Hamburg. Essensausgabe an Bedürftige plötzlich untersagt. Was den Bezirk Mitte an den Aktionen stört und warum die Polizei anrückte.
Sie haben die Lebensmittel, die Helfer – aber keine Ahnung, ob und wie sie die dringend benötigten Dinge an die Bedürftigen ab sofort verteilen können. Denn der Bezirk Mitte hat Hilfsorganisationen ihre Verteilaktionen am Hamburger Hauptbahnhof untersagt.
Am vergangenen Wochenende rückten deshalb sogar zahlreiche Einsatzkräfte der Polizei sowie Mitarbeiter des Bezirks an. Die Ausgabestelle am Heidi-Kabel-Platz wurde geräumt. Zumindest fand sich eine Alternative in der Nähe – und die Polizei half beim Umzug. Doch wie es nun weitergehen soll, ist offen.
Hauptbahnhof Hamburg: Essensausgabe an Bedürftige durch Bezirksamt verboten
Wo sollen die Helfer und Bedürftigen nun hin, und was ist der Grund für den plötzlichen Streit um die Hilfsaktionen am Hamburger Hauptbahnhof, wo die Kriminalität zuletzt deutlich gestiegen ist? „Es gibt kein Verbot der Verteilaktion“, betont Sorina Weiland, Sprecherin des Bezirks Mitte auf Abendblatt-Anfrage. Es habe vielmehr nie eine Erlaubnis gegeben.
Für die Nutzung von öffentlichen Flächen braucht es eine Genehmigung. Diese wurde von den Hilfsorganisationen nie offiziell beantragt. Sie wurden vielmehr seit Jahren geduldet. Das bestätigen auch die Helfer, die allerdings nicht verstehen, was sich so plötzlich geändert hat.
Aus Sicht der Behörde sei das Problem schon länger bekannt, man habe auch versucht, zu Gesprächen einzuladen. Dieses Angebot wäre von den Hilfsorganisationen nicht angenommen worden, so die Sprecherin. Erst nach dem Einsatz mit Polizeiverstärkung am Wochenende sei es nun am Dienstag zu einem Treffen und Austausch gekommen. Seither gebe es einige Vorschläge für eine Lösung, die man prüfe. „Wir sind mit Hochdruck dabei, Alternativen zu finden“, so Weiland.
Hauptbahnhof Hamburg: Bezirksamt sieht Müll-Problem bei Essensausgabe
Die Alternative bezieht sich dabei auf den Standort. Denn aus Sicht des Bezirksamts würden am Hauptbahnhof – als einem der am stärksten frequentiertesten Bahnhöfe – von den Hilfsorganisationen wichtige Verkehrsflächen blockiert. Zudem hätte es in der Vergangenheit Probleme mit hinterlassenem Müll gegeben.
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„Es gab während unserer Verteilungen nie und zu keinem Zeitpunkt Behinderungen, und wir machen das seit vier Jahren“, stellt dagegen Max Bryan richtig. Der ehemalige Obdachlose hat die Bürgerinitiative „Hilfe für Hamburger Obdachlose“ gegründet.
Sonntags sorgt diese am Hauptbahnhof zusammen mit der indischen Freiküche im Wechsel für eine Versorgung und Verteilung an Bedürftige. Denn am Wochenende haben andere Anlaufstationen in der Stadt geschlossen, so die Begründung der Helfer. Den Hauptbahnhof haben sie sich gezielt als Standort ausgesucht, weil er für die Hilfesuchenden gut erreichbar sei und es hier auch öffentlich nutzbare Toiletten gibt.
Hauptbahnhof Hamburg: Freiwillige Helfer von Räumung „schockiert“
In einem umfassenden öffentlichen Brief erläutert er, warum die Helfer sich hier engagieren, berichtet davon, dass sie um die 100 Obdachlosen versorgen und schreibt sich seine Enttäuschung über die Räumung am Wochenende unter Polizeischutz sowie die aus seiner Sicht Verunglimpfung der Hilfsorganisationen vom Herzen.
„Wir sind immer noch entsetzt und auch schockiert“, die getätigten Aussagen des Bezirksamts seien herabwürdigend und die Räumung beschämend für die Helfer gewesen. Laut Bryan gebe es keinen Müll und keine Störung durch die Helfer. Er fordert Beweise und vor allem eine Übergangsfrist. Zudem kündigt er in dem offenen Brief an, dass seine Gruppe nun eine offizielle Genehmigung zur Nutzung beantragt habe.
Er betont, dass die Initiative „Hilfe für Hamburger Obdachlose“ den Standort Heidi Kabel Platz alternativlos hält. „Die bislang angebotenen Flächen bieten nicht das, was wir hatten“. Hierzu zähle unter anderem auch die Interaktion mit den Passanten. „Denn die waren stets auch Botschafter der guten Sache – auch für andere Städte – oder sorgten für Nachschub zu den jeweils nächsten Sachspendenterminen“, heißt es vonseiten der Initiative.
Polizeieinsatz am Hauptbahnhof sorgt für Kritik – „Gesetze und Regel gelten für alle“
Horst Niens, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), äußerte sich unterdessen zu der Kritik, die es in den sozialen Medien gab, nachdem die Polizei auf dem Heidi-Kabel-Platz in Amtshilfe für das Bezirksamt Mitte eingeschritten war.
„Konsequentes polizeiliches Einschreiten wird nicht per se unverhältnismäßig, weil es sich gegen eine gemeinnützige Sache richtet“, sagt Niens. Man müsse einigen Menschen klarmachen, dass Gesetze und Regel für alle gelten. „Es sollte außer Frage stehen, dass ständige Verstöße gegen Ordnungsrecht nicht allein deshalb von der Polizei und anderen Ordnungsbehörden hingenommen werden dürfen, weil sie von zahlreichen Personen vorgenommen werden.“ Das gelte auch für Hilfsorganisationen, wenn diese sich nicht an Regeln hielten. Gleichzeitig warnt Niens die Politik davor, angesichts von Kritik gegen unbequeme Entscheidungen einzuknicken.
Hauptbahnhof Hamburg: Deutsche Bahn bietet Helfern nun Unterschlupf
Zumindest für diesen Sonnabend, 23. September, haben die Helfer eine Lösung gefunden. Die Deutsche Bahn erlaubt ihnen, unter dem Vordach des Hauptbahnhofs die gespendeten Lebensmittel zu verteilen. „Wir haben bis Ende des Jahres eine gültige Genehmigung der DB, dies bei schlechter Wetterlage zu tun“, schildert der Verein Schau‘ nicht weg in einem Facebook-Post: Über diesen Kanal versucht der Verein, die Kundschaft über die Lage zu informieren.
Außerdem wurde ein weiterer Gesprächstermin für den kommenden Dienstag mit dem Bezirksamt Mitte vereinbart, „um eine langfristig adäquate Lösung“ zu finden.