Hamburg. Täter agieren äußerst professionell. Schaden geht in die Hunderttausende. Das LKA ist eingeschaltet. Ein Opfer schildert die Masche.

  • Rund 70 Menschen sind auf eine miese Betrugsmasche bei der Wohnungssuche hereingefallen
  • Sie erhielten Zusagen für Wohnungen in Hamburg, die eigentlich gar nicht auf dem Markt waren
  • Es gibt Hinweise darauf, dass die Betrüger diese selbst nur angemietet haben

Rund 70 Hamburger sind bei der Suche nach einer Wohnung in den vergangenen Wochen Opfer einer neuen, perfiden Betrugsmasche geworden. Die Täter agieren höchst professionell – jeder könnte darauf hereinfallen, so Rolf Bosse, Geschäftsführer des Mietervereins zu Hamburg. Der Schaden ist bereits sechsstellig.

Die Täter luden ihre ahnungslosen Opfer zu Besichtigungen in reale Wohnungen ein. Nachdem die Wohnungssuchenden dann zugesagt hatten, forderten die Betrüger erste Miet- und Kautionszahlungen.

Kurz vor dem geplanten Einzug kam dann die Hiobsbotschaft: Die Betroffenen erhielten eine Nachricht, dass es sich um einen Betrug handele. Der Hinweis stammte wohlgemerkt vom mutmaßlichen Betrüger selbst. Das Landeskriminalamt und der Mieterverein zu Hamburg sind alarmiert.

In der Vergangenheit habe es schon vereinzelte Fälle dieser Art gegeben. Doch dass es diese Dimensionen angenommen hat, sei laut Mieterverein neu. „Das ist eine professionell gemachte Honigfalle“, sagt Rolf Bosse.

Betrug: So locken Betrüger ihre ahnungslosen Opfer in ihre Wohnungsfalle

Alles wirkte seriös und professionell. Daher ahnte etwa auch ein Hamburger Student nicht, dass er einer fiesen Masche auf den Leim gegangen war: Er überwies mutmaßlichen Betrügern knapp 4000 Euro für eine Wohnung, in die er letztendlich nicht einziehen konnte. Die Wohnung hatte er erst wenige Wochen zuvor besichtigt.

Seinen Namen möchte der Hamburger nicht im Abendblatt lesen, denn er hatte den Betrügern persönliche Daten zugeschickt, sogar eine Kopie seines Personalausweises. Nun fürchtet der junge Mann, dass ihm die Kriminellen eins auswischen könnten.

„Nicht dass jemand bei uns zu Hause klingelt“, sagt ein weiteres Opfer, ebenfalls ein junger Mann Ende 20. Er verlor mehr als 3000 Euro. Genau wie zwei Frauen, die sich beim Abendblatt gemeldet haben. Eine von ihnen wurde um mehr als 5000 Euro betrogen. Die andere, eine Ärztin Anfang 30, um etwa 4000 Euro.

Mehr als 70 Opfer sollen den Betrügern in Hamburg auf den Leim gegangen sein

Wie ein Sprecher der Hamburger Polizei mitteilte, gibt es rund 70 Opfer, die auf den- oder dieselben Täter hereinfielen – häufig sogar an derselben Adresse. Wie hoch der Schaden ist, lässt sich laut Polizei derzeit noch nicht sagen. Rechnet man das hoch, ist ein Schaden von mehr als 100.000 Euro aber durchaus realistisch. Im Zentrum der Betrügereien steht offenbar eine mysteriöse Hausverwaltungsfirma aus Essen in Nordrhein-Westfalen.

Wie die Täter an die Wohnungen gekommen sind, ist noch nicht klar. Es gibt aber Hinweise darauf, dass die Betrüger schlicht eine Immobilie für ihre Machenschaften angemietet haben. Weil das Gegenstand der Ermittlungen ist, wollte sich die Polizei dazu nicht äußern. Die Polizei Fest steht aber: Auch andere Wohnungen in Hamburg wurden für diese Honigfalle genutzt, so auch Objekte in Winterhude und Eimsbüttel.

Die meisten Betroffenen sind jung, zwischen 20 und 35 Jahre alt. Und vermutlich gibt es noch mehr Geschädigte. Einige von ihnen haben sich in einer WhatsApp-Gruppe zusammengeschlossen. Darin besprechen sie, wie sie gemeinsam weiter vorgehen.

Wohnungen Hamburg: Student bekommt eine Mail von der vermutlich falschen Hausverwaltung

Die Masche, die die Betrüger anwenden, scheint immer die gleiche zu sein. So schildert der Student detailliert, wie der Betrug vonstattenging, der ihn am Ende 4000 Euro kostete.

Die Betrüger luden ihre ahnungslosen Opfer in eine Zweizimmerwohnung in Hamburg-Hamm ein. Dieses Foto schoss einer der Betroffenen bei der Besichtigung.
Die Betrüger luden ihre ahnungslosen Opfer in eine Zweizimmerwohnung in Hamburg-Hamm ein. Dieses Foto schoss einer der Betroffenen bei der Besichtigung. © Privat | Privat

Gefunden habe er die Zweizimmerwohnung im Hamburger Stadtteil Hamm über ein gängiges Immobilienportal im Internet, das wohl die meisten schon mal genutzt haben. „Ich bin eigentlich sehr kritisch dem Ganzen gegenüber gewesen“, erklärt er. Trotzdem wunderte er sich nicht, als er eine Mail der mutmaßlichen Fake-Hausverwaltung aus Essen bekam.

