Hamburg. Der Pächter der legendären Kneipe auf dem Hamburger Berg hat Geburtstag – und will mit „den besten Gästen der Welt“ anstoßen.

Der Besuch bei alten Freunden bringt oft die Erkenntnis: Alles ist zunächst ganz anders – und dann plötzlich doch auch wie immer. So muss es auch denjenigen ergehen, die nach Jahren der Abstinenz mal wieder beim Roschinsky’s am Hamburger Berg vorbeischauen – einer der wenigen Kiez-Kneipen auf St. Pauli mit echtem Kultstatus.

Schwarze Sofas, dunkle Wände, viel Rot. Ein kunstvoller Turm aus Flaschen und ungefähr so viel Platz wie in einem großen Wohnzimmer. Sah es hier nicht schon in den vergangenen 30 Jahren so aus? Oder doch nicht?

St. Pauli: Chef der Kult-Bar Roschinsky’s auf dem Hamburger Berg gibt einen aus

Einer, der das wie kein Zweiter beurteilen kann und der wirklich alle Geschichten kennt, heißt Frank Hoffmann. Seit 28 Jahren ist er Pächter des Rosch, wie Fans den Laden nennen, und selbst die beinharte Corona-Zeit konnte ihn nicht kleinkriegen.

Nun steht ein runder Geburtstag an. Hoffmann wird 60 – und verbindet das mit einem ungewöhnlichen Plan: An diesem Freitagabend, 14. Juli, gilt im Rosch das Motto: „Der Chef gibt einen aus“. Was dann geschehen wird, ist ein Stück weit – typisch St. Pauli – gar nicht wirklich planbar.

Roschinsky’s-Chef feiert Geburtstag – trotzdem ist er noch in Grübelstimmung

Dennoch wirkt Frank, den hier niemand „Herr Hoffmann“ nennt, an diesem Vormittag, wenige Tage vor seinem runden Geburtstag, etwas niedergeschlagen. Still nippt er an seinem Milchkaffee, fährt sich gedankenverloren durch die schlohweißen Haare. Der Grund: Gerade hatte er zwei Todesfälle nacheinander zu beklagen.

Feierlaune will da nicht recht aufkommen, eher Grübelstimmung. Den Termin mit dem Abendblatt wollte er deshalb aber nicht absagen und die Sause zum 60sten schon mal gar nicht.

Hamburger Berg: Frank und Peddy – ein eingespieltes Team im Rosch

Frank Hoffmann will sich da nicht lumpen lassen, vielmehr „den besten Gästen der Welt“ für die Jahre der Treue danken und „etwas zurückgeben“. Neben ihm sitzt – barfuß und im Schneidersitz – die allseits respektierte Geschäftsführerin Peddy und tippt energisch ins Laptop. Ein Paar sind die beiden nicht – jedenfalls „nicht mehr“ und „nie so richtig“. Oder doch? „Vor ewigen Zeiten war da mal was für ein paar Tage“, orakelt Peddy, dann lachen beide bedeutungsschwer.

Frank Hoffmann, Betreiber des Roschinsky’s, vor seinem Laden am Hamburger Berg
Frank Hoffmann, Betreiber des Roschinsky’s, vor seinem Laden am Hamburger Berg © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Als seine Stammkneipe verpachtet wurde, griff Frank Hoffmann 1996 zu

Frank schüttelt die düsteren Gedanken ab und strafft sich. Wenn es um die alten Zeiten geht, wirkt der Chef auf einmal wieder richtig jugendlich. 1990 kam er aus Göttingen nach Hamburg„ ganz klassisch als abgebrochener Politik-Student“. Erster Pächter seiner damaligen Kiez-Stammkneipe war seit 1989 Karl Roschinski, dessen Name bis heute überdauert hat – wenn auch in anderer Schreibweise.

Danach kam Gerwin Meyer, und 1996 griff dann Frank Hoffmann zu, der zuvor Geschäftsführer im Eppendorfer Borchers gewesen war. Den Mietvertrag nahm er noch persönlich von Kiez-Größe Willi Bartels entgegen.

St. Pauli: Immer mehr Bars und Kneipen auf dem Hamburger Berg

Damals waren vor Ort das Rosies, der Sorgenbrecher und eben das Rosch die einzigen Bars, die keine alten Kiezpinten waren. Im Laufe der Zeit reihte sich auf dem Berg dann eine Bar an die nächste.

