Hamburg. Seit Monaten gibt es Kritik. Häufig fallen in Hamburg mehr als 100 Fähren aus – pro Tag. Wie es jetzt weitergeht.

102 Fahrten sind auf den acht Linien der Hadag am vergangenen Dienstag im Hamburger Hafen ausgefallen, 581 Schiffe sind gefahren. Das Abendblatt hat exklusiv eine Auswertung vorliegen – Diese dokumentiert: Im Juni kam es häufiger dazu, dass an einem Tag mehr als 100 Fahrten ausgefallen sind. Am 9. Juni waren es 135 Verbindungen, 562 Fahrten wurden bedient.

„Ich möchte hier nichts schönreden. Deshalb gehe ich mit diesen Zahlen auch transparent um. Und ich finde es selber schlimm, dass wir aktuell nicht die Linien mit der gewohnten Zuverlässigkeit bedienen können“, sagt Hadag-Vorstand Tobias Haack beim Abendblatt-Gespräch in der Zentrale des Verkehrsunternehmens auf einem Ponton am St. Pauli Fischmarkt.

Bereits im Mai hatte die im Bezirk Mitte regierende Koalition aus SPD, CDU und FDP den „unzuverlässigen Betrieb“ der Hadag kritisiert (wir berichteten).

Hafen Hamburg: Mehr als 100 Hadag-Fähren fallen pro Tag aus

Seitdem sei die Situation zunehmend eskaliert. Was Haack, der die Hochbahn-Tochter jetzt seit exakt fünf Jahren führt, damit meint. „Wir haben zu wenige Schiffsführer. Aktuell sind es etwa 80, und wir könnten noch zehn bis 15 weitere Schiffsführer gebrauchen.“

In der letzten Zeit seien zahlreiche Mitarbeiter abgeworben worden. Am bereits erwähnten vergangenen Dienstag kam dann noch eine Betriebsratssitzung bei der Hadag dazu, an der zahlreiche Schiffsführer teilgenommen haben. Und es ist Urlaubszeit. „Unsere Betriebslenkung versucht immer, wenn die Personalsituation besonders angespannt ist, dass auf besonders stark nachgefragten Linien wie der 62 zwischen Finkenwerder und den Landungsbrücken möglichst wenige Fahrten ausfallen.“

Am Dienstag waren es auf der 62 nur vier von 139 Verbindungen, die nicht bedient wurden. „Dafür nehmen wir dann lieber Fahrten auf den Linien raus, bei denen es Alternativen gibt, wie z. B. auf der 72 zwischen Landungsbrücken und Elbphilharmonie. Da können die Fahrgäste bequem auf die U3 ausweichen.“

Hafen Hamburg: Schiffsführer sind begehrt – 20 Prozent mehr Gehalt bei der Hadag

Es herrscht offenbar bei den Reedereien im Hafen ein regelrechter Kampf um Schiffsführer. Denn nach Corona ist die Nachfrage nach Hafenrundfahrten oder Charterfahrten für Veranstaltungen bedingt durch die rasant steigenden Tourismuszahlen und Firmenincentives wieder groß. Dabei gewinnt der Unternehmer, der die höchsten Löhne zahlt. Auch die Hadag hat reagiert.

Exklusiv im Abendblatt spricht Haack über Zahlen. „In den aktuell abgeschlossenen Tarifverhandlungen wurden mehr als 20 Prozent Gehaltssteigerung für die Schiffsführer vereinbart. Das hilft natürlich dabei, neue Mitarbeiter für das Unternehmen zu gewinnen.“

Zudem hat die Hadag ihre Recruitingmaßnahmen neu aufgesetzt und deutlich intensiviert. Für den Herbst konnten bereits einige neue Schiffsführer verpflichtet werden. Das monatliche Einstiegsgehalt steigt von aktuell 3.288,33 Euro brutto am 1. Januar auf 3.788,33 Euro brutto. Dazu kommt Weihnachtsgeld.


Die Hadag-Fähren sind auch beliebt bei Touristen. Hier an der Haltestelle Landungsbrücken startet unter anderem die Linie 62 in Richtung Finkenwerder.
Die Hadag-Fähren sind auch beliebt bei Touristen. Hier an der Haltestelle Landungsbrücken startet unter anderem die Linie 62 in Richtung Finkenwerder. © FUNKE FOTO SERVICES | Thorsten Ahlf

Bezirkspolitik kritisiert mangelende Kommunikation der Hadag

Der Hadag-Chef setzt auch auf den eigenen Nachwuchs. Aktuell sind es neun Auszubildende, ab August dann 15. Die Ausbildung dauert in der Regel drei Jahre. Eine gute Nachricht: Am Donnerstag haben drei Azubis ihre Ausbildung bestanden und sollen dann nach Erlangen ihres Personenbeförderungsscheins voraussichtlich im Herbst als vollwertige Schiffsführer eingesetzt werden können.

Dringenden Handlungsbedarf sieht Mittes Bezirksamtsleiter Ralf Neubauer (SPD), der auf Finkenwerder lebt. „Für Finkenwerder und das Alte Land ist eine verlässliche Fährverbindung in die Hamburger Innenstadt von größter Bedeutung. Deshalb ist der Bezirk in engen Gesprächen mit der zuständigen Verkehrsbehörde.“

Neubauer sagte dem Abendblatt weiter. „Wir brauchen jetzt dringend kurzfristig wirkende, auch kreative Lösungsansätze. Wo immer der Bezirk dazu einen Beitrag leisten kann, wird er es tun.“

Hamburger Hafen: Die Hadag investiert in ein Fahrgastinformationssystem

Die Bezirkspolitik hatte auch die mangelnde Kommunikation der Hadag gegenüber den Fahrgästen bei Ausfällen von Fähren kritisiert. Tatsächlich werden auf der HVV-App zwar die Abfahrten der Hadag-Linien angezeigt. Aber wenn es zu Verspätungen oder einem Ausfall kommt, wird das nicht angezeigt.

Das soll sich jedoch bald ändern. Noch in diesem Jahr sollen diese Fahrplanänderungen auch auf der HVV-App angezeigt werden. Zudem gibt es auf den Anlegern bislang überhaupt keine elektronischen Anzeigetafeln. Tobias Haack kündigt an. „Wir werden sowohl auf den Schiffen als auch auf den Anlegern moderne Fahrgastinformationssysteme mit den Ankünften in Echtzeit installieren, und dort werden dann zum Beispiel Anschlussverbindungen innerhalb des HVV angezeigt.“

Regionalausschuss Finkenwerder sucht Gespräch mit der Hadag

In den Genuss dieses neuen Services, die Technikoffensive lässt sich die Hadag mehr als eine Million Euro kosten, sollen die Gäste ab 2024 kommen. Einen exakten Starttermin konnte Haack noch nicht nennen. Aktuell werden die Abweichungen vom Fahrplan nur auf dem Twitter-Account der Hadag kommuniziert.

Das sei natürlich nicht optimal, räumt Haack ein. Unterdessen hat sich auch der Regionalausschuss Finkenwerder mit der Thematik beschäftigt und auf Antrag von SPD, CDU und FDP in dieser Woche einen Beschluss gefasst.

Die Politik bittet um Entsendung eines sachkundigen Vertreters der Hadag - vorzugsweise aus der Geschäftsführung - in die nächste Sitzung des Regionalausschusses. In dem Gespräch soll es um den „aktuell unzuverlässigen Betrieb“ gehen. Einen Termin gibt es noch nicht. Aber so viel steht schon fest: Das ist Chefsache. Tobias Haack wird persönlich erscheinen.