Hamburg. Es wirkt skurril: Der einstige deutsche Diktator warnt auf YouTube vor den Gefahren des Rechtsrucks in Europa. Was die Polizei dazu sagt.

Mit einem äußerst bizarren Video warnt der Hamburger Verein Laut gegen Nazis vor den Gefahren des Rechtspopulismus in Europa. Aufgebaut ist der zweiminütige Clip wie eine Nachrichtensendung. „Der WakeUp Call“ heißt der Video-Podcast auf YouTube, der an diesem Donnerstag gestartet ist. Der Sprecher ist kein Geringerer als Adolf Hitler.

„Guten Morgen und willkommen bei den Nachrichten“, sagt Schauspieler Rauand Taleb, bekannt aus der TV-Serie „4 Blocks“. Seine Stimme ist verzerrt, klingt wie die des einstigen deutschen Diktators, der für sein rollendes R und seine überspitzte, aufgeregte Aussprache bekannt ist. Künstliche Intelligenz sorgt für diesen Sound, genau wie die KI hinter Talebs Maskerade steckt: Mit Scheitel und Schnauzbärtchen sieht er Hitler zum Verwechseln ähnlich.

YouTube: Hamburger Verein lässt Adolf Hitler die Nachrichten vorlesen

Dann trägt der Moderatoren-Hitler eine Nachricht vor, die der Saarländische Rundfunk (SR) vor Kurzem vermeldet hatte. Es geht darum, wie Rechtsextreme versuchen, Jugendliche mithilfe von Videospielen zu ködern und zu beeinflussen. Alles selbstverständlich in Hitler-Manier vorgetragen.

Dass Laut gegen Nazis auf eine Recherche des öffentlich-rechtlichen Senders verweist, „nehmen wir gelassen zur Kenntnis“, erklärte SR-Sprecher Dieter Schmitt dem Abendblatt.

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Ziel des Formats ist es laut dem Verein aus St. Pauli, die Bevölkerung vor dem wachsenden Einfluss der Rechtspopulisten in Europa zu warnen. Viele Nachrichten würden überhört, heißt es in der Mitteilung weiter. Deshalb brauche es „drastische Mittel“, um die Menschen wachzurütteln. Und was wäre drastischer als Adolf Hitler?

„Er verleiht den Meldungen maximale Aufmerksamkeit und wirkt gleichzeitig als mahnendes Beispiel“, sagen die Macher der Clip-Reihe. Zehn weitere Folgen sollen in den kommenden Wochen online gehen. In jeder trägt der einstige Diktator eine Nachricht vor, die auf den Rechtsruck in Europa aufmerksam machen soll.

Laut gegen Nazis: „Hitler verleiht den Meldungen maximale Aufmerksamkeit“

Häufig wird in solchen Fällen der Paragraf 86 des Strafgesetzbuches (StGB) ins Spiel gebracht. Dieser behandelt das „Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen“.

Polizeisprecher Sören Zimbal erklärte auf Abendblatt-Anfrage, dass dieses zweiminütige Video von Laut gegen Nazis „keinen Anfangsverdacht für eine Straftat“ liefert. Zu dieser Erkenntnis sei auch der Staatsschutz gelangt, der sich den Youtube-Clip ebenfalls angeschaut habe. Ermittelt wird deshalb nicht. Auch für den Hamburger Verfassungsschutz sei die Aktion kein Fall, hieß es vonseiten der Innenbehörde.

FDP Hamburg sieht das neue Format von Laut gegen Nazis problematisch

Problematisch sieht hingegen die Hamburger FDP das neue Format des Vereins. „Kunst ist frei, mich persönlich holt diese Form aber nicht ab. Der Nazivergleich ist inzwischen so abgenudelt, dass er viele Menschen eher bockig macht“, äußerte sich Sprecher Matthias Still auf Anfrage.

Zwar verteidige man als Liberale die Freiheit der Kunst, gleichzeitig aber auch die eine liberale Demokratie. Und hier sieht der Fraktionsangehörige das Problem: „Der Schlachtruf ‚Gegen Rechts‘ birgt die Gefahr, dass nur noch linke Meinungen als legitim angesehen werden sollen. Das ist nicht besonders demokratisch. Andere europäische Länder zeigen es: Wenn die Menschen das Gefühl haben, dass die Politik die Kontrolle über die Migration verloren hat, wählen sie rechtspopulistisch“, sagte Still. Stattdessen müsse man sich deshalb jetzt darauf konzentrieren, Einwanderung zu ordnen. „Dafür machen wir uns stark“, so der Sprecher.

Grüne Hamburg befürwortet Maßnahme des Vereins

Maryam Blumenthal, Landesvorsitzende der Grünen in Hamburg, beurteilt die Sachlage ganz anders: „Wir brauchen gerade jetzt laute und unkonventionelle Formate, die über Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit aufklären. Rechtsextreme schrecken vor nichts zurück, um jüngere Menschen zu erreichen - gerade im Internet und in den sozialen Medien“, so Blumenthal. Wenn diese Aktion viel Aufmerksamkeit „für dieses wichtige Thema“, erzeuge, sei das Ziel erreicht.

Mit dem Aufkommen neuer Formate verändere sich laut Blumenthal auch immer die Erinnerungskultur, dessen Lebendighalten eine gesellschaftliche Aufgabe sei. „Alle demokratischen Parteien stehen in der Pflicht, jeder Form von Rechtsextremismus entschieden entgegenzutreten. Aber das können wir nicht alleine. Wir sind bei dem Schutz unserer Demokratie zwingend auf die Zivilgesellschaft und Organisationen wie „Laut gegen Nazis“ angewiesen“, so die Grünen-Landesvorsitzende.

Es sei nicht verwerflich, einen KI-generierten Adolf Hitler die Nachrichten einsprechen zu lassen, „wenn er dabei vor Nazis warnt“. „Der Nationalsozialismus und die Verbrechen Adolf Hitlers dürfen niemals verharmlost oder relativiert werden. Das passiert hier aber nicht. Eine Tabuisierung der Person Adolf Hitler im Kampf gegen Rechtspopulismus und -extremismus ist auch nicht hilfreich“, sagt Blumenthal.

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Laut gegen Nazis ist ein Verein aus Hamburg-St. Pauli, der nach eigener Aussage Initiativen und Bündnisse gegen rechts unterstützt, vornehmlich im Bereich Öffentlichkeitsarbeit. Aber auch beim Knüpfen von Netzwerken und bei Veranstaltungen seien die Mitglieder behilflich.