Hamburg. Wohnung in St. Georg diente laut Anklage als Bombenwerkstatt. Wie der perfide Plan der mutmaßlichen IS-Anhänger ablaufen sollte.
Der Plan für einen Terroranschlag war weit vorangeschritten, viele Materialien für die Herstellung einer Bombe waren bereits beschafft: Mit diesen Vorbereitungen für ein terroristisches Attentat sollen zwei syrische Brüder eine Attacke auf eine Kirche in Schweden eingeleitet haben – mit einer Wohnung in Hamburg als zentrale Operationsstätte. Laut Anklage ging es darum, bei einem radikal-islamistischen Anschlag möglichst viele Menschen zu töten.
Seit Montag müssen sich die beiden Männer vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht verantworten. Die Anklage wirft dem älteren der beiden Brüder, einem 29-Jährigen, in dem Prozess unter anderem versuchte mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland vor sowie die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat.
IS-Prozess in Hamburg: Anschlag als Reaktion auf Koranverbrennungen
Dabei habe er für die Terrororganisation IS gehandelt. Sein fünf Jahre jüngerer Bruder soll die Taten unterstützt beziehungsweise Beihilfe dazu geleistet haben. Mit dem Anschlag habe gewaltsam auf Koranverbrennungen in Schweden reagiert werden sollen, so die Generalstaatsanwaltschaft in der Anklage.
Der 29-Jährige, der in St. Georg lebte, hatte laut Anklage bereits mehrere Komponenten für den Bau einer Bombe im Internet bestellt und geliefert bekommen. Als er weitere Materialien online kaufen wollte, wurde offenbar zunächst der amerikanische Geheimdienst auf den in Damaskus geborenen Mann aufmerksam. Der US-Geheimdienst informierte die deutschen Behörden, die den Syrer seitdem überwachten. Ende April wurde der Mann in Hamburg verhaftet.
Islamischer Staat: Beide Männer wurden im Frühjahr festgenommen
Einen Monat später wurde auch sein in Kempten (Allgäu) lebender Bruder gefasst. Die beiden Männer sollen sich durch islamistische Propaganda radikalisiert haben. Der IS ist eine islamistische Vereinigung, die sich zum Ziel gesetzt hat, einen Gottesstaat zu errichten, und die unter anderem Sprengstoffanschläge als Mittel akzeptiert.
Die Anklage geht davon aus, dass sich Ali B. (Name geändert) an einen Angehörigen des IS-nahen Al-Saqri-Instituts für Kriegswissenschaften wandte und diesem seine Pläne erläuterte. Diesem Mann, der sich „Emir“ genannt habe, habe der 29-Jährige mitgeteilt, er wolle einen Anschlag auf eine Kirche in Schweden durchführen, und zwar an einem Tag, an dem dort viele Menschen versammelt seien. Besonders perfide: Wenn Sicherheitskräfte am Ort des Geschehens eintreffen würden, solle es einen zweiten Anschlag geben.
Einer der Angeklagten habe dem IS „unbedingten Gehorsam“ zugesichert
Den Ermittlungen zufolge hatte sich Ali B. zuvor dem IS angeschlossen und „unbedingten Gehorsam“ zugesichert. Der „Emir“ habe zugesagt, die Brüder würden für die Vorbereitung des Anschlags ausgebildet und bei der Ausführung unterstützt. Zunächst sei Alis jüngerer Bruder Ahmed (Name geändert) noch zögerlich gewesen, sich an einem Sprengstoffanschlag zu beteiligen. Er habe vor der Begehung der Tat „Angst“ gehabt, soll der 24-Jährige mitgeteilt haben.
Daraufhin habe sein älterer Bruder ihm ein Video über eine Koranverbrennung in Schweden zugesandt, in dem es hieß, man solle „Ungläubige bekämpfen und töten“. Schließlich habe der jüngere zugesagt, er werde „lernen und weitermachen“ und an seiner „Motivation arbeiten“. Ali B. allerdings war offenbar schon länger hoch motiviert.
Laut Anklage hatte er intensive Kontakte zur Terrormiliz IS. Vor allem aus seinen Chats geht hervor, dass der 29-Jährige offenkundig dabei war, die Bestandteile für einen Sprengsatz zu besorgen, in enger Absprache mit seinem Kontaktmann „Emir“. Dieser half demnach mit präzisen Anweisungen, welche Chemikalien Ali B. besorgen sollte. Er schickte ihm laut Anklage auch Bilder, auf denen zu sehen war, wie er den Sprengsatz bauen sollte. „Ich schicke Rezepte“, hieß es in einem Chat.
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Nachdem Ali B. vergeblich versucht habe, eine bestimmte Chemikalie unter anderem in einem Drogeriemarkt zu beschaffen, bestellte er laut Anklage die für die Herstellung einer Bombe notwendigen Materialien im Internet und bekam mehrere Komponenten für einen Zündsprengstoff in seine Wohnung in St. Georg geliefert. Es war jedoch eine Mission mit Hindernissen. So schlug den Ermittlungen zufolge unter anderem die Zusendung einer Chemikalie an die Adresse von Ali B. fehl, weil der Paketbote den Namen des Adressaten auf den Klingelschildern des Wohnhauses in St. Georg nicht finden konnte.
IS-Prozess in Hamburg: Angeklagter schreibt, er habe für die Bombe „alles besorgt“
Daraufhin habe der 29-Jährige diese Komponente erneut geordert, diesmal unter einem Aliasnamen, der auch am Klingelschild stand. Schließlich soll er dem „Emir“ mitgeteilt haben, er habe „alles besorgt“, was für den Bombenbau notwendig sei. Allein eine letzte erforderliche Chemikalie hing offenbar noch beim Zoll fest.
Zum Prozessauftakt wollten sich weder Ali B., ein Mann mit Vollbart, noch sein jüngerer Bruder zu den Vorwürfen äußern. Die Männer sollen 2015 nach Deutschland gekommen sein, allerdings nicht gemeinsam. Beide verfolgten die Verlesung der Anklage ohne sichtbare Regung. Der Prozess ist auf zunächst 13 Verhandlungstage bis zum 11. Januar terminiert.