Hamburg. Dr. Matthias Riedl ist kein großer Freund von Diäten und ihren angeblichen Effekten. Warum er besonders vor Paleo-Ernährung warnt.
Wer jetzt noch nicht angefangen hat, die Figur für den Sommer in Form zu bringen, ist ohnehin zu spät dran. Und von Blitzdiäten hält der Ernährungs-DocDr. Matthias Riedl überdies rein gar nichts. „Wenn man mal so zurückblickt auf die letzten 100 Jahre, was haben wir alles ertragen müssen an Diäten.“
Ob Hollywood- oder Kohlsuppendiät, ob fettarme oder zuckerreduzierte Diäten – sie alle hätten Regeln in unseren Köpfen hinterlassen, sagt der Ernährungsmediziner im Podcast „Dr. Matthias Riedl. So geht gesunde Ernährung“.
Aber eines sei bei allen gleich – „das ist eine einschränkende und in vielen Fällen auch eine einseitige Ernährung und sogar ungesund, wenn man damit kurzfristig sein Gewicht reduziert“. Der Erfolg sei nicht von Dauer, und damit sei immer automatisch der Jo-Jo-Effekt verknüpft.
Ernährungs-Doc Matthias Riedl: Warum Diäten ein Fehler sind
Viele seiner Patienten im Facharztzentrum Medicum Hamburg, dessen Ärztlicher Direktor er ist, hätten diesbezüglich viele Erfahrungen hinter sich. „Und jede dieser sinnlos durchgeführten Diäten hinterlässt ein Gefühl von Machtlosigkeit und auch vom Gefühl, ein Versager zu sein. Jede Diät zerstört die Selbstwirksamkeit, das Gefühl, selber an seiner Situation etwas zu ändern. Jede dieser Diäten hinterlässt irgendeinen Quatsch im Kopf.“
Ein Beispiel sei die Angst vor dem Fett – Frauen suchten immer nach versteckten Fetten. Das sei nicht auszumerzen. Menschen, die ihre Ernährung verändern wollen, sage er immer: „Drück die Taste, versuch alles zu vergessen, was du weißt, und wir machen das jetzt ganz anders.“
Experte rät: Finger weg von Paleo! Das ist pseudowissenschaftlich
Riedl lässt an bekannten Diäten kein gutes Haar. Paleo erhebe beispielsweise den Anspruch zu wissen, was man in der Steinzeit gegessen habe, sagt der Ernährungs-Mediziner. Diese Diät gehe davon aus, dass man isst, was die Leute in der Steinzeit gegessen haben, und damit würde man einfach wieder so schlank wie in der Steinzeit.
„Aber das waren keine Ernährungsmediziner, die sich das ausgedacht haben, es ist pseudowissenschaftlich. Paleo empfiehlt einen hohen Anteil an Eiweiß, an Fetten, an Fleisch, verbietet aber Milch und Hülsenfrüchte, weil die sagen, das gab’s in der Steinzeit nicht. Aber die Steinzeit ist ein sehr langer Zeitraum. Und ist jetzt die Steinzeit in Deutschland gemeint oder in Afrika?“
Dieser Ansatz bei Paleo sei verkehrt, weil er wegen des hohen Konsums an tierischen Fetten die Herz-Kreislauf-Sterblichkeit erhöhe. Die Steinzeitmenschen hätten nicht sehr viel Fleisch gegessen, weil sie es ja erst mühevoll jagen mussten, sagt Riedl.
Paleo taugt nicht als Dauerernährung, sagt der Ernährungs-Doc
Die Ernährung des Menschen sei immer schon pflanzenbasiert. „Wenn wir uns angucken, was für lumpige Hände wir haben, damit können wir niemanden töten, wir können mit unserem Gebiss noch nicht mal ein Stück Fleisch aus einem Zebra rausbeißen.“ Die gesunden Hülsenfrüchte zu verbieten sei jedenfalls verkehrt.
Mit einer eiweißreichen Ernährung wie bei Paleo nehme man zwar schneller ab, aber das sei keine Dauerernährung, sagt Riedl, und das müsse das Ziel sein. Deshalb: „Finger weg von Paleo!“
Dr. Riedl unterscheidet zwischen gutem und schlechtem Fett
Auch zum Thema fettarme Ernährung hat der Ernährungsmediziner eine klare Meinung: „Man muss bei der Qualität des Fettes differenzieren. Natürlich ist es so, dass ich Schwierigkeiten mit dem Abnehmen habe, wenn ich viel schlechtes Fett esse. Hoch erhitzte, hoch verarbeitete Fette müssen wir reduzieren, aber die gesunden Fette nicht – das sind Fischöl wie auch pflanzliche Fette, beispielsweise Algenöl, Nussöl – die sind alle megagesund.“
Bei den gesunden Fetten seien Olivenöl und Rapsöl ganz vorne – zusammen mit den Nussölen. Rapsöl habe sogar noch ein bisschen mehr ungesättigte Fettsäuren, dafür enthalte Olivenöl etwas mehr Polyphenole. Das sei aber eine Geschmacksentscheidung. „Keiner soll ein Öl nehmen, nur weil es gesünder ist. Es muss auch schmecken.“ Auch Nussöle oder Leinöl empfiehlt der Autor zahlreicher Bestseller zum Thema gesunde Ernährung. Ungesünder seien Sonnenblumenöl und Distelöl.
