Hamburg. Welche Rechte und Pflichten gelten? Was droht bei einer Unterschlagung? Die wichtigsten Antworten nach dem Bargeld-Fund im Bus.
Ein Beutel mit 20.000 Euro, eine ehrliche Finderin – und ein seltsam anmutendes Gesetz: Sophie Dorison fühlt sich „ein bisschen wie die Dumme“, nachdem sie einen riesigen Barbetrag in einem HVV-Bus in Eppendorf fand und bei der Polizei abgab (wir berichteten). Der 45-Jährigen stehen weniger Rechte und weniger Finderlohn zu, als sie dachte. Vom Besitzer des Geldes fehlt jede Spur. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.
Wo werden Fundstücke gesammelt?
Im Zentralen Fundbüro der Stadt in Bahrenfeld. Jährlich landen dort bis zu 50.000 Fundstücke aus Bussen, Bahnen, Geschäften, Sportanlagen und dem gesamten öffentlichen Raum – am häufigsten Kleidung, nur sehr selten größere Geldbeträge. Auch die 20.000 Euro aus dem Bus in Eppendorf werden dort verwahrt. Verkehrsunternehmen, Einzelhändler und die Polizei leiten die Gegenstände an das Büro weiter, Finder können sie direkt dort abgeben. Die Post und der Flughafen betreiben eigene Fundbüros.
Was passiert, wenn sich die Eigentümer der Fundstücke nicht melden?
Zunächst werden die Fundstücke sechs Monate aufbewahrt, die Frist ist im Gesetz geregelt. Dann erhält der Finder einen rechtlichen Anspruch: Er darf die Herausgabe des Gegenstands oder Geldes verlangen. „Ein Finder kann dies bereits vermerken, wenn er den Fund abgibt“, sagt Otmar Kury, Präsident der Hamburger Anwaltskammer. Rechtsanwälte raten Findern, sich eine Abgabebestätigung geben zu lassen.
Meldet sich der eigentliche Eigentümer des Fundstücks erst nach der Frist von sechs Monaten, hat er weiterhin Anspruch auf seinen Besitz – erst drei Jahre nach dem Verlust geht der Besitz endgültig auf den Finder über. Verzichtet der Finder, werden Gegenstände versteigert. Geldbeträge gehen in diesem Fall an die Kasse der Stadt.
Wie viel Finderlohn gibt es?
Bei einem Wert des Fundstücks von bis zu 500 Euro beträgt der Finderlohn laut Gesetz fünf Prozent. Ist eine Fundsache mehr wert, bekommt man für den übrigen Teil noch drei Prozent. Der Eigentümer muss den Betrag an den Finder auszahlen. Hat sich kein Besitzer gemeldet, wird der Finderlohn vom Versteigerungserlös oder dem gefundenen Geldbetrag abgezogen und meist nach den sechs Monaten ausbezahlt – in jedem Fall ohne Abzüge, der Finderlohn ist steuerfrei. Sind dem Finder weitere Kosten entstanden, müssen auch diese nach dem Gesetz erstattet werden.
Was besagt die Sonderregel für Funde in Bussen und Bahnen?
Bei Funden in Behörden und im öffentlichen Nahverkehr erhält der Finder keinen Anspruch auf die Fundsache, wenn der Eigentümer sich nicht meldet – dies gilt auch für Sophie Dorison und die 20.000 Euro in bar. Der Anspruch auf Finderlohn wird außerdem halbiert, auf 1,5 Prozent – bei Funden mit einem Wert unter 50 Euro gibt es hier überhaupt keinen Finderlohn. Das Fundrecht entstammt wie das gesamte Bürgerliche Gesetzbuch dem späten 19. Jahrhundert. „Es ist zu vermuten, dass der Paragraf fiskalische Gründe hat“, sagt der Kammerpräsident Otmar Kury. „Der Gesetzgeber wollte von den massenhaften Verlusten in Verkehrsanstalten profitieren und verhindern, dass etwa in Zügen gezielt auf die Suche nach verlorenen Gegenständen gegangen wird, um sich zu bereichern“, sagt Kury.
Der Erlös der Fundstücke kann nach dem Gesetz auch an eine „von einer Privatperson geführte“ Verkehrsanstalt gehen, wenn sich der Eigentümer nicht meldet. Im aktuellen Fall von Eppendorf wird das Geld nach der Prüfung der Juristen im zuständigen Bezirksamt Altona an die Stadt, nicht an die Hochbahn oder den HVV gehen.
Darf man Fundstücke aus dem öffentlichen Raum auch einfach behalten?
Nur bei sehr kleinen Funden. Ab einem Wert von 10 Euro besteht eine gesetzliche Meldepflicht des Finders. Liegt der Wert darunter, darf der Finder den Gegenstand oder das Geld zunächst behalten. Er bleibt aber trotzdem zur Herausgabe des Fundstücks verpflichtet, wenn der Eigentümer seinen Namen erfährt. Ein wertvolles Fundstück bewusst nicht zu melden ist strafbar: Dies wird als Unterschlagung verfolgt, für die nach dem Strafgesetzbuch eine Geldstrafe und maximal fünf Jahre Gefängnis drohen. „In der Regel würde ein Gericht eine Fundunterschlagung nicht als ausreichend schweren Fall für eine Gefängnisstrafe ansehen“, sagt Otmar Kury. „Je nach den Umständen muss man aber sowohl mit einer Geldstrafe als auch Bewährungsstrafe rechnen.“ Alle Ansprüche auf Finderlohn erlischen, wenn ein Fund nicht gemeldet wird.