Hamburg . Die Angeklagten suchten sich bettlägerige und fast blinde Opfer aus. Ein Detail empörte den Richter besonders.

Die betagte Dame war sehr krank. Sie war überwiegend bettlägerig und auf ein Sauerstoffgerät angewiesen. Doch als die Handwerker kamen und die 81-Jährige um Mithilfe bei ihren Arbeiten baten, hievte sich Helga M. (alle Namen geändert) mühsam aus dem Bett, ging ins Badezimmer und hantierte an den Wasserhähnen, wie ihr geheißen. Wenig später musste die Seniorin feststellen, dass die Männer gar keine hilfsbereiten Handwerker waren — sondern dass diese ihr mit einer besonders abgefeimten Masche den Schmuck gestohlen hatten.

Auch eine fast erblindete 86-Jährige wurde zum Opfer der Diebe, ebenso unter anderem eine 91-Jährige. Und so spricht viel dafür, dass sich die Täter die Wehrlosesten ausgesucht haben, um Beute zu machen: die Alten und die Schwachen.

Betrug einer alten Dame: Haftstrafen für Angeklagte

Am Dienstag nun wurden die drei Männer, denen die Staatsanwaltschaft im Prozess vor dem Landgericht schweren Bandendiebstahl vorgeworfen hat, zu Freiheitsstrafen verurteilt. Die Kammer verhängte für den 32-Jährigen Martin D. dreieinhalb Jahre Haft, Sven T. (26) muss für drei Jahre ins Gefängnis. Und der 23 Jahre alte Jan G. erhielt eine Bewährungsstrafe von 14 Monaten.

„Sie gaben vor, helfen zu wollen“, sagte der Vorsitzende Richter Torsten Schwarz an die Angeklagten gewandt. Und die älteren Menschen, bei denen die Männer geklingelt hatten, „die freuten sich, weil sie glaubten, da sind Handwerker. Doch Sie waren nicht gekommen, um zu helfen, sondern um zu stehlen.“ Wenn die Männer Schmuck erbeutet hatten, versuchten sie, die Ware bei einem Juwelier zu versetzen. Was der Händler nicht kaufen wollte, das schmissen die Diebe in den Müll.

Richter redete den Angeklagten ins Gewissen

„Das sind Schmuckstücke, die vielleicht nicht so wertvoll sind, dass sich ein Juwelier dafür interessiert“, redete der Richter den Angeklagten ins Gewissen. „Aber diese Schmuckstücke bedeuten diesen Senioren sehr, sehr viel.“ Damit hätten die Diebe „auch ein Stück weit das Leben der Opfer in den Müll geworfen“. Dass die drei Männer sich zu einer Bande zusammengetan hatten, sei ihnen nicht nachzuweisen. Es handele sich jedoch jeweils um einen besonders schweren Diebstahl.

Die Taten hatten sich in der Zeit von Mai bis Juli vergangenen Jahres ereignet. Die drei Männer hatten demnach ganze Stadtviertel in Hamburg und Grömitz abgegrast, um geeignete Tatobjekte zu finden. Die Strategie der Diebe: Während zwei Männer an einer Haustür klingelten und versuchten, mit einer Legende Zutritt zu den Wohnungen betagter Mieter zu bekommen, blieb Jan G. in der Nähe des Autos und stand Schmiere.

Mehrere Seniorinnen ausgetrickst

So hatten die Täter unter anderem am 3. Mai vergangenen Jahres bei einer 86-Jährigen in Farmsen-Berne geklingelt und behauptet, sie kämen von den Stadtwerken und müssten einen Wasserrohrbruch, der sich in einer anderen Wohnung ereignete habe, beseitigen.

Während die alte Dame nun im Badezimmer stand und im Auftrag eines Diebes nach Eimern oder Schüsseln suchte, stahl ein Komplize Schmuck und Münzen. Auch bei der schwer kranken Helga M. in Grömitz behaupteten die falschen Handwerker, sie müssten einen Wasserrohrbruch reparieren. Während die auf ihr Sauerstoffgerät angewiesene Seniorin nun die Wasserhähne je nach Anweisung auf und zu drehte, klaute ein anderer Täter 3200 Euro Bargeld.

Opfer: „Die waren so freundlich und nett“

„Die waren so freundlich und nett“, hatte eines der vier Opfer im Prozess als Zeugin ausgesagt. Deshalb habe sie auch keinen Verdacht geschöpft, als sie Männer meinten, sie müssten in die Wohnung, um Reparaturen durchzuführen. Als die Täter bei einem ihrer Versuche, den Trickdiebstahl durchzuziehen, außer auf die Mieterin auch auf deren Mann trafen, brachen sie ihr Vorhaben ab — und suchten sich ein anderes Opfer, das allein zu Hause war.

Der Richter sprach von einem „hochprofessionellen Vorgehen“ der Diebe. „Sie sind den ganzen Tag unterwegs und suchen ältere Menschen aus, die noch vertrauensvoll durch die Welt gehen“, sagte der Vorsitzende. „Sie dringen in den privaten Raum der Opfer ein, das ist heftig.“

Polizei hatte die Männer observiert

Die drei Angeklagten, von denen der 32-Jährige und der 26-Jährige einschlägig vorbestraft waren, hatten die Taten im Wesentlichen gestanden. Ferner waren teilweise von Ermittlern Fingerspuren der Männer an den Tatorten gesichert worden. Und nicht zuletzt: Zumindest drei der Diebstähle hatten gewissermaßen unter den Augen der Polizei stattgefunden. Die Männer waren observiert worden. Das sei zwar strafmildernd zu berücksichtigen, so der Richter. „Aber am Ende begehen Sie die Straftaten und nicht die Polizei.“