Ernährungs-Doc: Finger weg von Palmfett!
Von Palmfett rät der Ernährungs-Doc ab: „Das würde ich eher lassen, nicht nur aus ökologischen Gründen. Es gibt auch Untersuchungen, die den Verdacht nahelegen, dass es die Ausbreitung von Tochtergeschwülsten bei Krebs fördern kann. Also, wo immer man Palmfett drinhat, Finger weg davon!“ Leider sei es in vielen Produkten enthalten, auch in Bioprodukten.
Ein fragwürdiger Trend sei auch glutenfreie Ernährung, sagt der Ernährungsmediziner. Die Lebensmittelindustrie habe das Label glutenfrei als verkaufsfördernd erkannt und verlange dafür auch mehr Geld. „Das wird hochstilisiert als etwas, das megagesund ist. Schreibst du ,glutenfrei‘ drauf, verkauft es sich gleich besser, dann kannst du auch noch 50 Cent mehr verlangen.“
Nur sehr wenige haben eine Glutenunverträglichkeit
Ein Viertel bis zu einem Drittel der Bevölkerung habe Bauchschmerzen, aber nur ganz wenige hätten tatsächlich ein Problem mit Gluten. „Weshalb manche von glutenhaltigen Lebensmitteln Beschwerden bekommen, liegt einfach an dem hochgezüchteten Weizen und an der Menge“, sagt der Experte. Für die Lebensmittelindustrie sei er billig zu haben und werde vielfältig verwendet – für Kuchen, Brot oder Pizza. „Man wird überschwemmt mit Weizenprodukten, und dass der Darm rebelliert, ist dann klar.“
Wer zuerst Weizenprodukte weglasse und später häufig auch andere Getreidearten, gestalte seine Ernährung einseitiger. Riedl zitiert Studien, die belegten, dass dadurch häufig ein neues Problem entstehe – Ballaststoffmangel. Dieser sei negativ für Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes und erhöhte Blutfette, für Entzündungen im Körper und habe noch viele andere Konsequenzen. „Deshalb sollte man dann lieber Weizenprodukte meiden, anstatt in Bausch und Bogen alle Körner wegzulassen.“
Achtung bei der Eiweißmenge in Fertiggerichten
Entscheidend sei auch die richtige Eiweißmenge, um satt zu werden. Auch dieser Problematik sei die Lebensmittelindustrie begegnet. „Jetzt gibt es Produkte, da steht überall ,eiweißreich’ drauf, und es wird total damit übertrieben“, sagt Riedl. Ein einzelner Pudding enthalte oft 50 Gramm Eiweiß.
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Auch zum Thema salzreich/salzarm hat der aus dem Fernsehen bekannte Ernährungs-Doc eine klare Meinung. Ideal seien etwas weniger als fünf Gramm Salz am Tag: „Die Studien sagen ganz klar: Selbst wenn man normalen Blutdruck hat, ist es günstig, sich salzarm zu ernähren.“
Zu viel Salz: Riedl fordert Gesundheitsminister Lauterbach zum Handeln auf
Er wünsche sich, dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, der sich bekanntermaßen weitgehend salzfrei ernährt, diese Pedanterie auch auf die Lebensmittelhersteller übertrage und ihnen ganz klar sage, dass sie zu viel Salz in ihren Fertigprodukten verwendeten. „Ich erwarte politische Konsequenzen für die Gesundheit der Bevölkerung. Denn das ist das Problem, dass die Bevölkerung im Salzregen steht, während Herr Lauterbach fein auf alles achtet. So geht es nicht.“
Bunter Bohnensalat (vegetarisch, glutenfrei)
Für 2 Personen: 15 Min. Zubereitung, 1 Std. ziehen, Nährwert pro Portion: ca. 390 kcal, 19 g EW | 20 g F | 31 g KH
Zutaten: ½ Dose Kidneybohnen (ca. 130 g Abtropfgewicht), ½ Dose weiße Bohnen (ca. 130 g Abtropfgewicht), 50 g Maiskörner (aus der Dose), 1 kleine rote Zwiebel, je 1 rote und grüne Paprikaschote, 100 g Schafskäse (Feta), 2 EL gehackte Petersilie (frisch oder TK), 2 EL Olivenöl, 1 EL Aceto balsamico bianco, 1 TL getr. Bohnenkraut, Zucker, Salz, Pfeffer
Zubereitung: 1. Beide Bohnensorten und den Mais in ein Sieb abgießen, abbrausen und gut abtropfen lassen. Zwiebel schälen und in Würfel schneiden. Paprika längs halbieren, weiße Trennwände und Kerne entfernen, Hälften waschen und in Streifen schneiden. Den Feta in Würfel schneiden.
2. In einer Schüssel die Bohnen-Mais-Mischung mit Zwiebel, Paprika und Petersilie mischen. Für das Dressing Öl und Essig in einer kleinen Schüssel gründlich verrühren und mit Bohnenkraut, 1 Prise Zucker, Salz und Pfeffer würzen.
3. Das Dressing unter die Salatzutaten mischen. Zuletzt die Schafskäsewürfel vorsichtig unterziehen. Den Bohnensalat vor dem Servieren im Kühlschrank mindestens 1 Std. durchziehen lassen.