Hamburg. Der älteste Spieler der Stadtpark-Kicker ist 83 Jahre alt, der jüngste 27. Aber Sprüche klopfen können die Herren alle.
Wie in Zeitlupe hechtet Henning Fröschner dem Ball hinterher. So wie ein 77 Jahre alter Torwart eben noch hechten kann. Die Männer von der SG Stadtpark, die freitagabends beim SV Groß Borstel eine Runde kicken, sind nämlich nicht mehr die Jüngsten. Das Durchschnittsalter liegt bei 70 Jahren plus. Ob der Ball dann im Tor landet oder nicht, ist fast nebensächlich. Was bei den alten Herren zählt, sind das Gemeinschaftsgefühl, der Spaß an der Bewegung und am Fußball. Und das nun bereits seit 50 Jahren.
Wenn es um 20.15 Uhr auf den Platz geht, dann werden aus den überwiegend alten Männern wieder kleine Jungs, die einfach nur Fußball spielen wollen. Aufwärmübungen? Halten die 16 Spieler an diesem Freitagabend für unnötig. Wenn es kühler ist, tragen einige Stirnbänder, um die Ohren warm zu halten, oder Mützen auf dem oftmals schütteren Haar.
Groß Borstel: Stadtpark-Kicker – Fußball mit Herz und lockeren Sprüchen
Alexander, mit seinen 54 Jahren noch einer der jüngeren Spieler, ist an diesem Tag der Einteiler, sorgt für ein Mindestmaß an Disziplin in der Truppe, die von sich selbst sagt: „Wir sind schwierig, aber lustig.“ Die Männer tragen vieles mit Humor.
So wie Eckhardt Kroll, mit seinen 83 Jahren der älteste Spieler. Er sagt: „Wenn ich spiele, macht das keinen Unterschied.“ So langsam sei er inzwischen. „Ecki, du spielst heute links außen“, ruft ihm Alexander auf dem Platz zu. Und Eckis Antwort? „Da komme ich doch gar nicht hin.“ Statt über das Alter und über die müden Knochen zu lamentieren, gibt es eben einen Spruch.
In der Truppe – wenn alle da sind, sind es bis zu 30 Männer – sind echte Freizeitkicker. Es gibt passive und aktive Mitglieder. Klar, es gelten die üblichen Regeln auf dem Platz – der Ball ist rund, aber das Spiel dauert bei den älteren Herrschaften nur 60 Minuten, und sie spielen auf einem halb so großen Spielfeld von 50 mal 50 Metern.
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Groß Borstel: Fußball begeistert die Männer seit 50 Jahren
„Wir sind einfach ein Haufen fußballbegeisterter, untrainierbarer Leute – das hat sich bis heute erhalten“, sagt Manfred Martens aus Harvestehude. Der 77-Jährige ehemalige Rechtsanwalt gehört wie Sportsfreund Henning Fröschner aus Schnelsen, der früher als Psychologe gearbeitet hat, zu den Gründungsmitgliedern der SG Stadtpark.
Stadtpark deshalb, weil sie dort vor 50 Jahren mit dem Kicken nach Feierabend begonnen haben. Viele von ihnen waren damals Jurastudenten, die sich mit Spielern aus dem Sprachenclub Pro Linguis zusammengetan haben. Und nie hat sich diese Gruppe in all den Jahren aufgelöst. Es ist ein besonderer Geist, der alle miteinander verbindet.
Freizeitkicker sind eingeschworene Gemeinschaft, die Geborgenheit gibt
Dieser geht weit über das Kicken hinaus – gemeinsame Ausflüge mit den Familien, das traditionelle Grünkohlessen, die jährliche Kohlfahrt und viele Reisen verbinden zusätzlich. Es geht um Bewegung und Spaß. „Von Woche zu Woche erwartet uns ein Heidenspaß, für unsere Lebensqualität und damit Gesundheit entscheidend“, sagt Henning Fröschner. Längst sind sie eine eingeschworene Gemeinschaft, die jedem von ihnen Geborgenheit gibt.
Irgendwann war die Wiese im Stadtpark zu abgerockt, es gab zu viele Kaninchenlöcher, und damit stieg die Verletzungsgefahr, vor allem im Winter und bei Dunkelheit. Zuerst fanden sie einen geeigneten Platz beim Weg am Jäger und seit den 1990er Jahren beim SV Groß Borstel.
Stadtparkwiese war einmal, heute spielen sie auf Kunstrasen
Genau wie auf der Stadtparkwiese gilt auch auf dem Kunstrasenplatz: Es wird bei jedem Wetter gespielt. Schließlich sind die Männer keine Weicheier – ausbremsen kann sie nur Frost und Eis, dann kann der Platz schon einmal offiziell gesperrt sein.
„Dann sind wir tieftraurig und zu Hause nicht willkommen“, sagt Manfred Martens im Scherz. Freitagabends erwarten die Ehefrauen ihre Männer erst spät wieder zu Hause. Denn nach dem Training geht es schließlich noch ins Vereinsheim.
Von der ursprünglichen Truppe sind noch sechs dabei, sieben sind inzwischen verstorben, und es sind neue und jüngere Spieler dazu gekommen – teilweise die Söhne der Stammspieler, so wie Janis (35) oder Leon, der mit seinen 27 Jahren der Jüngste ist. Dieser trifft dann auf den ältesten Spieler Eckhardt Kroll. Das Motto: „Schnelligkeit gegen Routine“.
„Wenn einer hinfällt, stellt man sich die Frage: Steht er wieder auf, oder ist er tot?“
Die Jungen sind eine echte Bereicherung. Denn: „Durch die Jüngeren halten sich die Qualität und eine gewisse Energie und Schnelligkeit“, sagt Henning Fröschner. „Wir wollen ja schließlich keinen Standfußball spielen.“ Wichtig bei der Truppe, die zum größten Teil Jahrgang 1948 ist: Es wird ohne robustes Tackling gespielt. „Wenn wir nämlich hinfallen, brechen wir uns gleich etwas“, sagt Henning Fröschner und lacht.
Lachen ist ein gutes Stichwort. Das und jede Menge Sprüche klopfen tun die Herren nämlich neben dem Fußballspiel äußerst gern, da liegen sie ganz weit vorn. Sie können über sich selbst lachen. „Wenn einer hinfällt, stellt man sich schon die Frage: Steht er wieder auf, oder ist er tot?“, sagt Henning Fröschner trocken. Sie wissen einfach um die eigene Verletzlichkeit. Und doch: „Manchmal ist die alte Topform doch wieder da“, sagt Fröschner.
Am vergangenen Freitag aber sei es ein „unglücklicher“ Abend gewesen, so Torwart Fröschner. „Jedenfalls auf dem Platz: Fünf Gegentreffer waren es, vier davon unhaltbar, einen hätte ich haben müssen.“ Endergebnis 3:7. „Allgemeine Einschätzung: ein gutes Spiel – gefühltes Unentschieden.“