Hamburg. 1952 gesunkener Frachter wirft bis heute Fragen auf. Forschende nutzen Simulation, um der Ursache der Havarie näherzukommen – mit Erfolg.

71 Jahre ist es her, dass die MS „Melanie Schulte“ 1952 spurlos in den Wellen des Nordatlantiks unterging. Seitdem ranken sich diverse Gerüchte um den Verbleib des Unglücksschiffs der Emder Reederei Schulte & Bruns und des Hamburger Handelsunternehmens Toepfer. Den Fluten zum Opfer gefallen war damals auch die 35-köpfige Besatzung. Deren Angehörige warteten lange auf Antworten zu einem scheinbar unlösbaren Rätsel.

Jetzt sind Forschende vom Helmholtz-Zentrum Hereon der Lösung ein kleines Stück nähergekommen. Anhand von Analysen und Modellierungen gingen sie einigen der Vermutungen rund um eines der wohl schwersten Schiffsunglücke nach dem Zweiten Weltkrieg nach – und kamen zu neuen Erkenntnissen.

MS „Melanie Schulte“: Hamburger Frachter geht im Nordatlantik unter

Drei Tage vor Weihnachten wurde westlich von Schottland der letzte Funkspruch des Stückgutfrachters empfangen. Danach verliert sich die Spur. Das Sinken des Schiffs wurde schließlich durch angeschwemmte Wrackteile zur traurigen Gewissheit.

Das Seeamt Hamburg gab im April 1953 bekannt: „Die Ursache des Unfalls ist nicht ermittelt, weil Augenzeugen der Katastrophe nicht vorhanden sind. [...] Wahrscheinlich hat das Zusammentreffen einer ungewöhnlichen Schlechtwetterlage einschließlich Wind und See und Dünung und den hierdurch bedingten Resonanzen der Schiffseigenperioden mit der Seegangsperiode zu einer derart hohen Druckbeanspruchung im Schiff geführt, dass ein so schnelles Zusammenbrechen des Schiffes erfolgt ist, dass auch zur Abgabe eines Funkspruches keine Möglichkeit mehr bestand.“

Wellenanalyse: Lösung für rätselhaften Untergang der MS „Melanie Schulte“?

Jahre später wurde das Unglück jetzt am Helmholtz-Zentrum neu aufgerollt. Dr. Ina Teutsch und Dr. Nikolaus Groll vom Institut für Küstensysteme – Analyse und Modellierung benutzten dafür eine bereits bestehende Seegangsimulation. Mithilfe von Wetter- und Seegangberechnung aus dem Unglücksmonat, konnten Windstärke und Wellengang zum Zeitpunkt des Untergangs abgeschätzt werden.

Das Ergebnis: Der Seegang war zwar hoch, aber nicht außergewöhnlich. Bedeutet: Die Höhe der Wellen allein wird vermutlich nicht zum Untergang geführt haben. „Entscheidender könnten dagegen die Wellenlänge und die Richtung gewesen sein, aus der die Wellen auf das Schiff trafen“, heißt es in einer Mitteilung des Helmholtz-Zentrums.

Forschung zu MS „Melanie Schulte“ untermauert alte Vermutungen

Geht man von den Berechnungen aus, waren die Wellen genauso lang wie das Schiff. Dadurch wurde die MS „Melanie Schulte“ immer wieder hin und her gebogen. „Befand sie sich auf einer Welle, wurden Bug und Heck stärker belastet. Befand sie sich zwischen zwei Wellen, wurde er mehr am Bug und Heck vom Wasser getragen und die Mitte stärker belastet.“ Anhand der Simulation geht außerdem hervor, dass die Wellen vermutlich seitlich auf das Schiff getroffen waren.

Auch die Stabilität des Frachters könnte beeinträchtigt und damit die 9300 Tonnen Erz ungleich verteilt worden sein. Dr. Nikolaus Groll fasst zusammen: „Wahrscheinlich haben alle diese Effekte zusammengespielt und die Struktur des Schiffes geschwächt, sodass es auseinanderbrach.“

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Mit ihrem Ergebnis erreichten die Forschenden vor allem eins: frühere Vermutungen empirisch zu untermauern.

Für das Forschungsteam bedeutet der Fortschritt in der Aufklärung um das Schiffsunglück von 1952 aber auch, dass man die verwendeten Daten und Modelle für mehr als nur die Untersuchung des Seegangklimas verwenden kann.