St. Pauli. Über die Betreiber des Lido gibt es wieder Beschwerden. Eine Tänzerin bestellte Champagner, die Gäste mussten 308 Euro bezahlen.

Für Fairness und Ehrlichkeit soll der Kiez stehen, und entsprechend sollen die Besucher behandelt werden. So hatte es sich das Bezirksamt Mitte vor gut zwei Jahren vorgestellt und dafür mit Schließungen mehrerer Tabledance-Bars und strengen neuen Auflagen hart durchgegriffen. Doch jetzt beklagen entsetzte Gäste schon wieder Abzock-Methoden. Wie Sprecherin Sorina Weiland bestätigt, liegen dem Bezirksamt seit einiger Zeit wieder Beschwerden über das Lido vor, einer Tabledance-Bar an der Reeperbahn.

Dass es ausgerechnet das Lido ist, das im Fokus des Ärgers der Kiezbesucher steht, stößt bei der Behörde auf besondere Empörung. Denn 2013 gehörte der damalige Betreiber zu den fünf Barbesitzern, die zur Schließung gezwungen wurden. Zuvor hatte es massive Beschwerden von Gästen gegeben, die Abzocke und Gewaltandrohungen seitens der Angestellten gemeldet hatten. Mit einem neuen Betreiber und neuem Personal durfte das Lido wenig später neu eröffnen – allerdings nur unter strengen Auflagen. Größe und Farbe der Buchstaben in der Getränkekarte wurden vorgeschrieben sowie deren Platzierung und die Lichtstärke, die auf den Oberflächen der Tische zu herrschen hat. Und: Bestellungen dürfen nur von dem Gast direkt angenommen werden.

Doch, wie es scheint, haben sich diese neuen Auflagen nicht durchgesetzt. Am vergangenen Freitagabend seien er und seine Freundin im Lido „über den Tisch gezogen“ worden, erzählt ein 22-Jähriger aus Baden-Württemberg dem Abendblatt. „Es war unser erster Abend in Hamburg, und wir waren ganz fasziniert von der Reeperbahn.“ In der Tabledance-Bar ereignete sich dann eine Geschichte, die manchem Kiezbesucher bekannt vorkommen dürfte. Das Paar bestellte zwei Bier à 6 Euro. „Wir haben uns extra auf der Karte über die Preise informiert“, sagt der 22-Jährige. Eine Tänzerin gesellte sich an den Tisch. „Die war supernett und hat eine mit uns geraucht. Deshalb habe ich auch ,klar‘ gesagt, als sie fragte, ob sie auch etwas trinken dürfe.“ Keine Rede sei allerdings davon gewesen, dass die Tänzerin wenig später mit einer Flasche Moë­t-Champagner auftauchen und der Kellner dem Paar aus Süddeutschland eine Rechnung über 308 Euro präsentieren würde.

Paar will nie wieder auf den Kiez

In dem Moment hätten sie den Notruf wählen müssen, sei ihnen später bei dem Versuch, Anzeige zu erstatten, auf der Davidwache gesagt worden. „Für eine spätere Beweisführung wäre das sicher besser gewesen“, bestätigt Polizeisprecherin Tanja von der Ahé, nach deren Aussage bei der Polizei aktuell keine Häufung derartiger Vorfälle vorliege. Er habe „einfach nur Panik“ gehabt, sagt der 22-Jährige. Weil er nur 80 Euro dabeigehabt habe, sei er von einem Mitarbeiter nach draußen zu einem Bankautomaten begleitet worden. Seine Freundin, 24, sei als „Pfand“ in der Bar geblieben. Als sie endlich gehen konnten, habe die Animierdame vor der Tür auf seinen Kommentar zu dem Vorfall hin noch gesagt: „Ihr seid auf der Reeperbahn. So was ist hier völlig normal.“ Eine Anfrage des Abendblatts zu dem Vorfall lehnten die Betreiber des Lido ab.

Dass Abzock-Methoden wie die von dem Paar beschriebene auf dem Kiez als „völlig normal“ gelten, hatte das Bezirksamt mit den neuen Auf­lagen eigentlich vermeiden wollen. „Diese Zustände dulden wir nicht. Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, kennen wir kein Pardon. Die Betreiber kennen ihre Auflagen schließlich ganz genau“, sagt Sprecherin Sorina Weiland. „Wir nehmen uns der Beschwerden an. Es ist uns ein großes Anliegen, dass so etwas nicht mehr vorkommt.“ Auch den anderen Barbetreibern auf dem Kiez dürfte das ein Anliegen sein. Als sich 2013 die Vorwürfe gegen einige Läden häuften, fürchteten viele, dass der ganze Kiez in Verruf käme.

Der Entzug einer Gewerbeerlaubnis wäre eine Möglichkeit, gestalte sich jedoch „nicht so einfach“, sagt Sorina Weiland, unter anderem weil das Grundrecht der Berufsfreiheit berücksichtigt werden müsse. Für das Paar aus Süddeutschland käme diese ohnehin zu spät. „Für uns war es definitiv der letzte Besuch auf der Reeperbahn.“