Hamburg. Die Liste nimmt kein Ende. Seit Januar schließen immer mehr Hamburger Pflegeheime ihre Türen. Das ändert sich auch im neuen Jahr nicht.
Seit Anfang 2024 haben nach Auskunft der Hamburger Sozialbehörde bereits sechs Pflegeheime die Reißleine gezogen. Im kommenden Jahr sollen nun weitere Einrichtungen schließen. Vor allem für kleine Einrichtungen ist die Fachkraftquote ein massives Problem. Doch auch Häuser großer Träger wie der Diakoniestiftung Alt-Hamburg oder der Pflegekette Emvia Living sind betroffen.
Tanja Scheffler leitet das Seniorenheim Scheffler in Hamburg-Wilhelmsburg. Ihre drei Töchter gehören zu den Mitarbeitenden, dazu kommen 17 weitere Angestellte. Gemeinsam versorgen sie die zuletzt 21 Bewohnerinnen und Bewohner des „Schefflerheims“. Doch damit ist es Ende Februar vorbei. Dann soll das kleine Pflegeheim auf dem Gelände der ehemaligen Frauenklinik in Hamburg-Wilhelmsburg geschlossen werden.
Mehr Hamburger Pflegeheime schließen 2025 – was das Schefflerheim in die Knie zwingt
Die Fachkraftquote in der Pflege, die vorschreibt, wie viele der Mitarbeitenden Fachkräfte sein müssen, sei bei so einer kleinen Einrichtung „die Hölle“, so Scheffler. In Kombination mit wirtschaftlichen Faktoren wie Mindestgröße und -belegung von Einrichtungen, geht nicht nur kleinen Einrichtungen die Luft aus.
Aktuell ist der Personalschlüssel im Schefflerheim zwar gut, doch um weiterhin rentabel zu bleiben, müsste das Pflegeheim wachsen. 35 Plätze waren in der Planung einmal angedacht. Aber: Für eine Vergrößerung fehlt es an Personal. Auch wenn bestehende Arbeitskräfte der Einrichtung die Treue halten, ob Küche, Reinigung oder Pflege, überall herrscht Mangel. „Wenn sich einmal im Jahr eine ausgebildete Pflegefachkraft bei mir bewirbt, ist das schon gut“, erklärt Scheffler.
Dazu sei es bei einer Bewerbung kaum möglich, alle Extrawünsche zu erfüllen: „Das ist mitunter ein richtiges Wunschkonzert. Leute wollen nicht an Feiertagen arbeiten, nicht am Wochenende, nicht vor acht Uhr. Ich weiß nicht, wer so was leisten kann, aber unsere Einrichtung kann es nicht“.
Wirtschaftlicher Druck, fehlendes Personal und schwierige Patienten – Heimleiterin fühlt sich allein gelassen
Der Fachkräftemangel wiegt auch hier schwer, ist aber nicht der einzige Faktor, der die traditionsreiche Einrichtung in die Knie zwingt. „Wir sind hoffnungslos veraltet“, erklärt die Heimleiterin. Barrierefreiheit, Brandschutz-Auflagen, endlich eigene Toiletten auf jedem Zimmer – ein Berg aus nötigen Umbaumaßnahmen hat sich aufgetürmt. Um ihn zu bewältigen, fehlt dem Familienbetrieb das Geld. Eine Vergrößerung käme dann erst recht nicht mehr infrage. Stattdessen müsste die Einrichtung dann auf 15 Plätze schrumpfen – fernab von wirtschaftlicher Rentabilität.
Zudem spürt das Pflegeheim nicht nur den Personalmangel in den eigenen Reihen. „Bei Neuaufnahmen oder Änderungen der Pflegestufen müssen wir oft Monate auf die Zahlung warten, genauso ist es beim Sozialamt. Überall herrscht Personalmangel, und sie kommen mit der Bearbeitung der Anträge nicht hinterher.“ Dabei würde das Geld hier dringend gebraucht.
