Hamburg. “Geniales Konzept“ von Fritz Schumacher für Hörsaal wurde in 1950ern zerstört. Nun erscheint das UKE-Gebäude in neuem Glanz.

Das Gelände des Universitätsklinikums Eppendorf (UKE) ist zurzeit großteils eine Baustelle. Was im Einzelnen dort entstehen wird, lässt sich für Außenstehende in den meisten Fällen nur schwer erkennen, auch wenn ein paar Bauschilder Erklärungen liefern. Einen starken Kontrast dazu bildet ein Bau, der seine Restaurierung gerade hinter sich hat und nun wieder so glanzvoll erscheint wie bei seiner Eröffnung im Jahr 1926.

Die Rede ist vom Fritz-Schumacher-Hörsaal – älteren Semestern noch als Hörsaal der Pathologie bekannt. Zu verdanken ist die Wiederauferstehung dem Freundes- und Förderkreis des UKE, dessen Mitglieder sich intensiv mit der Geschichte des Baus beschäftigt hatten, um dann sein Comeback voranzutreiben.

UKE Hamburg: Verunstalteter Saal in neuer Pracht – dank Clou

Initiiert wurde das Projekt maßgeblich von Prof. Adolf-Friedrich Holstein, dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden des Kreises und vor allem von seinem Nachfolger auf diesem Posten, Prof. Martin Carstensen. Die beiden honorigen Herren tun das, was im Wissenschaftsbetrieb sonst eher selten ist: Sie gestehen sich im Zusammenhang mit diesem Projekt gegenseitig die Lorbeeren zu und präsentieren dem Abendblatt den faszinierenden Bau demonstrativ als Team.

Stolz und durch die Begeisterung geradezu verjüngt, führen Carstensen und Holstein flott durch Bankreihen, weisen auf bauliche Besonderheiten und erläutern das Beleuchtungskonzept. Die Freude wirkt ansteckend. Und sie ist nachvollziehbar. Noch heute beeindruckt die Geschichte dieses Hörsaals. Sie fängt damit an, dass Ludolf Brauer (1865 bis 1951), der damalige ärztliche Direktor das Allgemeinen Krankenhauses Eppendorf (so der einstige Name), nach 1910 eine Intensivierung der wissenschaftlichen Arbeit anstrebte, die es dort zuvor kaum gegeben hatte.

Das sollte auch nach außen deutlich werden, und so engagierte Brauer für einen benötigten Neubau zum einen den sehr namhaften Oberbaudirektor (von 1909 bis 1933) Fritz Schumacher. Zum anderen machte Brauer klar, dass das geplante Gebäude, in dem der Hörsaal beherbergt sein würde, demonstrativ groß und eindrucksvoll werden sollte. Fritz Schumacher war bereit und in der Lage „zu liefern“.

Fritz-Schumacher-Haus wurde als neues "Colosseum" verspottet

Der Bau, das heutige Fritz-Schumacher-Haus, wurde trotz der krisenhaften Entwicklung während der Weimarer Republik so stattlich, dass mancher über das neue „Colosseum“ vor Ort spottete. Schumacher hatte ein dreiflügeliges Gebäude entworfen, das – am Rande des Krankenhausgeländes stehend – die Kleinteiligkeit der Gesamtanlage mit ihren vielen Pavillons deutlich überragte.

Die Grundsteinlegung war bereits 1913 erfolgt, die Fertigstellung – der Not der Zeit geschuldet – erst 1926. Brauers Ziel, die Pathologie, die zuvor im Leichenhaus auf dem Gelände „beheimatet“ gewesen war, aus ihrem Schattendasein zu befreien und stärker als wissenschaftliche Disziplin zu etablieren, wurde erreicht.

