Hamburg . Eine junge Hamburgerin wird nach einer Partynacht auf dem Heimweg von einem Mann verfolgt und bedrängt. Wie man sich schützen kann.

Es war ein schöner Abend. Gemeinsam mit Freunden hatte Sandra Weber (Name geändert) auf dem Kiez gefeiert und getanzt. Ganz unbeschwert, die Silvesternacht und die massiven Übergriffe auf Frauen schienen weit weg. Doch als die 27-Jährige am frühen Sonntagmorgen von der S-Bahn-Station Reeperbahn nach Hause fahren wollte, wandelte sich das fröhliche Wochenendvergnügen in einen Albtraum. „Ich bin immer noch geschockt“, sagt die junge Frau.

Angefangen hatte es ganz unspektakulär. In der S-Bahn Richtung Wandsbek saß plötzlich ein Mann direkt neben ihr, während sie die Augen einen Moment zugemacht hatte. „Ich war sehr müde, habe mir zunächst nichts dabei gedacht“, sagt die Tourismusfachfrau. Auch nach dem Umstieg in der U1 am Jungfernstieg war der Mann wieder da. Und auch als Weber die Bahn an ihrer Haltestelle verließ. „Da packte er mich plötzlich an der Schulter“, erzählt sie.

Wie Frauen sich schützen können

Erschrocken sei sie gewesen, und ziemlich sauer. Die Angst kam, als er fragte, ob sie allein wohne. „Ich habe ihm gesagt, dass er mich in Ruhe lassen soll. Aber er hat nicht reagiert“, sagt Sandra Weber. Dabei ist sie sicher, dass er sie verstanden hat. Der Endzwanziger habe Deutsch gesprochen. Um ihn abzuschütteln, stieg sie in den Bus. Wieder folgte er ihr. „Ich wusste nicht, was ich machen sollte, hatte Panik“, sagt die junge Frau, die eigentlich ein beherzter Typ ist und erst vor kurzem einen Taschendieb in die Flucht geschlagen hatte.

Der Verfolger ließ sich nicht abschütteln

Den Busfahrer traute sie sich nicht anzusprechen. „Was hätte ich denn sagen sollen, es war ja nichts passiert“, sagt sie. In ihrer Not rief sie eine Freundin an. Doch der Fremde ließ sich nicht abschütteln, verfolgte sie schließlich bis vor ihre Haustür. Sie habe ihn angeschrien, versucht zu verscheuchen. Umsonst.

„Ich komme jetzt mit zu dir“, habe er gesagt und sich dicht hinter sie gestellt. Sie drohte mit der Polizei, die die Freundin am Telefon rufen würde. Aber gefühlt habe sie sich ohnmächtig. „Es war ja weit und breit niemand da.“ Schließlich schaffte sie es, die Haustür aufzuschließen und vor ihm zu zuschlagen.

Doch obwohl sie ihren Verfolger los war, richtig sicher fühlt sich Sandra Weber seit dem Erlebnis nicht mehr. „Ich gucke mich oft um, ob jemand hinter mir ist“, sagt sie. In den vergangenen Nächten übernachtete ihr Bruder bei ihr. „Solche Sachen hört man immer, aber ich habe nicht gedacht, dass es mir passieren könnte“, sagt sie.

Und dass ihr im Nachherein klargeworden sei, dass sie einiges hätte anders machen können. Zur Polizei ist sie bislang nicht gegangen, um eine Anzeige zu erstatten. „Den Verfolger wird man sowieso nicht finden“, sagt sie. Und selbst wenn, würde ihm wohl keine Strafe drohen. Dazu kommt eine andere Angst: „Vielleicht bekommt er es heraus und rächt sich.“

Nur fünf Prozent zeigen sexuelle Übergriffen an

Bei sexueller Belästigung liegt die Anzeigebereitschaft normalerweise bei unter fünf Prozent, sagt der renommierte Kriminologe Christian Pfeiffer aus Hannover. Allerdings hat sich das nach den Übergriffen in der Silvesternacht offenbar geändert. In Hamburg waren laut Polizei bis Montagabend 153 Strafanzeigen im Zusammenhang mit der Nacht eingegangen. Am folgenden Wochenende meldete die Polizei sieben Fälle sexueller Belästigung.

Auch im Fall von Sandra Weber rät die Polizei dringend zu einer Strafanzeige. "Die Polizei muss wissen, wie die Gesamtsituation in der Stadt ist, um angemessen reagieren zu können", sagt Polizeisprecher Jörg Schröder. Grundsätzlich rät er: Sobald eine beunruhigende Situation eintritt und man sich unwohl fühlt, den Notruf 110 anrufen. "Wir kommen lieber einmal zu viel als zu wenig."

Die Hamburger Polizei hat auf ihrer Internet-Seite Ratschläge zum richtigen Verhalten in gefährlichen Situationen veröffentlicht.