Hamburg. Heute vor 30 Jahren wurde der junge Türke von Skinheads ermordet. Schwere Vorwürfe gegen die verantwortliche Politik.

Zusammen mit seinem Bruder und einem Freund wartet der gerade 26 Jahre alt gewordene Ramazan Avci nahe der S-Bahn-Station Landwehr auf den Bus, als plötzlich eine Horde Skinheads über die Gruppe herfällt. Seine Begleiter können entkommen, Avci selbst wird beim Überqueren der Straße von einem Auto erfasst und danach von den Neonazis so übel mit Knüppeln und Tritten zugerichtet, dass er drei Tage später, Heiligabend 1985, seinen Verletzungen erliegt. Wenige Tage später bringt Avcis Verlobte Güllistan seinen Sohn zur Welt – und nennt ihn nach dem Vater, den der kleine Ramazan nun nicht mehr kennenlernen wird.

Die barbarische Tat, die damals tagelang die ganze Republik beschäftigte, jährt sich am heutigen 21. Dezember zum 30. Mal. Auch in diesem Jahr soll es ein stilles Gedenken geben – am heutigen Montag, um 18 Uhr nahe dem Tatort, auf dem vor drei Jahren nach dem ermordeten jungen Türken benannten Ramazan-Avci-Platz.

Die Behörden haben damals kein politisches Motiv erkennen wollen

Die Initiative zum Gedenken an Ramazan Avci erhebt dabei im Vorwege schwere Vorwürfe gegen die verantwortliche Politik. „Obwohl die Mörder von Ramazan Avci aus dem Umfeld der neonazistischen FAP stammten, wurde offiziell kein politisches Motiv gesehen“, heißt es in ihrer Erklärung. „Die Verharmlosung solcher Verbrechen durch Politik, Medien und die Justiz hat diesen Gruppen den Rücken gestärkt und diese zu neuen Verbrechen ermuntert. Ohne diese Verharmlosung und Verstrickung staatlicher Institutionen wären die Verbrechen des NSU kaum denkbar.“ Damals wurden vier der Täter wegen Totschlags zu Strafen von drei bis zehn Jahren Haft verurteilt.

In Hamburg gründete sich als Reaktion auf den rassistisch motivierten Mord das „Bündnis türkischer Einwanderer“, das sich später in „Türkische Gemeinde Hamburg und Umgebung“ umbenannte. Für deren heutige Vorsitzende, die mittlerweile parteilose Bürgerschaftsabgeordnete Nebahat Güçlü, ist „Gewalt aus fremdenfeindlichen Motiven leider kein Phänomen der Vergangenheit“.

Die Mordserie des NSU und der Umgang der deutschen Behörden mit der Verbrechensserie habe gezeigt, „dass die Gefahr von rassistisch motivierter Gewalt unterschätzt und verharmlost wurde“, sagte Güçlü. „Die für 2015 dramatisch gestiegene Anzahl von Übergriffen und Brandanschlägen auf Asylbewerberunterkünfte und anderer rechtsmotivierter Taten sollte uns alarmieren. Das Potenzial, aus fremdenfeindlichen Gründen gewalttätig zu werden, ist in unserer Gesellschaft erschreckend hoch“, so Güçlü. Es müssten dringend geeignete Maßnahmen seitens der Politik und der Gesellschaft ergriffen werden, um „dieses Potenzial präventiv und effektiv zu bekämpfen“.