um das echte Eppendorf, um den Ort, an dem Rita Fischer aus Lübeck immer leben wollte, seitdem sie in den 1970er-Jahren zum ersten Mal Freunde dort besuchte. Ihr Herzensort.

Was für sie typisch Eppendorf ist? „Die wunderschönen Jugendstilhäuser mit ihrer gediegenen Wohnqualität, das bunte quirlige Leben auf den Einkaufsmeilen wie Eppendorfer Baum, Eppendorfer Landstraße, das Notting Hill am Lehmweg, die Ruhe in den Seitenstraßen und die vielen Parks.“ Eppendorf habe nicht nur blank geputzte Fassaden, sondern auch quirlige junge Einkaufsstraßen mit kleinen individuellen und kreativen Labels: bunt, jung, freakig, kreativ.

Rita Fischer: „Sternenweg 17“, 16 Euro, Kadera Verlag.
Rita Fischer: „Sternenweg 17“, 16 Euro, Kadera Verlag. © FUNKE Foto Services | foto: privat

Nach außen trägt Eppendorf edles Stadtgesicht, im Kleinen bleibt es ein Dorf

Nach außen setzt Eppendorf sein edles Stadtgesicht auf, im Kleinen aber bleibt es ein Dorf, sagt Rita Fischer. „Ein Juwel, das Historie ausatmet und für die nächsten Generationen erhalten werden muss.“

Das Eppendorf-Fieber hat sie schon damals als junge Frau gepackt: „Ich war geflasht von der Eppendorfer Landstraße“, sagt sie. Seit den 1980er-Jahren ist sie in dem Stadtteil zu Hause, seitdem sie ihre Stelle als Deutsch- und Kunstlehrerin in Norderstedt antrat. 43 Jahre lang an derselben Schule und ebenso lange in Eppendorf. Fischer mag es beständig. Aber wozu den Stadtteil, die Schule wechseln, wenn man dort glücklich ist?

Eppendorf, das war für die junge Frau aus Schleswig-Holstein damals die spannende Großstadtwelt. „Ich war angetan von den Altbauten an der Eppendorfer Landstraße“, erzählt sie.

Eppendorf: In den 1980er-Jahren ging es bunter, weniger schnöselig zu

Seit 30 Jahren lebt sie mit ihrem Mann selbst auf 156 Quadratmetern in einer typischen Eppendorfer Altbauwohnung. „Das ist die Gnade des Alters“, sagt die 71-Jährige und lacht – und meint damit, dass man sich vor 30 Jahren den Kauf einer Wohnung in Eppendorf noch leisten konnte. Zuvor hatte sie in einem Rotklinker jenseits der Lenhartzstraße gewohnt.

„Damals in den 1980er-Jahren waren die Häuser aber bunter, nicht so gelackt wie heute“, so Fischer. Vielleicht waren die Häuser damals weniger schön, aber dafür auch weniger gleichförmig. „Da blätterte der Putz von den Fassaden, aber diese Atmosphäre hatte etwas und hat mich damals an Paris erinnert.“

Rita Fischer hat den Wandel von Eppendorf im Shabby Look mit vielen Künstlern und Studenten hin zur herausgeputzten feinen Schickimicki-Dame mitbekommen. „Früher waren die Boutiquen voll mit verrückter Hippie-Mode und die Verkäuferinnen immer topgestylt.“

Onkel Pö – die verrauchte Kneipe, wo Al Jarreau seine Karriere startete

Und dann natürlich das legendäre Onkel Pö – die berühmte Gaststätte war nicht nur das zweite Wohnzimmer von Weltstars wie Al Jarreau, sondern auch von Rita Fischer aus Lübeck. „Man stand dort an und kam in diese total verrauchte Kneipe, das war eine ganz besondere Stimmung, lebendig und nicht so geschniegelt.“ Sie erinnert sich, wie Schauspieler Henning Venske da an der Bar saß: „Oh, ein Promi! Was man als junger Mensch eben als so besonders empfindet.“

Schauspieler, Politiker, Junggesellen, Alte und Junge – das sind auch die Protagonisten in ihrem Eppendorf-Roman „Sternenweg 17“. Zwölf Wohnungen hinter einer 100-jährigen Jugendstilfassade, in denen eine Gemeinschaft zu Hause ist. Vier Frauen um die 50 plus haben die Idee, eine der Wohnungen für künftig benötigtes Pflegepersonal frei zu halten. Denn ausziehen will keine mehr von ihnen.

