Hamburg. Nachdem Karl Lagerfeld die Villa in Blankenese 1991 gekauft hatte, ließ er sie restaurieren und veranlasste einige Umbauten.
„Dass ich hier leben wollte,“ – mit diesen Worten beginnt ein Buch über das wohl geheimnisvollste Anwesen am Blankeneser Elbhang. Geschrieben hat sie Michael Haentjes, der die tempelartige Villa – von ihrem Vorbesitzer Karl Lagerfeld in Erinnerung an seinen verstorbenen Lebensgefährten „Villa Jako“ genannt – 1997 erworben hat.
Als er an einem sonnigen Herbsttag vom Gartensaal auf die Terrasse trat, habe ihn die atemberaubende Sicht über die von Bäumen und Rhododendren gerahmte Treppenanlage hinunter zur Elbe sprachlos gemacht, beschreibt der Musikunternehmer und Gründer der Edel AG seinen ersten Eindruck. „Dass ich hier leben wollte, wusste ich sofort.“
Lagerfeld-Villa in Blankenese: Buch erzählt die Geschichte
Zum ersten Mal überhaupt wird in dem Buch die Geschichte des außergewöhnlichen Gebäudes erzählt, das der Hamburger Kaufmann Hermann Johannes Friedrich Witte vor 100 Jahren in einem Landschaftspark aus dem 19. Jahrhundert errichten ließ. Für die Spurensuche in der Vergangenheit engagierte Haentjes Gartenarchitekt Ulrich Timm, der bei seinen Recherchen unter anderem die letzte Bewohnerin sprach, die in der Villa aufgewachsen war, und anhand alter Kassenbücher der Baumschule Lorenz von Ehren den botanischen Bestand des Parks ermitteln konnte.
Die Mystik des hügeligen Geländes, das von Feldsteinmauern gestützt wird, hat Fotograf Ferdinand von Luckner stimmungsvoll eingefangen. Den waldartigen Park mit seinen alten und teils seltenen Bäumen, den mächtigen Rhododendren und einem verwunschenen Teich. Den terrassenartig angelegten Garten, in dem Nachbildungen antiker Gefäße und Figuren stehen. Aber auch aus der eindrucksvoll im Art déco eingerichteten Villa gibt es zahlreiche Fotos. Denn in dem Buch „Wilmans Park – Ein verborgener Garten in Blankenese“ erlaubt Michael Haentjes auch Blicke ins Innere seines Refugiums.
„Das Buch war mir eine Herzenssache"
Mit der Instandhaltung und Pflege der 370-Quadratmeter-Villa und des 1,2 Hektar großen Grundstücks sind etliche Handwerker und Gärtner beschäftigt. Auch ihnen wird ein Kapitel gewidmet. „Das Buch war mir eine Herzenssache, vor allem, nachdem in der Presse leider immer einmal wieder sehr schlecht über Haus und Anlage geschrieben wurde“, so Haentjes.
Tatsächlich wurde die Villa schon mit einem Mausoleum verglichen und als Problemfall beschrieben, weil sie unter Denkmalschutz steht. Auch die Hanglage wurde moniert. Doch Haentjes betont: „Für mich ist es eines der schönsten Privatanwesen, das in Hamburg zu finden ist. Es steckt so viel Geschichte, so viel Kultur und Fantasie darin; das wollte ich festhalten, auch für meine Nachfahren, und es ebenfalls mit interessierten Menschen teilen.“
Werk mit Deutschem Gartenbuchpreis ausgezeichnet
Für die Umsetzung dieses Wunsches habe er ein perfektes Team gefunden. Und so dürfte das mit dem Deutschen Gartenbuchpreis in der Kategorie Bester Bildband ausgezeichnete Werk eine breite Leserschaft ansprechen. Neugierige Spaziergänger, die sich schon gefragt haben, was sich hinter dem mächtigen, meist verschlossenen Eingang verbirgt – dessen hohe Front mit ihren vier dorischen Säulen und einer von zwei schmalen Durchgängen flankierten Rundbogen-Flügeltür den Blick auf das dahinterliegende Grundstück versperren.
Botaniker, die erfahren möchten, welche Baum- und Pflanzenarten dort wachsen. Liebhaber von Gartenarchitektur, die sich dafür interessieren, wie das auf 20 Meter Höhenunterschied angelegte Gelände mit seinen Podesten und Stufenanlagen die gradlinige Anordnung des Villengrundrisses aufgreift. Und Architektur- und Denkmalbegeisterte, denen die Beschreibungen und Fotos des von Architekt Walther Baedecker entworfenen Gebäudes Freude bereiten.
Grundstück galt zunächst als unbebaubar
Das steht auf einem Grundstück, das zunächst als unbebaubar galt – gelegen mitten in einer wild-zerklüfteten Landschaft, einem sandigen Geest-Gelände mit steilen Abhängen zur Elbe hin. Der Reeder Rütger Heinrich Klünder ließ sich davon nicht abhalten. Anfang des 19. Jahrhunderts erwarb er den nördlichen Teil des Hangs und ließ darauf einen Landschaftspark nach englischem Vorbild anlegen. Eine der drei Grotten, die dabei entstanden, steht noch heute in Wilmans Park – wie das Grundstück nach dem Verkauf an den Hamburger Salpeterhändler Hermann Christoph Wilman genannt wurde. Später wurde auch die Straße so genannt.
