Hamburg. Betroffene berichten von Verkäufern, die an der Haustür Druck ausüben. Was sie erleben – und wie die Telekom darauf reagiert.

Höhere Internetgeschwindigkeit, stabilere Leitungen, weniger Störungen: Mit diesen Versprechen bewirbt die Telekom derzeit in ganz Hamburg auf pinken Plakaten den lange geforderten Ausbau des Glasfasernetzes. Bis Ende 2025 will das Unternehmen 540.000 Haushalte in der Hansestadt mit dieser Technik ausstatten. Doch viele Hamburger sind inzwischen genervt.

Der Grund: In regelmäßigen Abständen klingeln Menschen, die sich selbst als Telekom-Mitarbeiter vorstellen, an den Türen und versuchen Verträge zu verkaufen. Und das, wie Betroffene berichten, zum Teil sehr penetrant. Dass diese Gespräche nicht immer angenehm verlaufen, hat auch Gerhard W. aus Hamm erlebt.

Telekom: Glasfaser-Ausbau – Hamburger fühlen sich von Mitarbeitern bedrängt

„Vor acht Wochen fing das Ganze an“, erzählt der 74-Jährige. Der erste Telekom-Mitarbeiter sei „noch ganz angenehm“ gewesen, doch ein „Nein“ habe auch er nicht wirklich akzeptieren wollen. „Er hat mir dann erzählt, dass ich als Mieter für einen Glasfaseranschluss später über 2000 Euro zahlen muss, wenn ich jetzt nicht direkt zustimme“, erinnert sich Gerhard W. zurück und weiß: „Das ist totaler Quatsch.“

Mindestens drei Mal seien danach noch Telekom-Mitarbeiter vorbeigekommen, doch Gerhard W. fiel auf die Masche nicht herein – auch nicht in der vergangenen Woche, als die Vertriebler erneut die Runde im Viertel machten. „Ein junger Typ Anfang 20 klingelte bei mir und meinte sehr unfreundlich, ich müsse jetzt sofort hier einen neuen Telekom-Vertrag unterschreiben, weil Glasfaser gelegt wird“, sagt der 74-Jährige und meint: „Das ist für mich Betrug, was die machen.“

Hamburger warnen ihre Nachbarn in Internetforen vor Telekom-Mitarbeitern

Und auch andere Anwohner scheinen schon Erfahrungen mit den Vertriebsmitarbeitern gemacht zu haben. In Nachbarschaftsforen im Netz gibt es Warnungen à la: „Vorsicht, es sind wieder Telekommitarbeiter unterwegs.“

„Bei uns waren die auch bereits dreimal und haben versucht, einem einen Vertrag aufzuschwatzen. Sie stellen es allerdings so dar, als wenn standardmäßig das Netz erneuert wurde und man einfach auf eine bessere Leitung umgestellt wird. Dass damit ein Telekomvertrag einhergeht und die Glasfaserleitung wohl erst in ein bis zwei Jahren überhaupt ins Haus gelegt wird, kommt erst nach einigen Nachfragen raus“, beschreibt ein User im Forum Nebenan.de seine Erfahrungen.

Telekom arbeitet für den Vertrieb mit der Firma Ranger zusammen

Eine weitere Anwohnerin berichtet: „Bei mir waren sie schon das dritte Mal. In diesem Jahr. Mehrmals habe ich gesagt, dass ich kein Interesse habe. Aber der Mann plappert einfach weiter.“

„Die Jungs erzählen Märchen und versuchen, an der Haustür Druck zu machen. Sollte verboten werden“, meint ein weiterer User aus Hamburg-Hamm.

Doch was sagt die Telekom zu den Vorwürfen? „Der Direktvertrieb ist ein wichtiger Kanal, der Kundinnen und Kunden eine umfassende Beratung und einen Service bei sich zu Hause bietet und daher sehr geschätzt wird“, äußert sich Sprecherin Stefanie Halle auf Anfrage. Diese Art der Erfahrungen entspreche aber „in keinster Form den Regeln und Vorgaben des Telekommunikationsunternehmens“, versichert die Sprecherin der Telekom, die für diese Art des Vertriebs mit der Firma Ranger zusammenarbeite.

Telekom verweist auf „Code of Contact“ für alle Mitarbeiter im Haustür-Vertrieb

Alle Vertriebspartner hätten sich vertraglich einem „Code of Contact“ verpflichtet, in dem der Umgang mit dem Kunden festgelegt sei. „Dazu gehören zum Beispiel Telekom-Kleidung, ein Ausweis mit Lichtbild in Sichthöhe sowie ein Autorisierungsschreiben der Telekom. Darüber hinaus haben die Direktvermarkter eine Rückrufnummer dabei, über die man per Telefon den Mitarbeitenden identifizieren lassen kann“, sagt Sprecherin Halle.

Zu dem „Code of Contact“ gehöre außerdem eine Ü80-Regelung. Diese besagt, dass der Vertragsabschluss für Glasfaseranschlüsse nur bis zu einem Alter von 85 Jahren möglich ist. Bei der Direktvermarktung für alle anderen Verträgen gelte die Altersgrenze 80 Jahre. „Kunden dieses Alters werden an den nächsten Shop oder Hotline verwiesen“, heißt es von der Telekom.

