Hamburg. Ein Hamburger Gericht urteilte: Die Arbeit von Thomas Brussig wurde nicht fair vergütet. Das wird Stage Entertainment teuer zu stehen kommen.

  • Jahrelanger Rechtsstreit hat ein Ende gefunden.
  • Ein Hamburger Gericht hat für den Autor des Lindenberg-Musicals geurteilt.
  • Faire Nachvergütung nach Musical-Erfolg habe nie stattgefunden. Kläger erhält nun eine siebenstellige Summe.

Zehn Jahre hat der Rechtsstreit (AZ: 3100 o 100/14) um das textliche Fundament für das Udo-Lindenberg-MusicalHinterm Horizont“ gedauert. Eine ganze Dekade standen sich vor einer Zivilkammer des Hamburger Landgerichts unversöhnlich gegenüber: der Schriftsteller Thomas Brussig als Kläger und der mächtige Musical-Veranstalter Stage Entertainment als Beklagter. Um es vorwegzunehmen: Der Streit hat Brussig, so zumindest der aktuelle Stand in dem Verfahren, um sieben Millionen Euro reicher gemacht.

Rechtskräftig ist das Urteil aber noch nicht. Stage Entertainment hat bereits Berufung zur zweiten und letzten Instanz eingelegt, dem Hanseatischen Oberlandesgericht. Im Interview mit der aktuellen Ausgabe der Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“, die über den Fall berichtet, wird Brussig zitiert mit den Worten. „Aber eine Etappe ist erreicht, und nach über zehn Jahren Rechtsstreit ist meine Erleichterung riesengroß.“

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Von Brussig stammt das Libretto für das Lindenberg-Musical über eine Ost-West-Liebesgeschichte, das zwischen 2011 und 2017 in Berlin und Hamburg aufgeführt wurde. Begonnen hatte der Rechtsstreit bereits 2014, zunächst in Form einer Stufenklage gegen Stage. Damit begehrte der 58-Jährige Auskunft zu den Einnahmen, die im Zusammenhang mit dem Musical erzielt worden sind. Erst nachdem diese Klage zu seinen Gunsten entschieden worden sei, habe Brussig seine gegen Stage geltend gemachten Ansprüche konkret beziffern können, sagte Gerichtssprecherin Marayke Frantzen dem Abendblatt.  

Heraus gekommen ist ein 63 Seiten starkes Zahlenwerk, in dem alle anrechenbaren Positionen Berücksichtigung finden. Stage habe sich in dem Fall vor allem auf eine Vereinbarung über eine Gesamtvergütung Brussigs in Höhe von 100.000 Euro berufen, so Frantzen. Allerdings sieht das Urheberrecht eine faire Nachvergütung vor, wenn das, was der Urheber erhalten hat, in einem zu krassen Missverhältnis steht zum Umsatz, den das Werk erzielt hat.

Für Brussig könnte sich dieser rechtliche Grundsatz auszahlen, sofern das am 23. Oktober verkündete Urteil letztinstanzlich Bestand hat. Dann erhielte er eine Nachvergütung über fünf Millionen Euro, hinzu kämen Zinsen, die sich nach zehn Jahren Prozessdauer auf rund zwei Millionen Euro belaufen sollen. „Die Zahl ist auch für mich noch surreal“, sagte Brussig der Wochenzeitung.

Schriftsteller: Rechtsstreit hat mich „oft runtergezogen“

Stage hatte angegeben, mit dem Stück keinen Gewinn gemacht zu haben. Diese Argumentation verfing jedoch vor Gericht nicht. Schließlich seien bei der Nachvergütung die Roheinnahmen ausschlaggebend, die vor allem durch die Ticketverkäufe und das Merchandising zustande kommen. Nach Ansicht des Gerichts stünden Brussig hier rund zehn Prozent der Roheinnahmen als „angemessene Mindestvergütung“ zu, sagte Frantzen dem Abendblatt.

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Wie es in der „Zeit“ weiter heißt, sei auch die Alleinautorenschaft Brussigs vor Gericht ein Thema gewesen. „Das war insofern Balsam für meine Seele, weil die gegnerischen Schriftsätze mich oft runtergezogen haben, indem ich als „verlängerte Werkbank“ oder „Auftragsschreiber“ bezeichnet wurde, der angeblich „keinen eigenen Gestaltungsspielraum“ hatte“, sagte Brussig.