Hamburg. Das Landgericht Hamburg hat das Urteil gegen den 28-Jährigen gesprochen. Warum er eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt.

Er hat seine Freundin als „das Großartigste“ bezeichnet, „was mir im Leben passiert ist“. Doch er nahm ihr das Leben. Immer wieder stach Filip M. (Name geändert) mit einem Messer auf die 34-Jährige ein, mehr als hundertmal, bis sie sich nicht mehr rührte.

„Was ich getan habe, ist schrecklich“, meint der 28-Jährige. Es war eine Tat im Wahn, angetrieben von Stimmen, die Filip M. zu hören glaubte und die ihn aufforderten: „Wehr dich, nimm die Messer!“ Filip M. ist psychisch krank und deshalb im rechtlichen Sinne nicht zu verurteilen für das, was er am 14. Dezember vergangenen Jahres in Hamburg-Rahlstedt getan hat.

Prozess Hamburg: Verlobte erstochen – Täter gefährlich für Allgemeinheit

Er leidet an einer paranoiden Schizophrenie, wohl ausgelöst durch Drogen, die er seit frühester Jugend konsumierte. Cannabis, Kokain, Amphetamine: Schließlich war der Wahn da, der den jungen Mann unter anderem glauben ließ, er werde von der Rockergruppe Hells Angels verfolgt. Und seine Freundin stecke mit denen, die ihm nach dem Leben trachten, unter einer Decke. Also stach er zu. Immer wieder.

Die Vorsitzende Richterin der Schwurgerichtskammer, die über den Fall verhandelt, spricht von einem „schlimmen Tatgeschehen“, einer „Tragödie“. Das Urteil des Gerichts: Die Unterbringung des Beschuldigten in einem Psychiatrischen Krankenhaus wird angeordnet. Diese Maßnahme sei erforderlich, so Richterin Jessica Koerner, weil der 28-Jährige für die Tat – einen Totschlag begangen im Zustand der Schuldunfähigkeit – nicht verantwortlich gemacht werden kann, aber weiterhin für die Allgemeinheit gefährlich ist. Dies hatte eine Psychiatrische Sachverständige in einem Gutachten ausgeführt.

Richterin zählt ähnliche Verbrechen auf, die erschüttern

Dass ein Mensch durch die Gewalttat einer Person stirbt, die an einer schweren psychischen Störung erkrankt ist, ist kein Einzelfall. „Wir haben es bedauerlicherweise in den letzten Jahren des Öfteren mit versuchten und vollendeten Tötungsdelikten zu tun, bei denen psychotische Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis, hervorgerufen durch den Konsum von Cannabis, zugrunde lagen“, betont Koerner. Die Vorsitzende zählt acht Verbrechen auf, bei denen dies nach Überzeugung der zuständigen Richter der Fall war und die Unterbringung der Täter in einem Psychiatrischen Krankenhaus angeordnet wurde.

Es ist eine Liste, die den Schrecken und die grausamen Folgen ahnen lassen. Verbrechen, die erschüttern. Das war beispielsweise der Mann, der einen Mitbewohner einer Obdachlosenunterkunft totgetreten hat. In einem anderen Fall starb im Februar 2021 eine 24-Jährige durch die Hand ihres Freundes. Nachdem er sie erstochen hatte, tötete er auch seine Mutter — mit 63 Messerstichen.

Prozess Hamburg: Täter und Opfer wegen Schizophrenie in Behandlung

Ebenfalls keine Chance hatte eine Frau, deren Mann im Wahn meinte, sie schlachten zu müssen – und ihr daraufhin die Kehle durchschnitt. „In allen diesen Fällen“, so Koerner, „wurde die psychotische Erkrankung der jeweiligen Beschuldigten durch einen frühzeitigen Konsum von Cannabis hervorgerufen. So ja auch hier in diesem Fall.“

Die Erkenntnis der Gerichte wird gestützt durch Experten wie den Hamburger Suchtforscher und UKE-Mediziner Prof. Rainer Thomasius, der festgestellt hat, dass der „Anteil der Neuerkrankungen an Schizophrenie, die auf eine Cannabiskonsumstörung zurückgeführt werden können, in den letzten fünf Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen“ ist. Der jetzige Beschuldigte Filip M. und Petra O. (Name geändert) waren ein Paar, seit sie sich in einem Krankenhaus kennengelernt hatten, wo beide wegen einer paranoiden Schizophrenie in Behandlung waren.

Freundin mit Messer getötet – am Tag des Verlobungsfestes

Es gab harmonische Zeiten, aber auch besonders schwierige. So jenes Ereignis, das Filip M. später gegenüber der Psychiatrischen Sachverständigen selber als „Amoklauf“ bezeichnete. Er hatte sich in einer Winsener Klinik – mit einem Messer bewaffnet – verbarrikadiert. Schließlich rückte das SEK an, dem sich Filip M. dann ergab.

Dieser Vorfall hätte eine Warnung sein können, wie labil und gefährlich der Zustand des 28-Jährigen war. Doch das Paar zog zusammen. Der Tag, an dem Petra O. sterben musste, war eigentlich als Verlobungsfest gedacht. Gemeinsam mit Freunden hatte man an jenem 14. Dezember zusammengesessen, Cannabis und Kokain konsumiert. Nur wenig später kam für Filip M. der nächste wahnhafte Schub.

Frau mit 100 Messerstichen getötet – Bekannte musste zusehen

Er verbarrikadierte seine Wohnung und begann auf seine Freundin einzustechen. Eine Bekannte wurde Zeugin der grausamen Tat – und musste auf Geheiß des Täters das Wort „Hilfe“ schreiben. Es waren Buchstaben, mit dem Blut der Sterbenden an die Wand gemalt. Das Opfer erlitt am ganzen Körper Schnitt- und Stichverletzungen, vor allem an Gesicht und am Hals. Sie verstarb an einer Atemlähmung.

„Es war der größte Fehler meines Lebens“, hat Filip M. zum Abschluss des Gerichtsverfahrens über seine Tat gesagt. Und: „Ich hätte keine Drogen konsumieren sollen.“ Schon zum Auftakt der Prozesses hat der 28-Jährige betont, dass er Petra O. geliebt habe und viele positive Eigenschaften der Frau aufgezählt, die es nicht verdient habe zu sterben.

Prozess Hamburg: Täter kommt in die Psychiatrie

Aber er habe „einen schizophrenen Schub bekommen mit wahnhaften Gedanken“. Er bitte alle von seiner Tat „Betroffenen um Vergebung“. Dies fällt den Eltern der Getöteten schwer. Vor allem dem Vater von Petra O., dessen Anwalt betont, dass der Vater den Beschuldigten „für einen sehr gefährlichen Menschen“ halte. „Sie haben einem jungen Menschen das Leben genommen.“

Richterin Koerner nennt die Verzweiflung der Eltern der Getöteten „verständlich“. Auf der anderen Seite habe man es mit einem schwer Kranken zu tun, der jetzt wegen seiner Tat in die Psychiatrie komme. Koerner betont, dass die Unterbringung zunächst zeitlich unbegrenzt ist. Vor dem Beschuldigten liege „ein langer Weg“. Ob und wenn ja wann er Lockerungen von der Unterbringung erhalte, werde genau geprüft. Eine Unterbringung kann sehr lange dauern – unter Umständen für immer.