Nach jedem Vertragsabschluss soll ein Anruf von der Telekom erfolgen

Des Weiteren erhalte jeder Kunde nach einem Beratungsgespräch mit einem Vertriebsmitarbeiter an der Haustür einen „nachgelagerten Qualitäts-Call“, so das Versprechen des Unternehmens. Darin werde jedem Kunde noch einmal erläutert, welches Produkt beauftragt wurde und welche Kosten hierfür entstehen.

Im Zuge dieses Telefonats könne laut Stefanie Halle jeder Auftrag auch storniert werden. „Selbstverständlich gilt im Anschluss das 14-tägige Widerrufsrecht auch für Haustürgeschäfte“, ergänzt Halle.

Schlechte Bewertungen im Internet für Mitarbeiter der Vertriebsfirma

Ein Blick auf das Bewertungsportal Trustpilot zeigt jedoch: Die Vertriebsfirma Ranger streicht fast ausschließlich negative Kundenbewertungen ein. Eine Frau berichtet von ausfallendem Verhalten eines Mitarbeiters ihr gegenüber. Viele andere User werfen den Ranger-Mitarbeitenden vor, sie mit Lügen oder Falschinformationen in Verträge hineingedrängt zu haben.

So habe es in mehreren Fällen, so wie im Fall Gerhard W., die Behauptung gegeben, ein Anschluss an das Glasfasernetz zu einem späteren Zeitpunkt sei nur gegen eine extrem hohe Summe möglich. Werde der Vertrag hingegen direkt an der Haustür unterschrieben, zahle man keine zusätzliche Gebühr.

Ranger GmbH distanziert sich von „ärgerlichen Einzelfällen“

Auf Anfrage heißt es von der Ranger Marketing & Vertriebs GmbH: „Wir bedauern Meldungen, dass unsere Vertriebsmitarbeiter Kunden unter Druck gesetzt haben sollen. Wir gehen derzeit entsprechenden Meldungen nach und prüfen Bewertungen auf entsprechenden Foren.“

Bei solchen Vorfällen handele es sich um „sehr bedauerliche und ärgerliche Einzelfälle“, von denen sich das Unternehmen distanziere. Diese Art des Fehlverhaltens werde laut Sprecher Christian Müller „mit disziplinarischen Konsequenzen bis hin zur Entlassung geahndet“.

Müller betont, dass man seit 19 Jahren autorisierter Vertriebspartner der Deutschen Telekom sei. „Unser oberstes Ziel ist es dabei, durch hohe Qualität in der persönlichen Beratung zu hoher Kundenzufriedenheit zu kommen.“ Bei Zweifeln an der Beratung und Kritik könne jederzeit die Telefonnummer 0800-8266347 kontaktiert werden.

Verbraucherzentrale Hamburg warnt vor „Vertragsfalle an der Haustür“

Auch die Verbraucherzentrale Hamburg (VZHH) beobachtet seit einiger Zeit das Vorgehen und warnt deshalb vor der „Vertragsfalle an der Haustür“. „Verbraucherinnen und Verbraucher werden aktuell vermehrt zu Vertragsabschlüssen an der Haustür überredet. Als Vorwand dient der Ausbau des Glasfasernetzes in Hamburg. Vor allem über sogenannte Haustür-Ranger der Telekom haben sich in letzter Zeit Betroffene bei uns beschwert“, heißt es vonseiten der VZHH.

Laut Verbraucherzentrale gebe es immer wieder Fälle, in denen Verbrauchern teure Daten- und Servicepakete verkauft werden – ohne dass klar ist, wann und ob der Ausbau der Glasfaserleitungen vor Ort erfolgt.

Verbraucherschützer: Oft ist der Glasfaseranschluss noch gar nicht möglich

„In vielen Fällen können die Betroffenen die Leistungen der Verträge gar nicht in Anspruch nehmen, weil entweder noch kein Glasfaserkabel in der Erde liegt oder die Leitungen im Wohnhaus nicht für schnelle Datenübertragungen ausgelegt sind“, warnt die VZHH.

Die Telekom dementiert diese Vorwürfe. „Dort, wo die Telekom Glasfaseranschlüsse ausbaut, werden die Anwohner und Anwohnerinnen auch auf die passenden Glasfaserprodukte und Tarife beraten. Als ausbauendes Unternehmen wissen wir sehr genau, wo und wann wir FTTH in Hamburg ausbauen“, äußert sich das Unternehmen. FTTH steht für „Fiber to the Home“, also Glasfaser bis in die Wohnung.

Telekom Hamburg: Verbraucherzentrale rät von kurzfristigen Vertragsabschlüssen ab

Unabhängig davon, ob die erforderliche Infrastruktur für den Ausbau der Glasfaserkabel gegeben ist oder nicht, rät die Verbraucherzentrale Hamburg: Vertragsangebot in Ruhe überdenken und eine Nacht drüber schlafen.

„Fragen Sie sich, ob Sie wirklich noch mehr Bandbreite für die Datenübertragung benötigen als Ihnen bereits zur Verfügung steht“, so der Tipp der Experten. Ratsam sei es auch, zunächst Infomaterial anzufordern und – für Bewohner von Mehrfamilienhäusern – zu klären, ob das Glasfaserkabel auch tatsächlich bis in die Wohnung gelegt wird. Generell gelte beim Besuch von Vertretern an der Haustür: „Bewahren Sie einen kühlen Kopf.“