Hamburg. Mehrere Kapellen stehen leer, weil es immer weniger Begräbnisse gibt. Nun beginnen die ersten Maßnahmen für neue Nutzungen.
Sie ist 276 Quadratmeter groß und wurde 1905 erbaut: Die denkmalgeschützte Kapelle 6 im Norden des Ohlsdorfer Friedhofs mit ihrer mehr als 100 Quadratmeter großen Feierhalle ist ein historisches Schmuckstück. Geplant von dem damaligen Friedhofsdirektor Wilhelm Cordes, ausgeführt von dem Architekten Albert Erbe. Hier fanden in den vergangenen 100 Jahren Trauerfeiern nach den Begräbnissen statt. Doch seit einigen Jahren wird diese Kapelle wie drei weitere in Ohlsdorf nicht mehr genutzt, weil die Zahl der Beisetzungen drastisch zurückgegangen ist.
Gut möglich, dass in Kapelle 6 bald Kinder einziehen. „Der Friedhof sucht neue Nutzungen für Kapellen als Tagungsräume sowie für Kunst und Kultur. Und wir prüfen derzeit, ob in Kapelle 6 eine Kita einziehen kann“, sagt Friedhofssprecher Lutz Rehkopf. „Es hat bereits erste Gespräche mit Bezirksamtsleiter Harald Rösler gegeben.“
Rösler: Kein Kommerz in den Kapellen
Es geht ums Überleben. Weil aufgrund rückläufiger Sterbefälle und immer weniger Sargbestattungen auf dem knapp 400 Hektar großen Friedhof riesige Flächen zukünftig anders genutzt werden müssen, arbeiten die Verantwortlichen mit Hochdruck und unter Beteiligung von Experten und Bürgern an neuen Lösungen.
Kommentar: Trauernde Menschen brauchen keine traurigen Orte
„Es liegt auf der Hand, sich über die Zukunft dieser wunderbaren 140 Jahre alten Anlage Gedanken zu machen“, sagt Harald Rösler (SPD). Aus seiner Sicht sei es aber nicht vorstellbar, Kapellen kommerziell zu nutzen oder den Friedhof kleiner zu machen „und auf so abgetrennten Flächen etwa Wohnungsbau zu betreiben“. Wolle man die Weitläufigkeit des Friedhofs und seine denkmalgeschützten Kapellen erhalten, müsse man neue Nutzungsmöglichkeiten finden, die nicht die Würde des Ortes verletzen.
„Ich habe deshalb angeregt, darüber nachzudenken, ob man eine Kapelle zur Kita umnutzen könnte“, sagt Rösler. Es gebe einen großen Bedarf an Kitaplätzen. „Ich kann mir eine solche Nachbarschaft in diesem Parkfriedhofsgelände durchaus vorstellen. Der Tod gehört zum Leben und er sollte kein Tabu sein.“ Aber selbstverständlich müssten alle Kita-Nutzer, auch die Eltern, zu angemessen respektvollem Verhalten angehalten werden.
Konzerte und Lesungen in Kapelle 3?
In Kapelle 3 ist eine neue Nutzung bereits realisiert worden. Hier kann man zur Ruhe kommen, still werden und den Klängen nachspüren. Dieser Raum, so wird es am Eingang beschrieben, „animiert uns, mit uns selbst ins Gespräch zu kommen und über Ereignisse und Menschen nachzudenken“. Wo bisher Trauerfeiern stattgefunden haben, erklingen nun Töne. In der denkmalgeschützten Kapelle 3 auf dem Friedhof Ohlsdorf ist die langsame Verwandlung des weltweit größten Parkfriedhofs mit allen Sinnen zu erleben.
„Die wunderschöne Klanginstallation ist ein gelungenes Beispiel für eine mögliche neue Nutzung und zur Erhaltung dieses denkmalgeschützten Gebäudes“, sagt Friedhofssprecher Rehkopf. „Raumfarbe“ nennt sich das musikalische Werk des österreichischen Komponisten und Klangkünstlers Sam Auinger. Es ist, wenn man so will, der melodische Anfangs-Akkord für diesen ehemaligen Trauerort, der aufgrund mangelnder Nachfrage schon länger leer steht und in Zukunft als Kultur-Kapelle zu neuem Leben erweckt werden könnte. „Hier könnte es zukünftig kleine Konzerte, Lesungen oder auch Ausstellungen geben“, sagt Rehkopf.
Kapelle 1 wird zum Seminarraum
Konkrete Pläne gibt es auch für Kapelle 1, die ebenfalls schon länger nicht mehr für Trauerfeiern genutzt wird. „Diese Kapelle mit ihrer fußläufigen Anbindung an das Bestattungsforum wollen wir künftig als Seminarraum anbieten“, sagt Rehkopf. Derzeit gibt es hier noch eine Ausstellung der Umweltbehörde über die prächtige Vogelwelt auf dem Ohlsdorfer Friedhof. Nach der Umgestaltung mit einem Durchbruch zu dem lichtdurchfluteten Innenhof sollen hier bald Konferenzen und Tagungen stattfinden.
Aber nicht nur die Kapellen werden umgestaltet und neu genutzt. Im Rahmen des Projekts „Ohlsdorf 2050“, das vom Bundesumweltministerium mit zwei Millionen und von Hamburg mit einer weiteren Million Euro unterstützt wird, werden bisherige Grabflächen zu Naturwiesenhainen umgestaltet. „Auch hier haben wir Anregungen aus der Bürgerbeteiligung aufgegriffen und werden jetzt eine erste Referenzfläche für solch eine künftige Friedhofsnutzung als Grabanlage mit Naturbezug umgestalten“, sagt Rehkopf.
Aus der Grabfläche wird ein Naturwiesenhain
Diese Fläche misst rund 500 Quadratmeter, sie liegt an der Sorbusallee und hat nur noch wenige vereinzelte Gräber und große Lücken sowie zahlreiche vermooste Flächen. „Hier gibt es keine Strukturen mehr, und es ist sehr dunkel, weil die Lebensbäume viel Licht wegnehmen“, sagt Rehkopf.
#Nach den Plänen eines Landschaftsarchitekten wird diese Fläche jetzt überplant. „Es sollen kleine Inseln entstehen mit bunten Gräsern, eine naturnahe Grabfläche für Urnenbeisetzungen“, so Rehkopf, der betont, das zuvor natürlich mit den verbliebenen Grabbesitzern gesprochen werde.
Nach der Umgestaltung, die bereits im Sommer beginnen wird, werde sich zeigen, ob die Menschen dieses neue Angebot annehmen.