Frank Hoffmann nahm es sportlich – „Konkurrenz belebt das Geschäft“, sinniert er. Immer wieder gestaltete und konzipierte er neu, aber eben nur so weit, dass die Stammgäste alles auch weiterhin wiedererkannten und sich unverändert wohlfühlten.

Cocktails und Türsteher: Das Roschinsky’s wandelt sich, die Gäste bleiben

Frank Hoffmann ist jetzt ganz in seinem Element. Nicht ohne Stolz zeigt er den großzügigen Tresen, der viel offener ist als in den Anfangsjahren, dazu die coolen Spray-Bilder. Manche Besucher kommen seit Jahrzehnten regelmäßig her, und alle Wandlungen im Laufe der Zeit haben sie willig mitgemacht.

So „kneipig“ wie einst ist das Rosch heute nur noch zum Teil. Längst kann man am Tresen Cocktails bestellen, und draußen gibt es seit 1998 Türsteher. Die nun allerdings nicht, weil man so vornehm geworden war, sondern wegen der Sicherheit.

Sie hat alle Stürme der Zeit überstanden: Die alte Wechselgeld-Kasse ist das älteste Stück im Rosch.
Sie hat alle Stürme der Zeit überstanden: Die alte Wechselgeld-Kasse ist das älteste Stück im Rosch. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Ballermann auf dem Kiez: Junggesellenabschiede an jeder Ecke

Darüber, wie sich der Kiez drumherum in den vergangenen Jahren verändert hat, kann man mit Frank und Peddy stundenlang reden. Die ausgebildete Sozialpädagogin („Das kann ich hier so was von gebrauchen“) bemüht gar nicht erst das Uralt-Klischee von Seemannsbräuten und Ganovenehre. Den Gauner Ede und die goldherzigen Puffmütter namens Berta oder Lola gibt es heute nur noch in öffentlich-rechtlichen Fließband-Krimis, das ist ihr auch klar.

Was sie umtreibt ist etwas anderes. „Hier gibt’s weniger Rotlicht-Milieu und dafür immer mehr Ballermann“, schimpft sie. An jeder Ecke Junggesellenabschiede, und die Leute seien schon nachmittags „hackevoll“.

Unkontrollierte Gelage an den Kiosken nerven alle Kiez-Wirte erheblich

Auch die unkontrollierten Gelage an den Kiosken stören beide – wie auch alle anderen Wirte. Dass Trinker-Kaschemmen wie der Goldene Handschuh und der Elbschlosskeller mittlerweile „hip“ sind, finden Klaus und Peddy „erstaunlich“. Sie ziehen kurz die Augenbrauen hoch, sagen dann aber nichts weiter dazu. Auf dem Kiez hält man eben doch zusammen, da ist Diplomatie gefragt.

Genervt ist Frank Hoffmann von den vielen Obdachlosen, die den Eingang des Hamburger Bergs dauerhaft belagern („ohne dass ich die verurteile“), sodass die Straße auf Touristen wenig einladend wirkt.

Die Corona-Zeit hat auch dem Roschinsky’s schwer zugesetzt

Der schlimmste Einschnitt „ever“ war die Corona-Zeit, erzählen die beiden, das habe sie „echt fertig gemacht“. Im Grunde leidet der Kiez noch heute unter den Einschränkungen von damals – das könne sich niemand richtig vorstellen. Alleine über dieses Thema zu sprechen nervt und stresst Frank enorm, und schon ist die melancholische Stimmung wieder da.

„Ich hoffe und glaube, dass es das Rosch in fünf Jahren noch geben wird“, orakelt der Vater von zwei erwachsenen Kindern, „ob mit oder ohne Frank Hoffmann muss man sehen.“

St. Pauli: Roschinsky’s-Wirt wird 60 – wie ist denn nun der Plan für Freitag?

Doch das ist zum Glück noch lange hin, nun steht erst mal die Geburtstagsparty an. Wie soll das nun eigentlich ablaufen am Freitag? Gibt es für jeden Gast genau ein Freigetränk, und wofür gilt das Angebot? Was passiert, wenn der Trubel zu groß wird, und ist überhaupt genug vorrätig?

Frank Hoffmann überlegt, verwirft, grübelt neu. Schließlich wischt er alle komplizierten Gedankengänge mit einer energischen Handbewegung davon, nun wieder ganz der Chef. Dann blickt er kurz zu Peddy und spricht den Satz, den er in den vergangenen Jahren wohl tausendmal gesagt hat: „Nur zu Leute. Wir werden uns schon was einfallen lassen.“