Hamburg. Jan Böhmermann hatte das gemeinnützige Unternehmen stark kritisiert: Nun äußert sich Gründer Benjamin Adrion im Abendblatt-Interview.
In seiner Sendung „ZDF Magazin Royale“ hatte der Satiriker Jan Böhmermann vor einer Woche Vorwürfe gegen den gemeinnützigen Hamburger Verein Viva Con Agua erhoben. So soll der Verein etwa mit einem Abfüllunternehmen aus Husum zusammenarbeiten, das untertarifliche Löhne zahlt.
Zudem sollen Hotelzimmer in der von der Viva con Agua Holding finanzierten Villa Viva in Hamburg knapp 300 Euro pro Nacht kosten, was für den Satiriker die Gemeinnützigkeit des Vereins infrage stellt. Was sagt Viva con Agua dazu? Das Abendblatt sprach mit dem Initiator und Ex-Profi des FC St. Pauli, Benjamin Adrion.
Hamburger Abendblatt: Was für einer Unternehmensform unterliegt Viva con Agua?
Benjamin Adrion: Grundsätzlich ist Viva con Agua ein gemeinnütziger Verein. Den gibt es seit 2006, und er ist nach wie vor die größte Organisation, die Viva con Agua prägt. Darüber hinaus gibt es aber auch Vereine in unterschiedlichen Ländern wie etwa Schweiz, Österreich, Südafrika oder Uganda. Allein aufgrund der Lehren der Vergangenheit wollen wir nicht einfach mit einem großen deutschen Verein im Ausland aktiv sein. Deshalb sind wir aktuell mit sechs Vereinen international aktiv. Daneben gibt es noch die Viva con Agua Stiftung als gemeinnützige Organisation, die unsere Marke und Kultur langfristig sichert und die internationalen Vereine miteinander vernetzt. Viva con Agua Arts und Goldeimer sind gemeinnützige GmbHs. Zusätzlich gibt es noch zwei relevante und operativ tätige echte GmbH-Konstrukte – das Mineralwasser und jetzt auch die Villa Viva.
Was für eine Vision steht hinter der Villa Viva?
Adrion: Zum einen wollen wir einen Ort schaffen, wo Menschen mit Viva con Agua zusammenkommen – um sich zu informieren, aber auch um sich mit nachhaltigen Themen zu beschäftigen. Darüber hinaus soll die Villa wie eine Plattform für Sozialunternehmertum funktionieren – ein Ort, wo Menschen sowie nachhaltige Unternehmen zusammenkommen. Zum Beispiel über Konferenzen, die wir dort ausrichten werden und wo wir Hamburg auch als Stadt für soziales Unternehmertum positionieren. Zum anderen ist es ein Social Business, mit dem wir Gelder für die Wasserprojekte generieren wollen. Uns geht es darum, dass diese Immobilie langfristig in Händen von gemeinnützigen Organisationen bleibt.
Wie genau wird die Villa Viva finanziert?
Adrion: Insgesamt gibt es 18 Privatinvestoren bei der Villa Viva Holding GmbH. Da sind Leute wie Jan Delay, Bela B, die Gebrüder Braun vom Miniatur Wunderland und viele mehr dabei. Das sind größtenteils Freunde von uns, die uns die für den Baukredit erforderlichen 5,5 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Und obwohl sie 100 Prozent des Eigenkapitals zur Verfügung stellen, besitzen sie lediglich 33 Prozent der Anteile an der übergeordneten Villa Viva Holding und damit auch am Haus. Das ist eigentlich ein echt schlechter Deal für die Investoren, denn sie haben sich zusätzlich noch dazu verpflichtet, mindestens 18 Jahre ihre Anteile nicht zu verkaufen. Auf diese Weise können wir das Projekt ohne auch nur einen einzigen Spendencent
von Viva con Agua finanzieren. Darüber hinaus besitzt auch der Hotelbetreiber
40 Prozent der Anteile am Gasthaus.
Und welcher Anteil der Gewinne soll den Brunnen, die Sie bauen, zugutekommen?
Adrion: Grundsätzlich darf man das Projekt nicht nur auf den finanziellen Aspekt reduzieren, weil auch viele Synergieeffekte zwischen Menschen und Projekten entstehen werden. Zieht man aber die Anteile der Investoren und des Hotelbetreibers ab, werden circa die Hälfte aller Gewinne des Gasthauses bei den gemeinnützigen Organisationen landen.