Wie bei Wohnungsanfragen im Netz üblich, wurde der Student aufgefordert, der Scheinfirma persönliche Daten wie Einkommensnachweis und persönliche Daten zuzuschicken. Er kam der Bitte nach und erhielt bereits am Folgetag eine Einladung für einen Besichtigungstermin. Der E-Mail-Verkehr und die Dokumente liegen dem Abendblatt vor.

In die Wohnung kommt der Student wie bei Airbnb

Auch in der Vergangenheit ist es in der Hansestadt immer wieder zu Betrügereien auf dem Wohnungsmarkt gekommen. Betroffenen wurden zum Beispiel Wohnungen in Aussicht gestellt, die es gar nicht gab. Besonders am aktuellen Fall ist, dass die Betrugsopfer in eine wirklich existierende Zweizimmerwohnung eingeladen wurden.

Der Student schaute sich die Wohnung im Stadtteil Hamm an. Es ist eine Gegend, die viele junge Menschen anzieht, weil die Mieten dort für Hamburger Verhältnisse vergleichsweise günstig sind.

Bei der Besichtigung war niemand von der Hausverwaltung dabei, erklärt er. In einem verschließbaren Kästchen war der Schlüssel für Haus und Wohnung hinterlegt, die Zahlenkombination für das Schloss bekam er wie alles andere per E-Mail zugeschickt. Das Verfahren ist von Plattformen wie Airbnb bekannt.

Für die Möbel in der Wohnung sollten die Opfer hohe Abstandszahlungen leisten. Auch dieses Foto stammt von einer Besichtigung.
Für die Möbel in der Wohnung sollten die Opfer hohe Abstandszahlungen leisten. Auch dieses Foto stammt von einer Besichtigung. © Privat | Privat

Der Student sagte sogleich der Hausverwaltung zu. Er hatte auch telefonischen Kontakt zu einem Mann, der anscheinend bei der Fake-Firma arbeitete. Er bekam eine Zusage für die Immobilie, sollte die erste Warmmiete in Höhe von 840 Euro überweisen, ebenso wie 1920 Euro Kaution. Er schöpfte keinen Verdacht, da es mittlerweile keine Seltenheit mehr ist, dass auf dem Wohnungsmarkt frühzeitig Forderungen gestellt werden. Das bestätigte auch Rolf Bosse vom Mieterverein.

Alle Opfer bekommen kurz vor dem Einzug die Hiobsbotschaft mitgeteilt

Außerdem sollte der Student Geld für die Möbel zahlen, die sich in der Wohnung befanden. Der vermutlich fiktive Vormieter wollte für die Küche und ein Sofa mehrere Tausend Euro Abstand. Da meldete sich der falsche Mitarbeiter und empfahl ihm, den Vormieter deutlich herunterzuhandeln. Er verlange fast Neupreise, habe der Mann gesagt. Der Betrüger schaffte Vertrauen. „Ich dachte mir noch, dass ihn das echt sympathisch macht“, sagt der Student.

Nochmals 1200 Euro überwies der Student an die falsche Hausverwaltung auf ein deutsches Konto. Er dachte, dass er ein Schnäppchen gemacht habe.

Wenige Tage vor dem Einzug bekamen der Student und auch alle anderen Opfer die gleiche Nachricht von der mysteriösen Hausverwaltung: „Das Angebot war nicht echt. Es war alles ein Betrug.“ Der echte Vermieter sei im Ausland und selbst Opfer. Die Polizei sei informiert. Vermutlich stimmte das aber nicht.

Dass solche Maschen überhaupt möglich sind, liegt laut Rolf Bosse vor allem daran, dass sich die Betrüger eines zunutze machen: Viele Vermieter, auch ehrliche, forderten noch vor Unterzeichnung des Mietvertrages Kautionszahlungen. Dies sei aber nicht erlaubt. Daher fordert Bosse: „Jeder seriöse Vermieter – und damit meine ich alle – soll sich an die Gesetze halten.“

Betrug: Druck auf dem Hamburger Wohnungsmarkt: „Man fühlt sich schnell genötigt“

Die Täter arbeiten mit einem Geflecht aus Lügen – und auch mit der angespannten Lage auf dem Hamburger Wohnungsmarkt. „Der Druck ist sehr hoch“, sagt die betroffene Ärztin, „da fühlt man sich schnell genötigt.“

Der Student hat Glück im Unglück. Er konnte kurzfristig bei seinen Eltern unterkommen. Bei der Medizinerin sieht es aber anders aus: Anfang Juli steht sie, wie es aussieht, vorerst ohne Bleibe da.

Das rät die Polizei in solchen Fällen:

  • Seien Sie aufmerksam, wenn Sie frisch renovierte und äußerst günstige Wohnungen in Toplage angeboten bekommen
  • Bestehen Sie auf eine persönliche Begehung der Immobilie. Vorsicht ist geboten, wenn kein Vermieter oder Makler dabei sein kann
  • Fotos wie aus dem Katalog oder ungewöhnlich gute Ausstattung können ein Indiz für Betrug sein. Oder wenn die Wohnung nicht zur Gegend passt
  • Überweisen Sie kein Geld und geben Sie keine persönlichen Daten preis, wenn Ihnen eine Anzeige verdächtig vorkommt
  • Recherchieren Sie über die Hausverwaltung oder den Eigentümer: Sind Telefonnummern, E-Mail-Adressen identisch?
  • Erkundigen Sie sich bei Nachbarn und anderen Mietern im Haus, ob diese von einem Auszug oder einer Vermietung wissen