Eppendorf – typisch sind Parkplatzmangel, Baustellen und schicke Boutiquen

Einmal Eppendorf immer Eppendorf, sagt Rita Fischer. Vor allem im Alter biete der Stadtteil auch im realen Leben außerhalb des Romans alles, was man zum Leben braucht: Ärzte, das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Läden, Märkte – und zum Jungfernstieg sind es nur sieben Minuten mit der Bahn.

Aber nicht nur Boutiquen, schicke Altbauen und gestylte Ladys machen Eppendorf aus. Typisch für den Stadtteil sind heute auch die vielen Baustellen und Baugerüste in den Straßen. „Wird eins gerade abgebaut, kommt gleich das nächste. Das begleitet mich schon mein ganzes Leben in Eppendorf. Gerade haben wir drei Baustellen-WCs in der Straße“, sagt Fischer. Die schicken Altbauen müssen regelmäßig instand gesetzt werden, damit sie schick und bewohnbar bleiben.

Das Jugendstilhaus, in dem sie mit ihrem Mann lebt, war ebenfalls gerade ein Jahr lang unter einer Plane versteckt.

Eppendorfer ärgern sich über Anwohnerparken und rücksichtslose E-Lastenradfahrer

Baustellen, das bedeutet auch ständig Halteverbote und noch weniger Parkplätze als ohnehin schon. Und so sehr Fischer Eppendorf liebt – das Dorf inmitten der Großstadt – so sehr kann sie sich wie viele andere Bewohner über das Anwohnerparken im Bezirk Nord ärgern. „Ich zahle 65 Euro im Jahr, dafür dass ich trotzdem keinen Parkplatz finde.“ Abends kurvt sie nach wie vor um die Häuser auf der Suche nach einer Lücke.

„Die Leute, die hier arbeiten, tun mir leid“, sagt sie. So wie die gehbehinderte Frau aus dem Umland, die ihr Fahrzeug in Fuhlsbüttel parkt und die letzten Meter zur Arbeit an Krücken durch den Kellinghusen Park gehen muss.

Und auch in Eppendorf gibt es wie überall zu wenig Platz für alle Verkehrsteilnehmer. „Vor Kurzem raste so ein E-Lastenradler mit Karacho an mir als Fußgängerin vorbei – und dann noch auf der falschen Seite auf dem Radweg.“

Eppendorf: Noch geht es persönlich zu im Stadtteil – aber wie lange noch?

In den 1980er-Jahren, erzählt sie, bekam man auch nur schwer einen Parkplatz, „aber die Fahrzeuge waren kleiner.“ Das Grundtempo war ein anderes, alles war ein wenig langsamer. „Mit einem normalen Rad kann man auch nicht so rasen wie mit einem E-Bike heutzutage.“

Typisch Eppendorf sind aber auch die Nachbarschaften – gerade hängt eine Einladung zum White Dinner in der Parallelstraße im Treppenhaus von Rita Fischer aus, es werden Straßenfeste gefeiert. „Hier ist Leben“, sagt sie.

Vor dem Nachbarhaus steht eine Klönbank. „Dort treffen sich die Anwohner manchmal auf ein Glas Wein.“ Es gehe sehr persönlich zu. Noch. „Die Neuen, die hieherziehen, wollen aber oftmals diese Gemeinschaft gar nicht, sondern mögen lieber anonym bleiben.“