Doch erst Hermann Johannes Friedrich Witte bebaute das Gelände. Das Gebäude im Stil einer römischen Villa erhielt ein Atrium, von dem aus zur Westseite der Esssalon und zur Ostseite das Schlafzimmer mit Zugang zum Bad im Untergeschoss lagen. Dort unten befanden sich auch Personal- und Wirtschaftsräume. Der große Raum zum Süden wurde als Bibliothek im Stil eines griechischen Prostylos-Tempel errichtet – mit davorliegender Säulenhalle und einem Gartenportal mit eindrucksvoller Treppenanlage davor. Auch den Landschaftspark ließ Witte neu anordnen.
Bibliothek wurde zu Gartensaal umgebaut
1927 verkaufte er das Anwesen an den Kapitän und Anwalt Alfred Schüler. Der ließ, ebenfalls von Baedecker, das Gebäude familiengerecht ergänzen. Es entstand eine obere Ebene mit Galerie und Schlafräumen, die Aussparung über dem Atrium wurde mit einer Glaskuppel geschlossen. Auch die Räume im Erdgeschoss wurden neu aufgeteilt und gestaltet. Die ehemaligen Bibliothek etwa wurde zu einem Gartensaal umgebaut, der Platz bot für eine umfangreiche Kunstsammlung und Hauskonzerte.
Im Garten waren eine Terrasse mit Sitzstufen und der Platz unter der Rosen-Pergola oder, an kühleren, Tagen ein Teepavillon oberhalb der Grotte beliebte Aufenthaltsorte der Familie Schüler. Und später der Familie von Michael Haentjes. „Als die Kinder noch klein waren, war der Park Abenteuerspielplatz für sie und für meine Frau eine Leidenschaft“, schildert es der Unternehmer dem Abendblatt.
Karl Lagerfeld kaufte Villa in Blankenese
Nachdem Karl Lagerfeld die Villa 1991 gekauft hatte, ließ er sie restaurieren und veranlasste einige Umbauten, um Bäder und Wirtschaftsräume zu modernisieren. Die Wände wurden mit Motiven in Art-déco-Manier verziert, die Räume mit üppigen Polstergarnituren und schweren Vorhängen ausgestattet. Das Wasserbecken ließ er schließen, um den Raum besser nutzen zu können. Doch oft residierte er nicht in der „Villa Jako“. Und so kam es, dass Haentjes sie erwarb.
Er ließ eine Küche einbauen, in der ein gut 50 Jahre alter italienischer Espressoautomat und eine 1927 in Parma hergestellte Maschine zum Schinkenschneiden die Blicke auf sich ziehen. Anders als sein Vorgänger lässt er sich sein Essen aber nicht liefern, sondern steht selbst am Herd und bewirtet Freunde und Familie. Wobei man das eigentlich in der Vergangenheit schreiben müsste. Denn mittlerweile ist die Blankeneser Villa nicht mehr Haentjes Lebensmittelpunkt. Und die Kinder sind erwachsen, haben ein eigenes Zuhause und zum Teil auch Familie.
Verkauf, weil Villa nicht mehr Lebensmittelpunkt ist
„Wir treffen uns manchmal noch zu Feierlichkeiten oder einem Gartenbrunch, aber ich muss dafür immer anreisen. Und Wilmans Park hat es verdient, intensiver bewohnt zu werden“, so der Unternehmer. Und so kann das Buch auch als sehr hochwertiges und schön gestaltetes Exposé betrachtet werden.
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Denn so gerne Michael Haentjes dort gelebt hat, steht das Anwesen seit etlichen Jahren zum Verkauf. Elf Millionen Euro soll es mittlerweile kosten, doch damit allein ist es nicht getan. „Eine solche Anlage ist komplizierter zu bewohnen als ein Neubau“, räumt der Unternehmer ein. Zumal es aus Sicht von Denkmalpflegern „eine eindrucksvolle Gesamtanlage“ und als Werk Walther Baedeckers von „hervorragender baugeschichtlicher Bedeutung“ ist und unter Schutz steht.
Blankenese: Buch ruft Faszination für Villa hervor
Doch der Musikunternehmer ist zuversichtlich. „Ich bin mir sicher, dass es eines Tages einen neuen Besitzer geben wird, der sich genauso in den Wilmans Park verliebt wie ich vor fast 25 Jahren.“ Wer durch das Buch blättert, kann seine Faszination von damals jedenfalls auf Anhieb nachvollziehen.
„Wilmans Park - Ein verborgener Garten in Blankenese“, Ferdinand Graf Luckner und Ulrich Timm, Callwey Verlag, 300 Seiten, 280 Fotos und Abbildungen, gebunden. 49,95 Euro, ISBN: 978-3-7667-2581-3.