Ein Vorwurf, den Jan Böhmermann erhob, bezieht sich auf den Preis der Zimmer. Sie bieten Suiten für 299 Euro pro Nacht an. Über Ihren Instagram-Kanal haben Sie allerdings klargestellt, dass es auch Angebote geben soll, die deutlich darunterliegen. Warum offerieren Sie überhaupt verschiedene Preiskategorien – und dann auch noch so teure?
Adrion: Das stimmt, an den teuersten Tagen im Jahr können unsere zwei Suiten jeweils 299 Euro pro Nacht kosten. Angepasst an aktuelle Situationen können sich die Preise ändern. An normalen Tagen werden die Suiten bei circa 229 Euro liegen. In den anderen Kategorien wie etwa der Campingkategorie geht es bei 19,10 Euro los. Zwischen Suite und Camping gibt es aber noch weitere Kategorien wie „winzig“, „klein“, „mittel“ oder „groß“. Wir offerieren diese verschiedenen Kategorien, weil wir niemanden ausschließen wollen.
Aber mit einer knapp 300 Euro teuren Suite schließen Sie ja schon Leute aus.
Adrion: Das stimmt, aber wenn wir auch die Leute, die einen gewissen Komfort erwarten, erreichen wollen, müssen wir so etwas anbieten.
Wenn ich also mehr Geld pro Übernachtung bezahle, kommt auch den sozialen Organisationen mehr Geld zu?
Adrion: Ja, genau. Die Anteile werden am Umsatz berechnet, und wenn wir mehr Umsatz machen, kommt auch mehr Gewinn dabei herum, den wir anschließend weitergeben.
Dass Sie sich für einen Neubau entschieden haben, ist ja im Hinblick auf den Wasserverbrauch, den es für die Herstellung von Beton braucht, ein Widerspruch zu Ihrem Leitziel. Warum haben Sie sich nicht einfach für ein fertiges Gebäude entschieden?
Adrion: Das hätten wir theoretisch tun können, aber wir hatten ja gar nicht den Plan, ein Haus zu bauen. Es ist aber vollkommen richtig, dass Bauprozesse extrem wasserintensiv sind. Wir versuchen aber möglichst klima- und umweltfreundlich zu bleiben. Unser Haus wäre auch ohne uns gebaut worden. Nun wird es allerdings mit dem größtmöglichen Anteil an Recyclingbeton, Solarthermie, Warmwasserpumpe und Regenwasserauffangsystem möglichst nachhaltig.
Ein weiterer Vorwurf von Jan Böhmermann richtete sich auf Ihre Zusammenarbeit mit der Abfüllfirma Husumer Mineralbrunnen. Laut „ZDF Magazin Royale“ würden die Mitarbeiter dort nicht nach Tarif bezahlt und es gebe auch keinen Betriebsrat. Ist die Bezahlstruktur kein Kriterium bei der Auswahl Ihrer Partner?
Adrion: Da muss man klarstellen: Husumer Mineralbrunnen orientiert sich mit seiner Bezahlung am Tarifvertrag. Das Unternehmen orientiert sich allerdings an dem Tarifvertrag für Mineralbrunnen aus Niedersachsen, weil es keinen flächendeckenden Tarifvertrag für Mineralbrunnen in Schleswig-Holstein gibt. Der Eindruck, dass hier untertariflich bezahlt wird, ist nicht gerechtfertigt. Das haben wir auch schriftlich vorliegen. Seit den Vorwürfen haben wir uns sowohl den Tarifvertrag sowie die Bezahlstruktur noch einmal sehr genau angeguckt. Vor allen Dingen geht es um den Willen der Mitarbeiter, und wenn dieser ist, keinen Betriebsrat auszurufen, dann ist es so. Wir wollen nur sicherstellen, dass dem Willen der Mitarbeiter nichts entgegensteht. Wir stehen aber auch bereits mit der Gewerkschaft vor Ort in Kontakt.
Und wie haben Sie insgesamt auf die Vorwürfe von Jan Böhmermann reagiert?
Adrion: Ehrlich gesagt freut es mich, dass dem Thema Wasser noch mal mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. Wir schreiben uns seit 17 Jahren „Wasser ist Leben und Wasser für alle“ auf die Fahnen, und es ist wichtig, dass in der Öffentlichkeit mehr darüber geredet wird. So genau wie jetzt hat noch nie jemand nachgefragt, endlich können wir unsere Ansätze erklären. Wir wollen nämlich damit eine positive Benchmark sein, Wirtschaft neu denken und einen sozialen Impuls geben.