Hamburg. Juan Sebastián Mejía verkauft auf dem Großneumarkt Kaffee aus seiner Heimat – und radelt dafür jährlich Hunderte Kilometer.

Pläne hatte er immer viele. Geworden ist nicht aus allen etwas. Aber immerhin aus vielen. Dass der 42 Jahre alte Kolumbianer Juan Sebastián Mejía aber einmal sein Glück darin finden würde, in Hamburg fair gehandelten und klimafreundlich transportierten Kaffee zu verkaufen – das hätte er vor zehn Jahren wohl eher nicht gedacht.

Doch genau so ist es gekommen. Und mehr noch: Mejía hat mit seiner Idee ein Netzwerk von Hamburg, über Amsterdam bis nach Kolumbien geschaffen, das von seinem Projekt begeistert ist und das im Zweifel auch mal selbst in die Pedale tritt, wenn mal ein paar Säcke Kaffee von Amsterdam nach Hamburg transportiert werden sollen. Kiloweise Kaffee mit dem Lastenrad transportieren? O ja.

Kolumbianer verkauft klimafreundlichsten Kaffee Hamburgs

Wer Juan Sebastián Mejía kennenlernt, dem wird schnell klar: Halbe Sachen sind nicht sein Ding. Und wenn er „klimafreundlich“ sagt, dann meint er das auch. Aber nun von vorn.

2008 kommt Mejía aus Kolumbien in die Schweiz – hier will er seinen Master in Politikwissenschaften machen. Während dieses Aufenthalts lernt er seine Frau Janina, die aus Hamburg kommt, kennen. Was beide verbindet: die Lust, etwas zu bewegen.

Gemeinsam gehen sie nach dem Studium zunächst in Mejías Heimat Kolumbien, gründen in Bogotá eine NGO (Nicht-Regierungs-Organisation) und engagieren sich in zahlreichen Projekten für Kinder. Schließlich vermacht ihnen Mejías Vater ein Grundstück, das etwa zwei Autostunden von Bogotá entfernt liegt.

In Hamburg fing alles mit ein paar Packungen Kaffeebohnen an

Dort bauen sie ein Haus, das sie zum Teil als Pension betreiben, bekommen zwei Töchter und versuchen in der ländlichen Region Fuß zu fassen. Doch so schön es ist: Mit dem Kita- und Bildungssystem ist das Paar nicht zufrieden. Schließlich entscheidet die beiden: Um ihren Töchtern eine gute Ausbildung zu ermöglichen, ziehen sie nach Hamburg.

Mit im Gepäck: ein paar Packungen Kaffeebohnen. Ein Freund aus Kolumbien mit einer eigenen kleinen Kaffeeplantage hatte Mejía gebeten zu schauen, ob man die in Hamburg verkaufen könnte. Mejía, der eigentlich vorhatte, hier seine Doktorarbeit zu schreiben, will sich gleich darum kümmern.

Schnell stellt er fest: Ganz einfach wird er die Bohnen in Hamburgs Geschäften nicht los. Das Hauptproblem: „Die Leute wussten nicht, ob der Kaffee schmeckt, weil ich keine Verkostung anbieten konnte.“ Was macht Mejía? Er kauft sich ein Lastenfahrrad und eine Espressomaschine, gründet das Label „Kaffair“ und stellt sich mit den Kaffeebohnen von seinem Freund auf den Wochenmarkt um die Ecke.

Kaffeetransport mit dem Containerschiff? Mejía fand Alternativen

Und da kommen nicht nur viele Hamburger Kaffeetrinker auf den Geschmack, sondern auch Mejía selbst. Es macht ihm Spaß zu verkaufen, und er glaubt, dass er das Projekt noch verbessern kann. Wie? Mejía findet eine Kooperative, die den Kaffee bei den Kaffeebauern direkt zu höheren Marktpreisen einkauft und die die Gewinne direkt zurück an die Bauern gibt. Ein Social Business also.

Doch auch das reicht Mejía noch nicht. „Mir hat es nicht gefallen, dass der Kaffee mit Containerschiffen nach Europa transportiert wird. Ich wollte mein Geld nicht mit etwas verdienen, das die Umwelt verschmutzt.“

Und so macht er sich wieder auf die Suche nach Alternativen und wird fündig: Mit der holländischen Firma fair transport findet er ein Unternehmen, das den Transport klimafreundlich von Kolumbien bis nach Amsterdam mit einem Segelboot übernimmt.

Juan Sebastián Mejía, Kaffeeverkäufer vom Großneumarkt, holt die Lieferung per Fahrrad aus Amsterdam ab.
Juan Sebastián Mejía, Kaffeeverkäufer vom Großneumarkt, holt die Lieferung per Fahrrad aus Amsterdam ab. © Cata Alvarado

Kaffeetransport von Amsterdam nach Hamburg – mit dem Fahrrad

Aber auch das reicht Mejía nicht: „Es blieb noch die Strecke von Amsterdam bis Hamburg, die ich optimieren wollte.“ Und das ist dann der Moment, in dem er erfährt, dass er mit seiner Idee längst viele mitgerissen hat. Denn als er seine Kunden fragt, ob jemand mit ihm die Kaffeelieferung aus Amsterdam mit dem Lastenrad abholen würde, findet sich sofort eine Truppe zusammen – genauso wie Anbieter, die ihnen für die Tour die Räder stellen.

Das war 2020. Seitdem macht sich die Fahrradgruppe einmal im Jahr auf den Weg nach Amsterdam und holt rund 700 Kilogramm Kaffeebohnen für das kommende Jahr ab. Unterwegs schlafen sie im Freien oder bei Menschen, die die Idee gut finden und unterstützen.

Juan Sebastián Mejía (Mitte) holt die Kaffeebohnen-Lieferung mit Unterstützern per Fahrrad aus Amsterdam ab. Das Bild zeigt die Ankunft am Großneumarkt vergangene Woche.
Juan Sebastián Mejía (Mitte) holt die Kaffeebohnen-Lieferung mit Unterstützern per Fahrrad aus Amsterdam ab. Das Bild zeigt die Ankunft am Großneumarkt vergangene Woche. © Tina Fuchs

Hamburger Kaffeemann vom Großneumarkt hat noch mehr Pläne

Gerade erst in der vergangenen Woche stand die Tour wieder an. Und wieder waren alle, die es einrichten konnten, dabei. Dass Mejía weitere Pläne hat, versteht sich von selbst: Ein Kollektiv gründen, einen Laden öffnen, noch mehr Kaffeebauern unterstützen. Aber vorerst ist er auch so glücklich. „Meine Doktorarbeit habe ich zwar bis heute nicht geschrieben. Aber ich könnte mir nichts Schöneres vorstellen als das.“

Info: Wer Juan Sebastián Mejía „Kaffair“ probieren und kaufen möchte, der findet ihn und seinen Lastenfahrrad-Stand dienstags und donnerstags vor dem Chilehaus und mittwochs und sonnabends auf dem Wochenmarkt auf dem Großneumarkt.