Hamburg. Katharinen-Initiative gegen die viel befahrene Schneise in der City plant Demonstration. Am 17. September ist die Straße gesperrt.

Wo andere Städte ihre Altstadt haben, hat Hamburg eine Straße. Brutal haben Stadtplaner der 1950er- und 1960er-Jahre die frühere Ost-West-Straße mitten ins alte Zentrum Hamburgs gelegt, wo wegen der Kriegsschäden plötzlich Platz war. 60.000 Fahrzeuge, davon 5400 Lastwagen, donnern hier heute täglich auf Ludwig-Erhard-Straße und Willy-Brandt-Straße vorbei, wie der rund 2,5 Kilometer lange Straßenzug seit 2005 heißt. Bürotürme säumen die Straße, Geschäfte oder Cafés im Erdgeschoss gibt es fast keine – eine viel befahrene Bundesstraße mitten im Herzen der Stadt.

Immer wieder gab es in den letzten Jahren Vorstöße, diese Trennung zu überwinden, viel Konkretes passierte nicht. Jetzt wollen die St.-Katharinen-Gemeinde und ihr Pastor Frank Engelbrecht die Diskussion zur Überwindung dieser Schneise wieder anstoßen und werden dabei von der örtlichen Anwohnerinitiative und anderen unterstützt. „Damit die Stadt wieder zusammenwächst“ heißt ihre Aktion, die mit Kunst, Performance, einem Stadtteilfest und auch Stadtführungen die trennende Wirkung dieser Straße zum Thema hat.

Höhepunkt ist die Sperrung

Höhepunkt dürften eine Sperrung und Demonstration am Sonnabend (17. September) mitten auf der Fahrbahn sein. Dann soll die Willy-Brandt-Straße an der Kreuzung zur Domstraße von 20 Uhr an für eine halbe Stunde besetzt werden. Auch eine Kundgebung und zuvor ein Straßenfest sind dort geplant.

„Im Moment wird hier so viel Neues geplant, wir glauben, das ist nun ein guter Zeitpunkt, um das Thema aufzugreifen“, sagt Engelbrecht. Tatsächlich soll beispielsweise direkt an der Willy-Brandt-Straße das Commerzbank-Areal neu bebaut werden – unter anderem mit Geschäften, Büros und auch wieder Wohnungen – was wegen der Nähe der Straße aber als problematisch gilt.

Immer wieder gab es neue Ideen

Schon während der Nazizeit gab es Pläne für eine große „Ost-West-Durchbruchstraße“. Die Stadtplaner der Nachkriegszeit nahmen diese Idee wieder auf, allerdings nicht um militärische Aufmarsch-Achsen zu schaffen, sondern um ihren Idealen einer „aufgelockerten“ Stadt nahe zu kommen.

In den 1950er-Jahren war es dann so weit: Historische Plätze wurden planiert, Altbauten einfach abgerissen und Fleete zugeschüttet. Entlang der sechsspurigen Straße wurden dann große Bürotürme gebaut, aber nicht mehr die ursprünglich auch geplanten Wohn­bauten, weil sich immer mehr Unternehmen dort ansiedelten. Selbst 1990 noch wurden als Kulturdenkmäler eingestufte Gebäude abgerissen. „Monofunktionalität und die fußgängerfeindliche Umgebung“ hätten den damals schon versprochenen lebendigen Straßenraum verhindert, schreibt der Architektur-Autor Claas Gefroi.

In jüngerer Vergangenheit hatte es immer wieder Vorschläge gegeben, wie man die breite Straße wieder für die Stadt zurückgewinnen könnte. Gläserne Fußgängerbrücken erwog 2004 etwa der damalige CDU-Senat. Auch eine Ver­legung in einen Tunnel wurde immer wieder vorgeschlagen. Als beispielhaft gelten dafür der Rheinufertunnel in Köln und Düsseldorf. Oder auch der „Big Dig“ (Großer Graben) in Boston. Von 1991 an wurde dort die meistbefahrene Stadtautobahn in einen Tunnel verlegt, um die Stadt wieder zur Wasserseite zu öffnen.

Zuletzt befasst sich das 2015 von der Bürgerschaft verabschiedete Innenstadtkonzept mit der Straße und beschreibt den unwirtlichen Zustand dort. Die Häuser würden sich verschließen, weil der Verkehr dominiere, heißt es in dem Konzept. Es fehle „ein Gesicht“ zum Straßenraum. Doch: „Aufgrund enormer Kosten scheint eine Tunnellösung auf absehbare Zeit nicht realisierbar“, glauben die Planer der Stadtentwicklungsbehörde und schlagen alternativ eine Art Boulevard vor. Mit mehr Bäumen, Flanierzonen und mehr öffentlichen Nutzungen in den Erdgeschossen. Vergleichbar mit der Avenue des Champs-Élysées in Paris. Nur, bisher ist von einem Boulevard wenig zu sehen. „Die Straße bleibt ein Schandfleck“, sagt der Stadtplaner Rolf Kellner, der mit seinem Planungsbüro Übernormalnull die Katharinen-Initiative unterstützt.

Kirche engagiert sich häufig

Das Engagement der Kirchen­gemeinde für Fragen der Stadtentwicklung ist dabei nicht ganz neu. Als die Hauptkirche in den Jahren 2007 bis 2011 für 23 Millionen Euro erstmalig nach dem Wiederaufbau saniert wurde, ploppte die Diskussion für das sogenannte Katharinenquartier hoch. Gemeinde, Pastor und die damals gegründete Katharinen-Interessengemeinschaft protestierten gegen eine aus ihrer Sicht zu massive Bebauung, die die Sicht auf die alte Kirche versperren würde.

Der Entwurf wurde nach heftiger Diskussion wieder geändert. „Aber uns ist klar geworden, dass wir hier in einer Insellage zwischen HafenCity und Innenstadt liegen“, sagt Pastor Engelbrecht. Und so entstand die Idee, diese Abgeschiedenheit irgendwie wieder zu überwinden. Schließlich seien die Hamburger Hauptkirchen einmal gebaut worden, um mitten in belebten Stadtvierteln zu wirken, sagt der Pastor. Und dann würden sie heute in einer richtigen Altstadt liegen und nicht teils am Rand einer Bundesstraße.