Fuhlsbüttel. Am Flughafen Fuhlsbüttel fiel die automatische Kofferbeförderung aus – viele Reisetaschen sind noch immer in Hamburg.
Mit „schlechtem Timing“ wäre die Situation am Sonnabendmorgen auf dem Hamburger Flughafen unzureichend umschrieben – „schlimmer geht’s nimmer“ trifft es besser. Pünktlich zum Beginn der Sommerferien, zur ersten großen Reisewelle also, versank der Airport zeitweise im Chaos. Diesmal trug weder ein Streik der Piloten, der Flugbegleiter oder des Sicherheitspersonals die Schuld an der Misere. Diesmal war es ein Softwarefehler, der Hunderten Reisenden den Abflug vermasselte.
Gegen 5.30 Uhr versagte die kilometerlange Gepäckanlage ihren Dienst, ein Softwarefehler hatte sie lahmgelegt. „Sie fiel für rund 90 Minuten aus“, sagte Flughafensprecherin Katja Bromm dem Abendblatt. Nachdem die Software neu aufgesetzt worden sei, habe aber alles wieder tadellos funktioniert, so Bromm weiter.
Durch den Ausfall des Gepäcksystems blieben rund 500 Koffer von Reisenden liegen, vor den Schaltern stauten sich Hunderte Fluggäste. Besonders hart erwischte es die Passagiere einer Germanwings-Maschine nach Stockholm. Nur 58 Gepäckstücke der 130 Fluggäste flogen mit nach Schweden. Dass Unheil drohte, erfuhren die Passagiere bereits beim Boarding. „Schön, dass sie es geschafft haben“, sagte eine Flugbegleiterin. „Aber ihr Gepäck wird es nicht schaffen.“ Ein stressfreier Start in die schönsten Wochen des Jahres sieht anders aus.
Von dem Ausfall der Anlage waren mehrere Fluggesellschaften betroffen. Mitarbeiter der Bodenabfertigung in Hamburg versuchten noch, das Gepäck von Hand einzuladen, bekamen aber längst nicht alle Koffer rechtzeitig in die Maschinen. Die liegen gebliebenen, digital erfassten Gepäckstücke seien automatisch auf die nachfolgenden Flugzeuge zu den jeweiligen Reisezielen gebucht worden, so Bromm. Das funktioniert in der Regel auch. Jedoch seien einige der beispielsweise am Sonntag gestarteten Flugzeuge derart beladen gewesen, dass keine oder nur wenige Gepäckstücke der vom Systemausfall am Sonnabend betroffenen Reisenden mitfliegen konnten, schilderte eine Betroffene dem Abendblatt.
Welche immensen, direkten Rückkoppelungen ein Defekt im vollautomatischen Getriebe eines Flughafens haben kann, zeigte sich kurz nach der Ankunft der Germanwings-Maschine in Stockholm, als die Passagiere den Schalter des Gepäckservices stürmten – die Mitarbeiter waren davon ebenso überrascht wie überfordert. „Denen hätte der Hamburger Flughafen mal Bescheid sagen sollen, was da auf sie zukommt“, sagte ein Reisender dem Abendblatt. Dabei war die Situation für die Passagiere, die im Flug nach Stockholm saßen, ganz besonders heikel: Viele mussten dort auf Kreuzfahrt-Schiffe umsteigen und konnten deshalb nicht lange auf ihr Gepäck warten.
Mitarbeiter der Lost & Found-Schalter der Fluggesellschaften in Hamburg konnten sich vor Anfragen betroffener Passagiere kaum retten. Viele Fluggäste waren in den Urlaubsgebieten gestrandet – nur mit der Kleidung am eigenen Leib und ohne zu wissen, wann und überhaupt ob sie ihr Gepäck erhalten. Beim Abendblatt meldete sich eine Urlauberin, die mit ihrer Familie nach Nizza geflogen ist. „Von sechs unserer sieben Koffer herrscht völlige Unklarheit, wo sie sich befinden“, sagt sie. „Einer könnte möglicherweise am Sonntag in Hamburg gesichtet worden sein, das wollte dann aber auch keiner überprüfen.“ Viel Hoffnung habe das für sie zuständige Lost & Found-Büro ihr jedenfalls nicht machen können. „Es kann noch Tage dauern, bis das Chaos gelichtet ist“, habe sie von einer Mitarbeiterin erfahren. Nun habe man sich in Frankreich mit der Situation arrangiert. „Wir haben hier eine Nacktkommune eröffnet, was anderes bleibt uns nicht übrig“, kommentierte die Urlauberin die Situation sarkastisch und weiter: „Wetten laufen, wann und ob wir Koffer bekommen. Und wenn ja, wer von uns.“
Der Fehler liegt beim Flughafen, aber verantwortlich sind die Fluglinien
Verantwortlich für den Transport liegen gebliebener Gepäckstücke zu den Reisezielen sind die Fluggesellschaften. In der Regel finde sich in den folgenden Maschinen immer ein Platz dafür, erklärt Matthias Burckhard, Sprecher von Germanwings. „Wir bemühen uns nach Kräften um eine schnelle Zustellung.“ Sollte das Gepäck länger auf sich warten lassen, hätten die Betroffenen das Recht, sich mit „Sachen des täglichen Bedarfs“ auf Kosten von Germanwings einzudecken – solange, bis ihre Koffer eingetroffen sind. „Das können Hygieneartikel sein oder Kleidungsstücke, sofern es im Rahmen bleibt. Designer-Kleidung fällt beispielsweise nicht darunter.“ Die Ausgaben können bei der Airline eingereicht werden und würden zurückerstattet.
Erst vor zwei Wochen blieben durch einen 150-minütigen Ausfall der Gepäckanlage am Düsseldorfer Flughafen rund 1000 Koffer liegen. In Hamburg kam die Panne nun zur Unzeit, sagt Flughafensprecherin Bromm. „Der Zeitpunkt für einen Ausfall der Gepäckanlage ist nie gut, aber er könnte kaum schlechter sein als zu Ferienbeginn“, so Bromm. „Wir können uns bei allen Betroffenen nur entschuldigen.“