Hamburg. Gesa Hubertine Hirschfeld gibt Job in der Wirtschaft auf, um sich der Kunst zu widmen. Konfuzius und ungewöhnliche Techniken inspirieren sie.
- Gesa Hubertine Hirschfeld ist die ungewöhnlichste Malerin in Hamburg.
- Die 29-Jährige zitiert Konfuzius, malt mit Rotwein, Asche und Blut.
- Die Hamburger Künstlerin hat einen soliden Job für ihre Leidenschaft aufgegeben.
Ein Beleg dafür, dass Gesa Hubertine Hirschfeld eine Künstlerin aus Leidenschaft ist, liegt zusammengeknüllt im Lager ihres Ateliers in unmittelbarer Nachbarschaft zum Nobelhotel Vier Jahreszeiten. Eine weiße Bettdecke lässt erahnen, dass ihr Arbeitsplatz in der Hamburger Innenstadt durchaus auch mal ihr Schlafplatz ist.
„Ich bin eine Nachteule. Niemand ruft an, niemand schreibt einem irgendwelche E-Mails oder Nachrichten. Perfekte Bedingungen, um in Ruhe zu malen und der Kreativität freien Lauf zu lassen“, sagt die 29 Jahre alte Malerin. „Oft male ich bis halb vier in der Früh, dann lege ich mich hier schlafen. Ich mache häufiger verrückte Sachen. Ich würde sagen, dass ich im positiven Sinn einen an der Waffel habe.“
Hamburger Künstlerin verbrennt nicht gelungene Werke – neue Kunst aus Asche
Wenn die Wahlhamburgerin mal eine Schaffenskrise hat, fährt sie mit dem Einrad durch ihr Atelier, springt im tiefsten Winter in eiskalte Gewässer, tanzt im Regen oder verbrennt nicht gelungene Werke, um aus der Asche neue Kunst zu erschaffen. „Danach fließt häufig die kreative Energie wieder“, sagt Hirschfeld und kann sich ein Lachen – wie so oft beim Abendblatt-Besuch in ihrem Atelier – nicht verkneifen.
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Seit zweieinhalb Jahren ist die 29-Jährige als Malerin unterwegs. Dass sie irgendwann aus ihrem Hobby ihren Beruf machen will, war ihr schon als kleines Mädchen klar. Als sie vor den Toren Hannovers gemeinsam mit ihrem Bruder zum Pinsel griff. Ohnehin liegt die Kreativität offenbar in den Genen. Auch ihr Großonkel, ihre Großtante und ihre Großcousins waren mal mehr, mal weniger professionell als Künstler tätig.
Gesa Hubertine Hirschfeld ist fasziniert von der chinesischen Sprache
Nach dem Fachabitur in der Fachrichtung Gestaltung ging Hirschfeld für knapp zwei Jahre in die USA. Sie jobbte in Raleigh im US-Bundesstaat North Carolina, besuchte nebenbei an der Uni Fotografie-Kurse, nahm an Anatomie-Vorlesungen teil und absolvierte schlussendlich einen Chinesisch-Kurs, der ihr Leben veränderte.
„Ich hatte auch erst überlegt, in die medizinische Richtung zu gehen, aber das war es nicht. Was mich von Tag eins an fasziniert hat, war Chinesisch. Es ist eine unendliche Sprache, bei der man nie auslernt, weil es 70.000 Schriftzeichen gibt“, sagt Hirschfeld. „Es gibt keinen Chinesen, der alle Zeichen kennt. Das ist pure Faszination, einfach nur Liebe.“
Hamburger Künstlerin war früher bei Porsche in der Marketing-Abteilung
Also fing sie an, die hochkomplexe Sprache samt der Schriftzeichen zu lernen. Mittlerweile spricht sie die Sprache fließend. Bis heute befasst sie sich intensiv mit dem chinesischen Philosophen Konfuzius. Damals entschied sie sich, nach China zu gehen, dort eine Universität zu besuchen. In Shanghai arbeitete sie bei Porsche, verfeinerte so im beruflichen Alltag ihre Sprachkenntnisse und verliebte sich noch mehr in Land und Leute.