Hörsaal der Pathologie: Ungewöhnliche Architektur sorgte für Überraschung

Und dazu trug auch ganz maßgeblich der neue Hörsaal bei. Bei der Einweihung sorgte er, was Aussehen und Wirkung betraf, für viele Ohs und Ahs. Schumacher hatte ihm die Form einer Ellipse gegeben: Durch die gebogene Fensterfront nach außen und die konkave gegenüberstehende Wand – mit Stuhlreihen im Ausschnitt des Kreisbogens.

Die ungewöhnliche Architektur sorgte für eine besondere Überraschung: Wegen der ausgezeichneten Akustik war ein Mikrofon in der Regel nicht notwendig. Hinzu kam, dass die Glaseinlegearbeiten mit Ornamentglas in den großen Außenfenstern nicht nur eine Zierde für den Raum bedeuteten. Sie schirmten außerdem äußere Einflüsse ab und förderten so die Konzentration im Saal.

"Fritz Schumachers geniales Konzept war zerstört“

1959 geschah dann das, was auch vielen anderen Baukunstwerken widerfuhr, die den Krieg schadlos überstanden hatten. Der Hörsaal wurde den (angeblichen) Erfordernissen der modernen Zeit angepasst und völlig umgestaltet. Pflegeleichteres „Einscheibenglas“ in weißen Fensterrahmen ersetzte im Handumdrehen die alten Bleiglasfenster. Beim Einbau neuer Stühle wurden der einst geschickt kon­struierte Mittelgang geschlossen, die Decke verkleidet und die Rundbogennischen mit Brettern verschlossen.

Als Krönung ruinierten quer gestellte Neonleuchtbänder die Längsachse, wodurch sich der Gesamteindruck völlig veränderte. „Fritz Schumachers geniales Konzept war zerstört“, so Adolf-Friedrich Holstein bitter.

Besondere Idee motivierte namhafte Spender

So sollte es aber nicht bleiben. Im Jahr 2007 zog das Institut für Pathologie aus dem Gebäude aus und erhielt einen Neubau auf dem Krankenhausgelände. Im Raum-Ensemble des Schumacher-Baus wurde das Medizinhistorische Museum eingerichtet, zwei Institute blieben im Haus. Und wie sollte es mit dem verunstalteten Hörsaal weitergehen?

Da eine Modernisierung sowieso zwingend anstand, wurde die kühne Idee entwickelt: Warum bei der Gelegenheit nicht gleich das kunstvolle Alte wiederbeleben? Mit Unterstützung des damaligen UKE-Chefs Jörg Debatin nahm sich der Freundes- und Förderkreis der Klinik der Sache an. Holstein und Carstensen, weithin bekannt und geschätzt, gelang es mit ihren Helferinnen und Helfern, insgesamt rund eine Million Euro für die etwa doppelt so teure Renovierung und Restaurierung lockerzumachen. Clou war eine Stuhlpatenschaft, an der sich viele namhafte Spender beteiligten.

UKE Hamburg finanzierte Klimatechnik des Fritz-Schumacher-Hörsaals

Die aufwendigen Arbeiten beinhalteten Rückbau und Wiederherstellung des Mittelgangs, der Decke, der fünf Außenfenster und die Erneuerung des Gestühls – jeweils im historischen Stil. Das UKE hat die Finanzierung der dazugehörenden Klimatechnik übernommen. Hinzu kommt die Wiederherstellung der Farbgebung.

Wände und Decke waren in den 1950er-Jahren in funktionalem Weiß gestrichen worden, was die besondere Ausstrahlung des Hörsaals ruinierte. Heute erstrahlt der Raum wieder so, wie ihn der Künstler Otto Fischer-Trachau einst ausgestaltet hatte: Die Wände sind in einem warmen Grün, die Decke in Gelb gehalten. Carstensen und Holstein machen immer wieder deutlich, dass viele ambitionierte Menschen aus dem Freundes- und Förderkreis und dessen Umfeld zum Gelingen des Projekts beigetragen haben. Deutlich wird nun: Der Saal ist wieder so schön wie bei seiner Einweihung.

Vielleicht sogar noch etwas schöner.