Hamburg. Hamburger Infektiologe und Virologe sagen, was jetzt wichtig ist – vor allem angesichts der dramatischen Corona-Lage in China.

Die hohe Zahl der Corona-Infektionen in China und die Aufhebung der Reisebeschränkungen sorgen bei vielen Menschen hierzulande für gewisse Ängste. „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sollte man das sicher im Auge behalten“, sagt Prof. Dr. Adam Grundhoff vom Leibniz-Institut für Virologie, doch bislang gebe es keine Hinweise auf gefährliche Mutanten. „Es gibt leider nur wenige Daten aus China, aber dort scheinen die ohnehin schon weltweit vorherrschenden Varianten zu zirkulieren – zumindest gegenwärtig.“

Omikron sei immer noch vorherrschend, allerdings ändern sich laut Grundhoff die Varianten. Mit einer Omi­kron-Erkrankung kämen die meisten Menschen hier einigermaßen gut zurecht. Zudem seien die Menschen in Hamburg besser immunisiert als die meisten Menschen in China.

Corona Hamburg: Masken tragen bleibt sinnvoll

Die gute Nachricht: Sollte eine neue Mutante auftauchen, würde das bei den Sequenzierungen im Leibniz-In­stitut in Hamburg schnell auffallen, sagt Prof. Grundhoff, Leiter der Forschungsgruppe Virusgenomik. Die weniger gute Nachricht: „Bis China mehr Sequenzierungsdaten liefert, wird es schwierig, darunter besonders bedenkliche Mutanten rasch zu erkennen.“

Prof. Adam Grundhoff ist Virologe am Leibniz-Institut für Experimentelle Virologie (HPI).
Prof. Adam Grundhoff ist Virologe am Leibniz-Institut für Experimentelle Virologie (HPI). © Leibniz-Institut für Experimentelle Virologie | Leibniz-Institut für Experimentelle Virologie

Die Aufhebung der Maskenpflicht in Schleswig-Holstein und anderen Ländern möchte Grundhoff nicht bewerten, das sei eine politische Entscheidung. „Aber egal ob verpflichtet oder freiwillig – Masketragen ist aus infektiologischer Sicht nach wie vor eine gute Sache“, rät der Virologe.

Diese Ansicht teilt auch der Infektiologe Prof. Julian Schulze zur Wiesch vom Universitätsklinikum Eppendorf (UKE). Er rät, noch bis April Maske zu tragen, wenn man sich mit Menschen auf engem Raum bewegt. Er zitiert eine Modellrechnung der Technischen Universität Berlin: Demnach könnten, wenn die Menschen in Bussen und Bahnen keine Masken mehr trügen, bis zu zehn Prozent mehr Menschen mit Corona im Krankenhaus landen.

Prof. Julian Schulze zur Wiesch, Infektiologe am UKE.
Prof. Julian Schulze zur Wiesch, Infektiologe am UKE. © UKE | Sebastian Schulz

Auch in Schleswig-Holstein, wo die Maskenpflicht seit Jahresbeginn aufgehoben ist, werde das Masketragen ja auch weiterhin empfohlen, auch wenn Covid für viele nicht mehr so gefährlich sei wie früher, sagt Schulze zur Wiesch. „Es gibt ja verschiedene Schutzmechanismen, mit denen wir die Infektionszahlen niedrig halten.

Experte: „Wir werden mit dem Coronavirus auch langfristig leben müssen.“

Wir werden mit dem Coronavirus auch langfristig leben müssen.“ Gerade im Winter seien wie bei anderen respiratorischen Infektionskrankheiten die folgenden Maßnahmen sinnvoll: „Lüften, Abstand halten, in bestimmten engen Situationen Masken tragen, Hände desinfizieren. Und wenn man krank ist, zu Hause bleiben. Das wird oftmals nicht beachtet.“ Diese Maßnahmen schützten nicht nur vor Corona, sondern auch vor anderen Atemwegsinfektionen: „Wir wissen noch nicht so genau, wie sich die Influenzawelle ausbreiten wird.“

Schulze zur Wiesch beklagt eine gewisse Impfmüdigkeit. Nicht nur bei den Corona-Impfungen, sondern auch bei anderen Impfungen, beispielsweise gegen Grippe. „Wir sollten schauen, ob die Risikogruppen geimpft sind und ob wir da noch mehr Lücken schließen können.“

Booster stärken die Antikörper

Der Infektiologe sagt, das gelte auch für die Corona-Auffrischungsimpfungen. „Wir haben ja eine gewisse Grundimmunität durch Infektionen, die Menschen hatten, und auch durch die Impfung. Und selbst bei den aufkommenden Varianten ist es so, dass die Antikörper noch vorhanden sind, aber durch eine Boosterung der Impfung gesteigert werden.“ Der zweite Arm der Immunität sei die T-Zellen-Immunität, die ja auch noch bestehe und die einen schweren Verlauf grundsätzlich verhindern sollte.

Wegen der steigenden Infektionszahlen in China hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach am Donnerstag angekündigt, dass Einreisende aus dem asiatischen Land bei Antritt des Fluges künftig mindestens einen negativen Antigenschnelltest vorweisen müssen.

Impfstatus beizeiten überprüfen

Sollte es doch zu weiteren Virus-Mutationen kommen, dann sind laut Julian Schulze zur Wiesch zwei Varianten möglich: „Es könnte eine Mutation sein, die zu mehr Ansteckung führt. Oder es ist eine Mutation, die zu schweren Verläufen führt.“ Er erwarte aber nicht irgendeine Mutation, die die Biologie sehr viel ändert.

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„Und durch unsere eigenen Experimente haben wir gesehen, dass die T-Zellen-Immunität sehr breit ist und dass wir da eine Grundsicherung haben – die T-Zellen. Die verhindern nicht die Infektion, aber sie sind mit dafür zuständig, dass der Verlauf nicht so schlimm wird. Und das wird auch bei neuen Mutationen nicht einfach ausgeschaltet.“ Anders als vor zwei Jahren gebe es hierzulande viele geimpfte Menschen. Aber es sei nötig zu überprüfen, ob der eigene Impfstatus gut sei und auch der des Umfeldes.

vierte Impfung auch für Kontaktpersonen von Immungeschwächten

Derzeit gibt es von der Ständigen Impfkommission (Stiko) nur für Menschen über 60 Jahren und mit Vorerkrankungen eine Empfehlung für die vierte Corona-Impfung. Schulze zur Wiesch würde auch dazu raten, wenn man im Haushalt jemanden hat, der immungeschwächt ist. „Ich habe das Gefühl, die Daten zeigen, dass man doch relativ mehr geschützt ist vor einer Infektion.“

In Hamburg liegt die Sieben-Tage-Inzidenz bei 174,6. In der Hansestadt wurden bislang 4,67 Millionen Impfungen verabreicht. 1,6 Millionen Menschen bzw. 86,7 Prozent der Gesamtbevölkerung wurden mindestens einmal geimpft. Grundimmunisiert (mit zwei Impfungen) sind 84,4 Prozent, eine erste Auffrischungsimpfung haben 67,1 Prozent. Die zweite Auffrischungsimpfung haben 15,7 Prozent bezogen auf die Gesamtbevölkerung, bei den über 60-Jährigen sind es bislang 45,1 Prozent.