Lübeck. Der chinesische Investor versucht, die Pacht für den Flughafen zu drücken. Die Zweifel an seiner Seriosität wachsen.
Vor gerade einmal einem Jahr war in Lübeck die Erleichterung groß. Der Flughafen Blankensee, das Lieblingskind der Stadtoberen, war gerettet – wieder einmal. Dem in die Pleite geschlitterten und geflüchteten ägyptischen Investor Mohamad Radyamar folgte der chinesische Investor Yongqiang Chen. Der versprach genau wie sein Vorgänger, neue Fluglinien nach Blankensee zu holen. Doch daraus wurde nichts. Jetzt versucht er stattdessen, auch in diesem Punkt seinem Vorgänger gleichend, die Pacht für das stadteigene Flughafengelände zu drücken. „Es gibt Gespräche darüber, ob mögliche Brandschutzmaßnahmen der Pacht gegengerechnet werden“, bestätigt Nicole Dorel, Pressesprecherin der Stadt Lübeck. Nach Informationen von Andreas Zander, CDU-Fraktionschef in der Lübecker Bürgerschaft, gehen die Pachtzahlungen in Höhe von jährlich rund 400.000 Euro derzeit nur noch „zum Teil“ ein.
In der Politik ist man alarmiert. Viele fühlen sich an das Frühjahr 2014 erinnert. Damals hatte Radyamar, nachdem er über Monate hinweg die Pachtzahlungen schuldig geblieben war, die Flughafenbetriebsgesellschaft an einen betrügerischen „Firmenbestatter“ verkauft. Nur das schnelle Eingreifen eines Notgeschäftsführers verhinderte, dass die Radyamar-Firma ausgeschlachtet wurde. So etwas möchte man nicht noch einmal erleben. „Die Stadt muss Härte zeigen, eine Reduzierung der Pacht können wir uns nicht gefallen lassen“, sagt Thorsten Fürter, Fraktionsvorsitzender der Grünen. Er weiß: „Wenn Zahlungen runtergeschraubt werden, könnte das an finanziellen Probleme liegen.“ Peter Steppe, der Chef der Flughafenbetriebsfirma Puren Germany, versucht nicht, den Streit um die Pacht zu dementieren. „Sollte es einen Dissens zwischen der Hansestadt Lübeck und Puren Germany geben, werden wir dies in hanseatischer Manier zwischen den Vertragsparteien lösen“, lässt er mitteilen.
Ob man in China, der Heimat von Yongqiang Chens „Puren Group“, diese „hanseatische Manier“ überhaupt kennt, wird in Lübeck zunehmend bezweifelt. Journalisten der „Zeit“ und des NDR-Fernsehmagazins „Panorama 3“ haben die bislang bekannten Angaben zu Chen und seinem Unternehmen überprüft und einige Widersprüche festgestellt. So ist offenbar die anfängliche Behauptung falsch, die Puren Group betreibe in China Krankenhäuser. Die einzige Geschäftsaktivität des Unternehmens ist ein Fernsehsender, als Firmensitz ist im Handelsregister die Adresse einer Wohnung angegeben, in der auch andere Unternehmen residieren. Recht ungewöhnlich für ein Unternehmen, das nach eigenen Angaben über ein Kapital von 600 Millionen Euro verfügt.
Drei Puren-Videos, die über die chinesische Youtube-Variante „Youku“ abrufbar sind, sind ebenfalls nicht geeignet, Zweifel an der Seriosität zu zerstreuen. Eines zeigt den lächelnden Investor Chen und seine zahlreichen Begleiter beim Antrittsbesuch auf dem Flughafen, untermalt von Musik der englischen Indie-Band „Antony and the Johnsons“. Ein weiteres Werk zeigt den Flughafen mit Hilfe geschickter Schnitte so, wie er seit Jahren nicht mehr ist: Startende und landende Flugzeuge, eine volle Abflughalle, Hochbetrieb im Tower. Am Ende rückt die Flughafenfeuerwehr mit ihren beeindruckenden Fahrzeugen aus.
Werbung darf vieles, aber dieses Video ist hart an der Fälschung. 2014 hat der Flughafen Blankensee einen dramatischen Einbruch bei den Passagierzahlen erlitten: Von rund 160.000 im Jahr 2013 ging es hinunter auf 84.000 in 2014. Die Bilanz für dieses Jahr dürfte noch schlechter aussehen. Der Billigflieger Ryanair hat sich schon im vergangenen Jahr verabschiedet. Das britische Unternehmen hatte durchaus attraktive Flugziele angeboten: Mallorca, Pisa und Bergamo. Seit dem Rückzug sind von Blankensee aus weder Italien noch Spanien erreichbar. Nur noch die ungarische Fluggesellschaft Wizz Air nutzt den Airport. Die Ziele liegen allesamt in Osteuropa. Mit der Ukraine ist sogar eine Krisenregion dabei. Sollte sich der Niedergang bei den Passagierzahlen fortsetzen, dürfte Blankensee bald nicht mehr der größte Verkehrsflughafen Schleswig-Holsteins sein. Sylt/Westerland (76.000 Passagieren im vergangenen Jahr) steht kurz vor der „Überflügelung“.
Diese Zahlen sind gewiss nicht dazu geeignet, die Geschäftsinteressen von Yongqiang Chen zu fördern. In einem weiteren Video vom Februar sieht man ihn, wie er gemeinsam mit dem Lübecker Wirtschaftssenator Sven Schindlers und dem damaligen Flughafengeschäftsführer Markus Matthießen einen Countdown herunterzählt – pathetischer Start für Chens neuestes Projekt, die „Puren International Flight Academy“. In Blankensee sollen Chinesen das Fliegen lernen, die Ausbildung soll offenbar drei Jahre dauern. Nur: Eine Genehmigung für eine solche Flugschule hat Chen noch nicht.
Markus Matthießen findet das nicht weiter verwunderlich. „In China werden Ankündigungen ein bisschen forscher gemacht“, sagt er. Fast ein Jahr lang hat er als Geschäftsführer für Chen gearbeitet, Ende Mai hörte er auf. Chen brauchte einen Deutschen, um den Flughafen weiterbetreiben zu können. „Ich war von vornherein als Übergangsgeschäftsführer gedacht“, sagt Matthießen. Gesagt hat er das bei seinem Einstieg im Jahr 2014 nicht.
Lübecker Politiker wollen nun nachfragen. Am 14. Juli tagt der Hauptausschuss. „Da wollen wir vom Bürgermeister Bernd Saxe wissen, was mit den Pachtzahlungen ist“, sagt der CDU-Fraktionschef Andreas Zander. Vielleicht lässt sich ja verhindern, dass der Name der Lübecker Flughafenkneipe zum Oberbegriff für Lübecker Flughafeninvestoren wird: „Zum Bruchpilot“.