Hamburg. Dorothee Salchow coacht Schüler ehrenamtlich. Warum das Gespräch mit ihr mehr bringen kann als mit Lehrern.

Es gibt Lehrer, Sozialpädagogen und Eltern. Und es gibt Dorothee Salchow. Sie ist ein Coaching-Profi und füllt eine Lücke im Schulsystem. Ehrenamtlich hilft sie Schülern und Schülerinnen an der Heinrich-Hertz-Stadtteilschule in Winterhude bei Themen, die den Jugend­lichen wichtig sind, für die aber bislang der richtige Ansprechpartner fehlt.

„Es ist eine andere Person, mit der man offen reden kann, die eben nicht meine Mutter ist oder mein Lehrer“, sagt Jule. Die 16-Jährige hat das freiwillige Angebot, sich von Dorothee Salchow coachen zu lassen, angenommen. Genau wie viele ihrer Mitschüler aus der 10. Klasse an der Heinrich-Hertz-Stadtteilschule. Solche Coachings haben an der Schule seit 2009 Tradition.

Es sind berufstätige und ehemals berufstätige Erwachsene, die ehrenamtlich Kinder und Jugendliche unterstützen wollen. Seit Schuljahresbeginn bietet Rechtsanwältin Salchow, die zudem Trainerin und Coach für positive Psychologie ist, jeden Montagmittag Schülern an, zu ihr zu kommen, um über Probleme nicht nur zu reden, sondern auch gemeinsam Lösungsansätze zu finden. Themen, für die im Schulalltag keine Zeit bleibt.

Schule Hamburg: Salchow hilft dabei, Lösungen zu finden

Jule hat mit ihr über ihre Schwierigkeiten mit dem Lernen gesprochen. „Mir fällt es schwer, gezielt für Arbeiten zu lernen“, sagt sie. Tatsächlich sind solche Treffen ein Gespräch. Um kluge Ratschläge und Tipps geht es nicht, vielmehr führt Dorothee Salchow durch gezieltes Fragen und Nachhaken die Schülerinnen dazu, selbst Lösungsansätze zu entwickeln. Meist sind es Schülerinnen, die den Weg zu ihr finden. Die Jungs scheinen noch etwas zurückhaltender zu sein.

Dorothee Salchow im Gespräch mit den Schülerinnen Luise (15) und Jule (16).
Dorothee Salchow im Gespräch mit den Schülerinnen Luise (15) und Jule (16). © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Jule aus Eimsbüttel hat mit Salchow Methoden erarbeitet und über Motivation gesprochen. „Selbst über sich nachzudenken spielt eine wichtige Rolle“, sagt Dorothee Salchow. Ein Ergebnis des Einzelcoachings: „Ich muss mich auf die Aufgaben konzentrieren, die auch in der Arbeit drankommen“, so Jules Fazit. Außerdem hat sie entdeckt, dass sie zu Hause nur schlecht lernen kann, die Ablenkung ist zu groß. „Ich fahre gern in die Bücherhalle am Hühnerposten und lerne dort.“

Die Schüler kommen mit Fragen zur beruflichen Zukunft

Es sind vor allem solche Themen, mit denen die Schülerinnen zu Dorothee Salchow kommen: fehlende Lernmotivation, Schwierigkeiten mit dem Zeitmanagement und Fragen zur beruflichen Zukunft. Und genau wie in ihrem Job, in dem sie Führungskräften hilft oder berufstätigen Müttern, geht es darum, dass jeder seinen Weg findet. Vorgefertigte Lösungen helfen nicht, weil jeder individuell ist. Die Herangehensweise ist ähnlich, ganz gleich, ob es um Jugendliche oder Erwachsene geht.

Zu Beginn ihres Einzelcoachings hatte sie mit den Schülern im Klassenverband die Stärken jedes Einzelnen mit ihnen herausgearbeitet – auch um sich und ihre Arbeit vorzustellen und um die Schüler vorab kennenzulernen. Sie ist immer wieder begeistert, dass die Schüler zu ihr kommen. „Ich finde das enorm mutig, dass sie sich mit mir hinsetzen und reden.“ 90 Minuten Zeit hat sie und schafft zwei Schüler in der Woche, die Warteliste ist lang, sodass jeder Schüler zunächst nur einen Termin hat.

Der Coach ist neutral und vermittelt keine Erwartungshaltung

Mit Lehrern oder den Sozialpädagogen an ihrer Schule hätte Jule nicht gern über ihre Schwierigkeiten gesprochen. Denn Coachin Salchow ist absolut neutral. „Was den Schülern guttut in dieser Zeit, ist, einen Raum zu haben mit jemandem, der kein Interesse daran hat, was als Ergebnis des Gespräches herauskommt“, sagt sie und meint auch damit, dass sie nichts von den Schülern einfordert. Wer bei ihr sitzt und sich öffnet, erlebt das in einer warmen kuscheligen Atmosphäre – sofern das in einem Klassenraum überhaupt möglich ist. „Ich versuche es, muckelig zu machen, mit Keksen und Gummibärchen“, sagt die 47-Jährige, deren Sohn die fünfte Klasse an der Schule besucht.

Es ist ein Treffen auf Augenhöhe. Sie begegnet den Jugendlichen mit sehr viel Re­spekt. Luise mag Dorothee und hat keine Schwierigkeiten, sich ihr zu öffnen. „Bei ihr hat man nicht den Druck, bewertet zu werden.“ Die 15-Jährige ist in der Klasse eher still und zurückhaltend oder abgelenkt von ihren Sitznachbarn.

Schule Hamburg: Salchow bringt den Schülern Verständnis entgegen

Aber leider ist das Stille nicht das, was Lehrer erwarten. Da geht es immer um rege Beteiligung. Und doch ist es auch ein wertvoller Charakterzug, bescheiden zu sein und sich selbst zurücknehmen zu können – das ist es, was Dorothee Salchow Luise mit auf den Weg gibt. „Ich habe zwar noch nicht so viel geschafft, wie ich mir vorgenommen habe. Aber es hat schon geholfen, mich selbst zu reflektieren“, sagt Luise. Sie hat eine Idee davon bekommen, was sie ändern kann.

Verständnis ist es, das Dorothee Salchow den Jugendlichen entgegenbringt, und Wertschätzung. „Sie sind ja unbeschriebene Blätter, wo sich auch noch etwas ändert.“ Pubertät und Hormone seien außerdem nicht zu unterschätzen. Da kann es schwierig sein, immer funktionieren zu müssen. „Ich schenke den Schülern Zeit und verlangsame in diesen 45 Minuten ihr Leben, ermögliche es ihnen, einmal einen Schritt zurückzugehen.“