Wenn Polizei und Psychiatrie nicht mehr helfen können
Zusätzlich machen dem Schefflerheim einzelne Bewohner zu schaffen. „Ich habe fast jeden Monat massive Polizeieinsätze hier“, erklärt die Leiterin. Ein Mann werde regelmäßig aggressiv, weil er maßlos Alkohol trinke. „Es heißt dann immer, ich soll das zur Anzeige bringen. Mittlerweile könnte ich das Pflegeheim mit Anzeigen neu tapezieren, wenn ich wollte. Geändert hat sich dadurch aber nichts“. Mittlerweile mache der Patient die Schreiben der Staatsanwaltschaft überhaupt nicht mehr auf. „Er weiß ja, dass nichts passiert. Die bringen ihn jedes Mal zurück, wenn er sich ,ein bisschen beruhigt´ hat, und anschließend fühlt er hier unserer Nachtschicht auf den Zahn“.
Scheffler fühlt sich mit dem Problem allein gelassen. Eine Ausnüchterungszelle kommt für den pflegebedürftigen Mann nicht infrage. Krankenhäuser und Psychiatrien sind selbst so überfüllt, dass ihr keiner den schwierigen Kunden abnehmen kann.
Zahlreiche Pflegeeinrichtungen vor immensen Herausforderungen
Unterm Strich zeigt sich im Schefflerheim verschärft, was auch in anderen Einrichtungen mehr und mehr zum Problem wird. Fehlendes Geld für Neuerungen und vor allem fehlende Fachkräfte inner- und außerhalb der Einrichtung bringen ihre wirtschaftliche Stabilität in Gefahr. Für schwierige Patienten fehlen Mittel und Kapazitäten. Das wiederum sorgt für noch mehr Belastung beim Personal.
Im Februar soll in dem kleinen Pflegeheim Schluss sein. Schon jetzt verlassen langsam aber sicher immer mehr Bewohnerinnen und Bewohner ihr Zuhause. Für Tanja Scheffler ist es eine Selbstverständlichkeit, dass sie ihre Kunden bei der Suche nach einem neuen Betreuungsplatz unterstützt. Gemeinsam mit den Betreuern der Bewohner sucht das Schefflerheim neue Unterkünfte für die Pflegebedürftigen. Doch der Markt ist hoch angespannt. Mit der geplanten und oft bereits umgesetzten Schließung von sechs Hamburger Pflegeeinrichtungen allein seit Januar 2024 fallen Plätze für Hunderte Menschen weg. Sie alle sind nun auf der schwierigen Suche nach einem neuen Zuhause.
Steigende Zahl Pflegebedürftiger trifft auf sinkende Plätze
Tanja Scheffler erklärt, sie suche hamburgweit nach neuen Plätzen. An Nähe zum ursprünglichen Wohnort ist in einer solchen Situation kaum noch zu denken. Sechs ehemalige Bewohnerinnen und Bewohner haben das Schefflerheim in den vergangenen zwei Monaten seit der Ankündigung bereits verlassen. 15 weitere sind noch auf der Suche. Ebenso wie 200 Menschen aus den Pflegeheimen Seniorenhaus Matthäus in Winterhude und Heinrich-Sengelmann-Haus in St. Georg. Darüber hinaus verringert das ELIM Seniorencentrum Eppendorf seinen Bestand von 62 auf 27 Plätze.
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Insgesamt sind seit Jahresbeginn in Hamburg rund 550 Pflegeplätze weggefallen. Was bleibt sind – Stand jetzt – rund 16.000 Plätze und eine wachsende Zahl pflegebedürftiger Menschen. Waren es 2021 noch etwa 90.000, soll ihre Zahl laut Statistischem Bundesamt bis 2035 auf rund 102.000 steigen.
Die kürzlich verabschiedete Reform der Hamburger Fachkraftquote, die die Situation in den Einrichtungen entspannen soll, empfinden viele Träger dabei lediglich als Tropfen auf den heißen Stein.