Vor einem Jahr eröffneten die Hamburger Vijay Sapre und Oliver Schubert das „Mercier und Camier“. Beide sind davon überzeugt, dass sie in der Zukunft noch mehr Gäste anlocken können.

Hamburg. Eine graue Schiefertafel lehnt am Eingang des Literaturhauses am Schwanenwik. Die Alster im Rücken, einige Treppenstufen nach oben gestiegen, liest der Besucher darauf: „Essen ist ein Bedürfnis, Genießen eine Kunst.“

Diese Worte sind das Entree zum Restaurant und Café, das seit einem Jahr Mercier und Camier heißt und von zwei Hamburgern gelenkt wird. Vijay Sapre ist Geschäftsführer, Oliver Schubert Betriebsleiter. Sapre, dessen Leidenschaft die Kulinarik ist, der als Pionier mobile.de erfand, erfolgreich machte und noch erfolgreicher verkaufte, gründete im Jahr 2008 „Effilee“, ein Magazin für Speisen und Reisen. Darüber lernte er Oliver Schubert kennen, als dieser sich bei ihm bewarb. Ein Spitzenkoch, der schreiben wollte. „Unser Edelpraktikant“, sagt Sapre mit einem Schmunzeln unter seinem schwarzen Bart. „Ich brauchte einen Einblick in einen neue Welt“, erklärt Schubert, der unter anderem im Le Canard kochte. Er bekam die Chance und lernte: „Sonst war ich in der Küche 16 Stunden auf den Beinen, dann habe ich gemerkt, dass man Nackenschmerzen vom Sitzen am Computer bekommt.“

Heute würden beide Fersengeld bekommen, denn für das, was sie in einem Jahr aus dem insolventen Literaturhauscafé gemacht haben, sind sie einige Kilometer durch das Haus gelaufen. Treppauf, treppab. Kräftezehrend. „Im Prinzip haben wir die ganze Zeit am offenen Herzen operiert, denn der Betrieb musste weitergehen“, sagt Sapre. „Und wir haben sehr, sehr viel verändert.“ Das geballte Fachwissen, gespickt mit Überzeugung, garniert mit Mut, brachten die beiden Männer mit, gemeinsam mit dem Team setzten sie ihre Vision um. Bedeutet: Fast nichts ist mehr wie zuvor.

Die Karte? Neu. „Unsere Küche ist qualitativ hochwertig und frisch, wir beziehen unsere Zutaten von Anbietern aus der Nähe“, sagt Schubert. Stolz ist er auf Küchenchef Ingolf Klinder, der zuvor in der Hanse Lounge kochte und Chefpatissier Mario Michaelis, der unter anderem in der nun geschlossenen Küchenwerkstatt arbeitete. „Unser Hamburger Menü, das es donnerstags bis sonntags am Abend gibt, besteht aus traditionellen hanseatischen Rezepten, die wir aber zeitgemäß interpretiert haben“, erklärt Sapre weiter. Somit sieht Labskaus auf Literarisch nicht mehr aus wie ein Gericht mit Ei drauf.

Die Zutaten sind alle fein angeordnet, die gepökelte Rinderbrust beispielsweise ist nicht durchgedreht, sondern in feinen Scheiben arrangiert, die Rote Bete gibt es in Form eines Macarons, gefüllt mit Kartoffelstampf. Ein Wachtelei rundet das Kunstwerk ab.

Auch beim Frühstück legen die Gastronomen ihr Hauptaugenmerk auf die regionale Qualität: Die Brötchen werden hausgebacken, der Aal im Garten selbst geräuchert, der Käse kommt aus dem traditionsreichen Käse-Keller Eppendorf, Wurst und Fleisch von einem Schlachter aus Billwerder, der „alles noch wie früher macht“, wie Sapre sagt. Klar, das koste mehr. „Deshalb liegt jetzt auch nur noch eine Scheibe auf dem Teller, aber die Gäste genießen diesen Geschmack.“

Sapre und Schubert wissen, dass Veränderungen erst von den Gästen angenommen werden müssen. „Da braucht es eine gewisse Geduld, Standfestigkeit und Zähigkeit“, sagt Sapre. Doch beide sind überzeugt, dass sie zukünftig noch mehr Gäste anlocken können. So veranstalten sie mit der Fachzeitschrift „Effilee“ zusammen viermal im Jahr (nächster Termin: 29. Oktober) Weinsoirees, sie haben die Weinkarte im Restaurant von sechs Weinen auf mehr als 30 erweitert.

Schuberts Vergangenheit als Koch in der Edelgastronomie und zwölf Jahre in Privathaushalten der Gesellschaft helfen auch: Kurzerhand entwarf Designer Peter Schmidt das Logo als Freundschaftsdienst, viele ehemalige Kunden kommen nun als Restaurantgäste in den Ballsaal oder die repräsentativen Räume im ersten Stockwerk.

Oben? Genau, hier findet das komplette Abendgeschäft statt, wenn unten Lesungen gehalten werden. Auch das ist neu. Ebenso, dass die Anzahl der Sitzplätze drastisch reduziert wurde. „Man konnte sich nicht in Ruhe unterhalten, da es sehr laut war und der Nebentisch viel zu nah“, sagt Schubert. „Der Hamburger gibt gerne Geld für Essen aus, aber er mag dabei nicht auf dem Präsentierteller sitzen“, sagt er. Diskretion, ein Thema, über das er lange sprechen könnte.

Ebenso über Zukunftspläne. Denn davon lagern ebenfalls noch eine Menge in der geistigen Vorratskammer der beiden Gastronomen vom Schwanenwik.