Hamburg. Für Mieter gelten zur EM klare Regeln in Sachen Dekoration. Wie man angesichts der Rassismus-Skandale Flagge zeigen sollte.
Eigentlich hatten wir ein so gutes Bild abgegeben. Damals, 2006, beim Sommermärchen. Weltmeisterschaft in Deutschland, wie gern erinnert man sich. An ein Land, in dem die Sonne schien, die Menschen strahlten und die Gastgeber die Welt willkommen hießen, bis hinein in die eigenen vier Wände, aufs heimische Sofa. Die Zeit des Couchsurfing war eine, in der man seine Heimat toll finden konnte, sportlich, aber auch einfach mal so.
So entstand eine neue, tatsächlich ungezwungene patriotische Haltung: Deutschland-Fahnen, ganze Meere davon, prägten dieses positive Bild. Sie wurden geschwenkt, hochgehalten, überall aufgehängt. Und niemand kam auf die Idee, das seltsam zu finden.
EM in Hamburg: Dem „Ausländer raus“-Hass etwas entgegensetzen
Was das nun alles mit Immobilien zu tun hat? Naheliegende Frage, weitschweifende Antwort. In nicht mal mehr drei Wochen startet die EM in Deutschland. Zeit also, um die Fahnen wieder aus dem Keller zu holen und Fenster und Balkone zu dekorieren. Vielleicht gerade jetzt, um dem „Ausländer raus“-Hass etwas entgegenzuschwenken.
An dieser Stelle sollte es eigentlich darum gehen, welche Spielregeln dabei gelten, also in Sachen Mietrecht. (Denn wenn wir Deutsche eines haben, sind es Regeln.) So also Anfrage beim Mieterverein zu Hamburg. Der erklärt: Bei der Dekoration können sich Mieter austoben – solange niemand gestört oder gefährdet wird. „Mannschaftsposter oder Nationalfahnen dürfen immer an die Innenseite der Fenster in den Wohnungen gehängt werden“, heißt es. „Auf dem Balkon dürfen auch Flaggen gezeigt werden. Sie müssen jedoch so gut gesichert sein, dass sie nicht herunterfallen können.“
Deutschlandfahne auf dem Balkon – keine Frage der Halterung, sondern der Haltung
Schwierig wird es jedoch, wenn eine Halterung montiert oder aus anderen Gründen in die Bausubstanz des Hauses eingegriffen werden solle – das gehe nur mit Erlaubnis des Vermieters. Wer eine Nationalflagge aus dem Fenster hängen möchte, müsse dafür Sorge tragen, dass diese nicht nur sicher befestigt ist, sondern auch nicht vor die Fenster von Nachbarn wehen kann.
Halterungen sind das eine, sehr viel wichtiger aber ist die Haltung: „Verboten sind jedoch Plakate mit stark polarisierenden, beleidigenden oder gar hetzenden Meinungsäußerungen.“
EM in Hamburg – 18 Jahre nach dem Sommermärchen ist eine andere Zeit
Die Antwort des Mietervereins kam vor Pfingsten, also bevor in Clubs auf Sylt, auf einer Party im Elite-Internat Louisenlund, auf Schützenfesten und dem Schlagermove Nazi-Parolen gegrölt wurden. Bis dahin, so dachte man, sei der letzte Satz eine Selbstverständlichkeit. Genauso wie Deutschland-Fahnen bei der EM.
Doch jetzt stellt sich die naheliegende Frage: Kann man diese eigentlich noch schwenken, hochhalten, damit seinen Balkon dekorieren?
18 Jahre nach dem Sommermärchen ist eine andere Zeit. Eine, in der man sich nicht einfach nur zum Public Viewing auf dem Heiligengeistfeld versammelt, sondern auch zu Demos gegen Rechtsextremismus.
Rassismus-Skandale: Flagge zeigen hat zur EM 2024 eine andere Bedeutung
Flagge zeigen hat eine andere Bedeutung. Und wer das auch sprichwörtlich tun möchte, kann ja die 2024er-Version wählen: die bunte. Am Balkongitter Wimpelketten mit den Flaggen aller Nationen. Darüber eine Regenbogenfahne. Und neben der Deutschlandflagge im Fenster ein Transparent mit der Aufschrift „FCK NZS“.
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Und dann? „Einer intensiven, lautstarken und zum Teil nach außen wahrnehmbaren Verfolgung der spannenden Spiele durch Mieterinnen und Mieter eines Mehrfamilienhauses steht nichts im Wege“, heißt es vom Mieterverein. „Um den Hausfrieden nicht zu gefährden, sollte man dabei aber Rücksicht auf die Nachbarn nehmen, besonders nach 22 Uhr.“
EM in Hamburg: Mieter müssen auf Nachtruhe achten – zum Feiern lieber in die Kneipe
Denn anders als beim öffentlichen Public Viewing gilt die Nachtruhe im privaten Bereich auch während der EM. Wer also Freunde zum Fernsehabend im Garten oder auf dem Balkon einlädt, muss die üblichen Ruhezeiten einhalten, so der Immobilienverband Deutschland IVD. Bei Ruhestörungen drohten Bußgelder, bei Wiederholungen seien Vermieter sogar zur fristlosen Kündigung berechtigt.
Der Mieterverein empfiehlt allen, die auch nach 22 Uhr lautstark auf Tore anstoßen möchten, in die nächstgelegene Kneipe umzuziehen. Da kann gefeiert werden, gemeinsam mit Menschen aller Nationen.