Doch so schön der gut bezahlte Job in der Marketing-Abteilung des Automobil-Giganten auch war: Ihre Leidenschaft lag woanders. „Geld ist nicht alles. Ich wollte einfach Kunst machen, die die Menschen zum Nachdenken und Reflektieren bewegt. Meine Kunst soll ausdrücken, dass es keine Grenzen geben darf. Weder kulturell noch geschlechterspezifisch. Ausgrenzung und das ewige Gegeneinander auf diesem Planeten muss aufhören“, sagt Hirschfeld. „Daher bin ich ‚all in‘ gegangen und habe mich selbstständig gemacht. Mein Bauchgefühl war so stark, ich hätte es bereut, wenn ich es nicht probiert hätte.“
Es war, wie sie heute sagt, die beste Entscheidung ihres Lebens. Auch wenn sich ihre Eltern einen anderen Karriereweg für ihre Tochter gewünscht hätten. „Bis heute wünschen sie sich, dass ich was Seriöses mache. Einen ‚Nine-to-five-Job‘. Aber ich bin ein ziemlicher Dickkopf und habe mich durchgesetzt. Und meine Eltern, die mich immer unterstützen, sehen ja, wie glücklich ich bin“, sagt die 29-Jährige. „Manche Menschen streben nach Stabilität, ich genieße diese Freiheit, wenngleich da natürlich auch Druck mit verbunden ist, Geld zu verdienen und die deutsche Bürokratie zu bewältigen.“
Gesa Hubertine Hirschfeld zitiert auf ihren Gemälden Konfuzius
Finanzielle Sorgen muss sich die junge Frau allerdings nicht machen. Ihre Werke kosten – je nach Größe – ab 5000 Euro. Besonders große und aufwendige Gemälde können auch mal im fünfstelligen Bereich liegen. Ihr Lager ist nahezu leer, gerade erst hat sie ein Gemälde in die Schweiz verkauft.
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Ihre Faszination für China spiegelt sich auch in ihren farbenfrohen Bildern wider. Auf all ihren Werken, die bis zu ein Jahr in der Entstehung sind, stehen Weisheiten – stilecht in chinesischen Schriftzeichen verewigt. Oft zitiert sie Konfuzius, aber schon bald möchte sie eigene chinesische Philosophien auf ihren Leinwänden verewigen.
Neben Acrylfarben kommen häufig auch ungewöhnliche Dinge auf die Leinwand. „Es gibt ein Werk, in dem Rotwein mit reingerührt wurde, ein anderes hat Asche von einem Kunstwerk, das ich zuvor verbrannt habe, mit drin“, sagt Hirschfeld.
Gesa Hubertine Hirschfeld malt mit ihrem Bruder Bild und nutzt dafür ihr Blut
Und demnächst kommt ein Gemälde, das sie mit konserviertem Blut von sich und ihrem Bruder malen wird. „Das wird ein Selbstporträt von uns beiden. Dieses Bild werden wir ausstellen, aber niemals verkaufen. Das ist nur für uns. Es ist eine Herzensangelegenheit“, sagt sie.
Premiere feiern wird dieses ungewöhnliche Familienbild Ende dieses Jahres oder Anfang 2025. Derzeit sucht Hirschfeld noch eine passende Location für ihre Solo-Ausstellung. Ohnehin soll 2025 ihr internationaler Durchbruch folgen. Nächstes Jahr ist eine Kunstausstellung in Shanghai geplant. „Das, was ich jeden Tag mache, fühlt sich nicht nach Arbeit an. Es ist einfach nur pure Erfüllung. Ich kann es kaum erwarten, was noch alles künstlerisch auf mich wartet“, sagt Hirschfeld.
Es klingt so, als würde sich die Wahlhamburgerin auch in Zukunft noch die eine oder andere Nacht in ihrem Atelier um die Ohren hauen.