Hamburg. Im Bezirk Hamburg-Nord gibt es eine breite Allianz. Doch eine Partei ist strikt dagegen die Straßen neu zu benennen.
- Der Woermannsweg, der Woermannsteig und der Justus-Strandes-Weg sollen auf Bestreben einer Allianz aus Grünen, SPD und FDP neue Namen bekommen.
- Die Namensgeber der Straßen haben sich im 19. Jahrhundert vor allem einen Namen im Zusammenhang mit dem Kolonialismus einen Namen gemacht.
In Ohlsdorf steht die Umbenennung von drei Straßen- beziehungsweise Wegenamen auf der Tagesordnung. Wenn es bei der jetzigen Planung bleibt, könnte die Aktion noch in diesem Jahr in die entscheidende Phase treten.
Darum geht es: Der Regionalausschuss Fuhlsbüttel-Ohlsdorf-Langenhorn-Alsterdorf-Groß Borstel (FOLAG) hat sich in der Vergangenheit immer wieder kritisch mit den Straßennamen Woermannsweg, Woermannstieg und Justus-Strandes-Weg befasst, die nach Adolph Woermann (1847 bis 1911) und Justus Strandes (1859 bis 1939) benannt sind.
Hamburg-Ohlsdorf: Drei Straßen sollen neuen Namen bekommen
Nun gibt es im Bezirk Hamburg-Nord eine breite Allianz aus Grünen, SPD, FDP und Linken, die die Umbenennungen energisch vorantreibt. Ein entsprechender Beschluss wurde im Februar über einen Antrag der vier Fraktionen gefasst.
Bereits am 17. April soll es im Gemeindesaal der Ohlsdorfer Kirche St. Marien eine Sondersitzung des Ausschusses geben, in der über mögliche neue Namen diskutiert wird.
Politiker bezeichnen Straßennamenspaten als „Kolonialverbrecher“
Adolph Woermann war ein Hamburger Überseekaufmann, Reeder, Reichstagsabgeordneter und aktiver Kolonialist, der maßgeblich an der Errichtung der deutschen Kolonien in Afrika beteiligt war. Zudem galt er mit der Woermann-Linie als zeitweise größter Privatreeder der Welt. Justus Strandes, ebenfalls Überseekaufmann und bei der Schaffung deutscher Kolonien in Ostafrika engagiert, war Hamburger Senator und Konsul in Berlin. Beide Männer gehörten zu den reichsten Hamburgern ihrer Zeit.
Die Antragsteller Nadja Grichisch (Grüne), Karin Ros (SPD), Ralf Lindenberg (FDP) und Rachid Messaoudi (Linke) fahren schwere Geschütze gegen Woermann und Strandes auf.
„Wir wollen keine Ehrungen von Kolonialverbrechern in unserem Bezirk. Wir wollen unseren Beitrag zur Dekolonisierung Hamburgs leisten“, teilen die vier in einer Erklärung mit. „Wenn wir Rassismus in unserer Gesellschaft bekämpfen wollen, müssen wir uns der kolonialen Vergangenheit stellen, denn sie ist eine wesentliche Ursache von Rassismus“, lassen sie zudem wissen.
Zur Infoveranstaltung sollen auch Aktivisten der Dekolonialisierung kommen
Das Quartett stellt klar, dass dabei eine breite Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern wichtig sei. „Vor allem die von der Umbenennung direkt Betroffenen müssen informiert und ihnen die Möglichkeit der Beteiligung gegeben werden“, so die Erklärung.
Dass es dabei lebhaft zugehen wird, ist programmiert. Denn die vier wollen zu der Veranstaltung auch Mitglieder von Initiativen einladen, die „im Kontext Dekolonisierung Hamburgs tätig sind“.
Initiatoren wollen Straßen nach Menschen aus Widerstand oder Opfergruppen benennen
Aus Sicht der Antragsteller seien es vor allem „BIPOC (Black, Indigenous and People of Color)-Communitys, die als Betroffene maßgeblich dazu beigetragen haben, dass sich Hamburg (…) auf den Weg der Auseinandersetzung mit dem kolonialen Erbe gemacht hat“.
Die drei „kolonial belasteten“ Straßen sollen nach Vorstellung der Antragsteller „nach Menschen aus dem jeweiligen Widerstand oder der jeweiligen Opfergruppe benannt werden“.
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Im nächsten Schritt muss nun eine Aufforderung an das Staatsarchiv folgen, damit Experten die Umbenennungen der Straßennamen prüfen. Die dem Staatsarchiv übergeordnete Behörde für Kultur und Medien begrüßt die Planungen zur Umbenennung zwar, stellt aber klar, dass eine endgültige Prüfung erst erfolgen kann, wenn dem Staatsarchiv Anträge zur Umbenennung vorliegen.
CDU kritisiert Umbenennung: Der korrekte Weg wird nicht eingehalten
Die CDU im Bezirk sieht diese Formalien nicht erfüllt und wendet sich entsprechend gegen die Umbenennungen. „Uns allen liegt außer der Absichtserklärung bislang keine konkrete Stellungnahme der Behörde vor“, kritisiert der CDU-Fraktionschef Andreas Schott.
Üblicherweise müssten zunächst Namensalternativen im Bezirk beschlossen werden. Diese Voten würden dann an das im Bezirksamt zuständige Fachamt zur Erarbeitung der Umbenennungsanträge gegeben werden. Das sei aber nicht erfolgt.
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„Dafür muss unter anderem auch die Zahl der betroffenen Privat- und Geschäftsanlieger ermittelt werden, außerdem müssen entsprechende Lagepläne angefertigt werden“, so Andreas Schott. „Erst im nächsten Schritt wird dann von dort der Antrag zur Prüfung an das Staatsarchiv weitergeleitet.“
CDU-Fraktionschef: „Mit schlanker Hand wird hier über Personen geurteilt
Die Christdemokraten kritisieren indes nicht nur formale Mängel. Andreas Schott verweist auch auf die großen Verdienste, die sich vor allem Justus Strandes für Hamburg erworben habe – unter anderem als Vorkämpfer für die Einrichtung der Universität.
Außerdem habe sich Strandes in seinen Lebenserinnerungen klar vom Kolonialismus distanziert. „Hier wird mit schlanker Hand über Personen geurteilt“, so Schott. „Wenn wir unsere heutigen moralischen Maßstäbe für alle Namensgeber aus den vergangenen 200 Jahren anlegen, bekommen wir einen ganz anderen Hamburg-Stadtplan.“
Die Antragsteller ficht das nicht an. Sie teilen mit: „Durch den eingeleiteten Perspektivwechsel soll erreicht werden, dass Verbrecherinnen und Verbrecher künftig nicht weitergeehrt und deren Geschichten erzählt werden.“