Hamburg. Neuer Prozess vor dem vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht gegen die Witwe des IS-Schergen Denis Cuspert. Erklärung am Freitag.

Sie ist die Witwe des früheren IS-Schergen Denis Cuspert. Schon vorher folgte sie einem anderen Mann ins Gebiet des Islamischen Staates (IS) nach Syrien und lebte dort mit ihren kleinen Kindern in der Hochburg der Terrororganisation in Rakka. Sie sitzt aktuell eine dreieinhalbjährige Freiheitsstrafe ab, die gegen sie wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation verhängt wurde. Die Frage ist: Hat Omaima A. auch als Mitglied des IS dazu Beihilfe geleistet, zwei Jesidinnen zu versklaven? Und: Wie ist heute die Einstellung der 36-Jährigen zu der Terrororga­nsation?

Diese Fragen sollen seit Donnerstag in einem Prozess gegen die Deutsch-Tunesierin vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht geklärt werden. Die Rolle als Angeklagte ist Omaima A. nur zu vertraut; erst Anfang Oktober wurde sie verurteilt. Obwohl sie schon länger wieder in Deutschland ein westliches Leben begann und auch den Schleier ablegte, habe sie mit ihrer Überzeugung noch nicht gebrochen, hielt ihr seinerzeit der Vorsitzende Richter in der Urteilsbegründung vor. Und jetzt, gut acht Monate später?

Vierfache Mutter soll Beihilfe zur Versklavung zweier Jesidinnen geleistet haben

Ein modisches Käppi thront auf dem Kopf der Angeklagten. Das lange dunkle Haar trägt sie offen. Mit festem Schritt, den Blick gerade nach vorn gerichtet, strebt Omaima A. ihrem Platz auf der Anklagebank zu; einmal kurz winkt die Frau in Richtung der Zuhörer. Mit klarer, heller Stimme beantwortet sie die Fragen zu ihren Personalien, danach kommt an diesem ersten Verhandlungstag nur noch Schweigen. Was Omaima A. zu den Vorwürfen zu sagen hat, dazu soll am nächsten Verhandlungstag an diesem Freitag Stellung bezogen werden, kündigt ihr Verteidiger an.

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Die vierfache Mutter ist angeklagt, weil sie Beihilfe zur Versklavung zweier Jesidinnen geleistet haben soll, die eine soll zur Tatzeit 13 Jahre alt, die andere bereits erwachsen gewesen sein. Zu Beginn des Jahres 2016 soll sie in ihrer Wohnung im syrischen Rakka zweimal eine andere IS-Anhängerin empfangen haben, die die beiden jungen Jesidinnen mitgebracht habe.

Mussten Frauen die Wohnung der Angeklagten putzen?

Bei der damaligen Besucherin soll es sich um die ebenfalls aus Deutschland stammende Sarah O. gehandelt haben, eine der bekanntesten deutschen Anhängerinnen der Dschihadistenmiliz IS, die sich bereits im Alter von 15 der Terrororganisation angeschlossen habe. Die 23-jährige Sarah O. wurde gerade vom Oberlandesgericht Düsseldorf wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung sowie Verbrechens gegen die Menschlichkeit zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt.

Während der Besuche ihrer Bekannten hätten die versklavten Frauen die Wohnung putzen müssen, heißt es in den jetzigen Vorwürfen gegen Omaima A.. Damit habe sich die 36-Jährige neben der Beihilfe zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch der Freiheitsberaubung schuldig gemacht, so die Generalstaatsanwaltschaft.

Völlige Vernichtung der jesidischen Kultur

Der Angeklagten sei bewusst gewesen, dass es sich bei den Jesidinnen um vom IS versklavte Frauen handelte. Sie habe mit ihrem Tatbeitrag das vom IS unterhaltene Sklavereisystem gegen die Jesiden unterstützt, lauten die Vorwürfe. Eines der Ziele des IS sei die völlige Vernichtung der jesidischen Kultur gewesen.

So habe die Terrororganisation unter anderem die Tötung und die Versklavung von Jesiden als gerechtfertigt erachtet. Die 36-jährige Omaima A. ist in Hamburg geboren. Anfang 2015 folgte sie ihrem damaligen Mann nach Syrien und schloss sich dort den Dschihadisten an. Nach dem Tod ihres Mannes heiratete sie dessen Freund Denis Cuspert. Der Berliner Gangsterrapper, der als „Deso Dogg“ bekannt geworden war, hatte sich 2014 dem IS angeschlossen und stand in den USA auf der Terrorliste.

„Deso Dogg“ wurde 2018 bei einem Luftangriff getötet

Er wurde 2018 in Syrien bei einem Luftangriff getötet. Während sie von Cuspert mit ihrem vierten Kind schwanger war, flüchtete Omaima A. im Jahr 2016 aus Rakka und gelangte über die Türkei zurück nach Deutschland. Hier lebte sie fast drei Jahre lang, bis sie von einer Journalistin enttarnt und schließlich vor Gericht gestellt wurde. Ihre vier Kinder sollen inzwischen bei Verwandten leben, heißt es.

Das Urteil vom Oktober 2020 wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation im Ausland gegen Omaima A. ist seit März rechtskräftig. In dem neuen Prozess wird es voraussichtlich zu einer juristischen Verständigung kommen. Mit dem früheren Urteil, das die Angeklagte aktuell verbüßt, würde dann eine Gesamtstrafe gebildet, erklärte die Vorsitzende Richterin Ulrike Taeubner am Donnerstag.

Würde die Angeklagte Omaima A. die Vorwürfe glaubhaft einräumen, könne es zu einer Gesamtfreiheitsstrafe zwischen drei Jahren und zehn Monaten und vier Jahren und drei Monaten kommen. Die Angeklagte müsse aber zudem, so das Gericht am Donnerstag, erklären, warum sie im ersten Prozess noch bestritten hatte, dass Sklavinnen für sie putzen mussten.