Harburg. Initiative recherchiert Schicksale weiterer Nazi-Opfer. Der Kölner Künstler Günter Demnig kommt am Sonnabend in den Bezirk Harburg.
Die beim evangelisch-lutherischen Kirchenkreis Hamburg-Ost angesiedelte „Initiative Gedenken in Harburg“ hat - zum Teil mit Unterstützung von Schulklassen - weitere Schicksale von Menschen recherchiert, die zur Zeit des Nationalsozialismus in Harburg lebten, in Konzentrationslager deportiert und ermordet wurden. Insgesamt sind bereits 175 Biografien erstellt und entsprechend viele Stolpersteine von dem Kölner Aktionskünstler Gunter Demnig auf Gehwegen im Bezirk Harburg verlegt worden.
Kommenden Sonnabend, 28. November, wird Demnig wieder in Harburg erwartet. Die Initiative hat die Schicksale 18 weiterer Menschen ermittelt und aufgeschrieben. Entsprechend wird Demnig auch 18 weitere Stolpersteine verlegen. Das wird für ihn eine Rekordarbeit. Mehr Stolpersteine hat Demnig in Harburg zuvor noch nie einbauen müssen. Die Stolpersteine aus Bronzeguss tragen die Namen und Daten der Naziopfer.
Demnig startet am Sonnabend gegen 9 Uhr am Falkenbergsweg 62. Dort, wo sich ein Außenlager des KZ Neuengamme befand, setzt er vier Stolpersteine. Zwei Steine erinnern an Anna und Erika Dawidowicz, zwei weitere Steine an Alice Weilová und Lili Wertheimer.
Danach wird er voraussichtlich gegen 10 Uhr an der Bremer Straße 103a drei Stolpersteine für die Familie Chaja Ester Schulz, Meier Schulz und Nathan Naftalie Schulz im Erdboden verankern. Etwa 20 Minuten später wird er an der Brunsstraße 10 erwartet, wo Charlotte und Leopold Stempel ein Andenken erhalten. Gegen 10.40 Uhr dürfte Demnig an der Harburger Rathausstraße 27 eintreffen und einen Stolperstein setzen, der den Namen von Minna Bachrach trägt.
Weitere Stationen, für die eine annähernd genaue Zeitvorhersage nicht mehr möglich ist, sind an Lüneburger Straße 21, 46 und 48, Kalischer Straße 20, Schloßmühlendamm 16, Hölertwiete 8 und an der Kalischer Straße 20.
Alle Gedenksteine beginnen mit der Zeile: „Hier wohnte...“. Gunter Demnig hatte seine Stolperstein-Aktion 1997 gestartet. Kritiker hatten ihm anfangs vorgeworfen, dass damit die zu ehrenden Opfer mit Füßen getreten werden. Aber nach den Worten von Klaus Möller von der Initiative Gedenken in Harburg ist daraus europaweit gewissermaßen ein begehbares Denkmal entstanden, dessen weitere Entwicklung von vielen Menschen unterstützt werde.
Mehr als 50.000 Stolpersteine sind inzwischen bereits über Europa verteilt, davon etwa 4600 in Hamburg. Für die Stolpersteine gibt es keine öffentliche Förderung, dahinter steckt ausschließlich das Engagement der Bürger. Ein Stolperstein kostet 120 Euro. Gunter Demnig ist für seine Arbeit bereits mehrfach geehrt worden. Unter anderem wurde er mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet worden. Seine Botschaft lautet: „Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen wird.“
Dieses Mal stellt die Initiative Gedenken in Harburg, so Klaus Möller – beispielhaft für die weiteren Opfer der Nazi-Diktatur – das Schicksal von Hertha Künstlinger in den Blickpunkt. Sie war am 26. Dezember1891 als Tochter des jüdischen Kaufmanns Paul Buchard und seiner Frau Frieda in Harburg geborenworden.
Die Familie lebte an der Hölertwiete 8. Hertha Künstlingers Mutter gehörte einer alteingesessenen Harburger Familie an, deren Gräber sich auf dem Jüdischen Friedhof auf dem Harburger Schwarzenberg befinden.
Hertha Künstlinger war nach Berlin gezogen, hatte geheiratet und eine Tochter bekommen. Wegen zunehmender nationalsozialistischer Judenverfolgung flüchtete die Tochter ins Ausland. Hertha Künstlinger blieb in Berlin und wurde am 9. Dezember 1942 zusammen mit 1059 anderen Berliner Jüdinnen und Juden in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert.
Die weitere Recherche der Initiative Gedenken in Harburg ergab, dass 162 Neuankömmlinge zum Arbeitseinsatz ins Lager geführt wurden, die anderen 898 Männer, Frauen und Kinder wurden in die Gaskammern getrieben. Klaus Möller: „Hertha Künstlinger gehört zu den Menschen, die den Holocaust nicht überlebten.“
An der Kalischer Straße wird der Familie Deborah, Isacher und Manfred Berger gedacht, an der Lüneburger Straße 21, 46 und 48 Leopold Meier, Erna Perls und Selma Cain und am Schloßmühlendamm 16 Hedwig Mamsohn.
Am Mittwoch, 27. Januar, 10 Uhr, wird mit einer Gedenk- und Informationsveranstaltung in der Stadtteilschule Fischbek/Falkenberg, Heidrand 5, der Opfer gedacht. Am Falkenbergsweg 62 sollen die vier Stolpersteine, beispielhaft genannt Alice Weilová,, stellvertretend für alle 18 neuen Stolpersteine, feierlich eingeweiht werden.