Hamburg. 45-Jährige entdeckt Beutel in der Linie 34. Wenn sich niemand meldet, greift eine Sonderregel – zum Leidwesen der ehrlichen Finderin.

Spektakulärer Fund in einem HVV-Schnellbus: Die 45-jährige Sophie Dorison hat, wie jetzt bekannt wurde, in der Linie 34 in Eppendorf einen Beutel entdeckt – mit 20.000 Euro in bar. Die Finderin brachte das Geld zur Polizei – doch von dem Besitzer oder der Eigentümerin des Geldes fehlt jede Spur. Die Summe könnte bald an die Stadt gehen, so jedenfalls ist die Rechtslage.

Die Finderin bemerkte eine bunte Plastiktüte am Vormittag des 2. August kurz hinter der Station Eppendorfer Marktplatz. „Darin war ein dunkler Beutel mit säuberlich gerollten Scheinen, wie ein Geschenk“, sagte Sophie Dorison dem Abendblatt. Sie zählte die Summe nicht, ging von einigen Tausend Euro aus. „Wer behauptet, er würde nicht überlegen, das Geld zu behalten, lügt“, sagt sie. „Doch ich dachte mir: Das ist nicht meins, damit werde ich niemals glücklich.“

Polizei schließt Straftat aus

Die Polizei gab das Geld an das Zentrale Fundbüro in Bahrenfeld. Woher es stammen könnte, wurde von den Beamten nicht überprüft. „Es gab aus der Art des Funds keine Hinweise darauf, dass eine Straftat mit dem Geld in Verbindung stehen könnte“, sagt die Polizeisprecherin. Sophie Dorison erinnert sich, dass eine Frau mittleren Alters an jenem Dienstag zunächst neben ihr im Bus saß und dann ausstieg. Sie könnte das Geld dort vergessen haben.

Bis Donnerstagnachmittag meldete sich beim Fundbüro niemand als Besitzer. Werden Fundstücke nicht innerhalb von sechs Monaten abgeholt, gehen sie in den Besitz des Finders über, sofern dieser seinen Namen hinterlassen hat. Für Funde im öffentlichen Nahverkehr gilt ein spezieller Gesetzesparagraf: Demnach fällt das Geld nach der Frist dem städtischen Vermögen zu. Die Sonderregelung gilt für Behörden und Verkehrsbetriebe.

Sophie Dorison steht wegen des Gesetzes auch nur die Hälfte des sonstigen Finderlohns zu, etwa 300 Euro. Bis sie das Geld tatsächlich erhalten würde, könnte möglicherweise eine Frist von bis zu drei Jahren vergehen. „Dies ist ein sehr außergewöhnlicher Fall“, heißt es aus dem zuständigen Bezirksamt Altona. Sophie Dorison sagt: „Vielleicht hätte ich einfach behaupten sollen, dass das Geld auf der Straße lag.“

Finderin hielt Fund für ein Geschenk

Hinten im Bus war es nur ein kurzer Blick, vom Fenster hinüber auf den Platz neben ihr – da entdeckte sie eine bunte Plastiktüte. Darin ein weißes Blatt Papier ohne Aufschrift und ein dunkler Beutel, etwas geöffnet, voll mit aufgerollten 500-Euro-Scheinen. „Das ist im ersten Moment wie ein Film“, sagt Sophie Dorison.

Ihr Fund ist für die 45-Jährige noch immer aufregend. Sie dachte zunächst, das Geld würde bald vermisst werden. „Bis zum Eppendorfer Marktplatz saß eine Dame neben mir, fein gekleidet, mittleren Alters. Vielleicht war es ihr Geld“, sagt Dorison.

Doch die Frau meldete sich bislang nicht, auch niemand anderes, dem die große Barsumme gehören könnte. „Die ganze Verpackung sah aus, als wäre das als großes Geschenk für jemanden gedacht.“ Auch deshalb war für Sophie Dorison schnell klar, dass sie das Geld zur Polizei bringen sollte, „damit ich niemanden sehr traurig mache“.

"Gefühl, ein bisschen die Dumme zu sein"

Die Finderin dachte allerdings auch, dass sie für ihre Ehrlichkeit zumindest den regulären gesetzlichen Finderlohn von drei Prozent erhalten würde, in diesem Fall 600 Euro. Ein Irrtum. Der Paragraf 978 des Bürgerlichen Gesetzesbuchs (BGB) gibt bei Funden in Behörden und dem öffentlichen Nahverkehr besondere Regeln vor: Die Finder bekommen nur 1,5 Prozent Finderlohn und haben keinen Anspruch auf Geld oder Wert­sachen, wenn sich der eigentliche Eigentümer nicht meldet.

Bis Sophie Dorison davon erfuhr, tingelte sie einige Tage durch Informations- und Beschwerdestellen. „Ich habe das Gefühl, als ehrliche Finderin auch ein bisschen die Dumme zu sein“, sagt die 45-Jährige. Juristen der Hochbahn und des zuständigen Bezirksamts Altona mussten sich selbst erst durch den Gesetzestext kämpfen: „Das BGB stammt bekanntlich aus dem 19. Jahrhundert. Den genauen Grund für diesen speziellen Paragrafen kennen auch wir nicht“, sagt ein Sprecher. Klar ist inzwischen nur, dass das Geld nach sechs Monaten Frist an die Stadt gehen würde.

Ob Dorison dann ihren Finderlohn erhalten würde, ist unklar. Das Fundrecht sieht dafür teilweise auch Dreijahresfristen vor. Sophie Dorison hofft, dass sich der oder die Eigentümerin bald meldet, „ich wünsche es ihm oder ihr von Herzen, dass sie oder er ihr eigenes Geld zurückerhält.“ Ansonsten, sagt sie, bliebe bei ihrem Megafund ein Beigeschmack: „Ich könnte mich sonst auch nicht sehr über einen Finderlohn freuen – egal, wie hoch er genau ist.“