Hamburg. Die Bande, bestehend aus vier Männern und einer Frau, setzte zur Verschleierung junge Männer als Strohgeschäftsführer ein.
Es war gedacht als schnelle, unbürokratische Hilfe, als finanzielle Finanzspritze für Unternehmen, die am heftigsten von der Corona-Pandemie gebeutelt waren. Doch die Corona-Soforthilfen des Bundes schufen gleichzeitig unbeabsichtigt quasi unendliche Möglichkeiten für Betrüger, die trickreich fette Beute machen konnten – ohne bürokratische Hürden, aber mit viel Raffinesse und einer gehörigen Portion krimineller Energie.
Rund drei Millionen Euro hat nach Überzeugung des Hamburger Landgerichts allein eine Bande von Kriminellen erbeutet. Am Donnerstag erhielten vier Männer, die sich vom Frühjahr bis Oktober 2021 auf Kosten des Staat bereichert haben sollen, im Prozess in Hamburg wegen Subventionsbetrugs hohe Freiheitsstrafen zwischen fünf und zehn Jahren. Eine mitangeklagte Frau wurde zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe wegen Beihilfe verurteilt. Insgesamt ordnete das Gericht die Einziehung der Taterträge von gut drei Millionen Euro an.
Betrug mit Corona-Hilfen: Nach rund neun Monaten fiel das Urteil
Die Entscheidung fiel nach einer Prozessdauer von rund neun Monaten beziehungsweise 38 Verhandlungstagen. Etliche Angehörige der Angeklagten waren zu diesem besonderen Tag des Verfahrens gekommen. Im dicht besetzten Zuhörerbereich des Verhandlungssaals flossen bei mehreren Leuten Tränen.
Seit ihrer Verhaftung am 10. November 2021 sind die vier männlichen Angeklagten im Untersuchungsgefängnis. Die Staatsanwaltschaft hatte für die vier Männer Freiheitsstrafen zwischen sechseinhalb und elf Jahren und drei Monaten gefordert.
Mit drei Millionen Euro Schaden ist die Spitze dessen, was die Gruppe offenbar hatte einheimsen wollen, noch nicht ausgeschöpft gewesen. Beantragt hatten sie insgesamt rund 12,5 Millionen Euro Corona-Hilfen. Die Summen der einzelnen Anträge lagen demnach zwischen etwa 30.000 und maximal 500.000 Euro.
Der Hauptbeschuldigte erhielt zehn Jahre Freiheitsstrafe
Den mutmaßlichen Kopf der Bande, Masood A., verurteilte die Kammer zu zehn Jahren Haft wegen Subventionsbetrugs. „Wir gehen davon aus, dass Sie der Chef, das Oberhaupt sind“, sagte der Vorsitzende Richter an die Adresse des 35-Jährigen. Dass in der Hierarchie der Gruppe noch jemand über Masood A. gestanden haben soll, ein „unbekannter Dritter“, sei nicht glaubhaft, betonte der Vorsitzende.
Von den drei weiteren angeklagten Männern erhielt Michael P. (48) mit acht Jahren Freiheitsstrafe die zweithöchste Strafe der Gruppe, wegen Beihilfe zum Subventionsbetrug in 47 Fällen. Dem Buchhalter wurde vorgeworfen, als sogenannter prüfender Dritter für die Anträge der Bande zuständig gewesen zu sein. Gegen ihn wurde neben seiner Freiheitsstrafe ein dreijähriges Berufsverbot verhängt.
Subventionsbetrug: Ein Buchhalter soll die Schlüsselstellung gehabt haben
Die Kammer gehe davon aus, dass P. innerhalb der Gruppe eine „Schlüsselstellung“ innegehabt und „von Anfang an vorsätzlich gehandelt habe“, so der Richter. Bei dem Subventionsbetrug handele es sich um Taten, die „geeignet sind, die wirtschaftliche Ordnung erheblich zu stören“.
Das Argument von Teilen der Verteidigung, dass die staatliche Kontrolle zu gering gewesen sei und ein möglicher Betrug zu leicht gemacht worden sei, wies der Vorsitzende zurück. Das Vertrauen, dass Menschen mit Berufen wie Steuerberater, Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer verlässlich sind, dürfe auch der Gesetzgeber haben.
Angeklagt waren die vier Männer und eine Frau wegen banden- und gewerbsmäßigen Subventionsbetrugs im Zusammenhang mit Corona-Hilfen. Dabei wurde ihnen vorgeworfen, in 80 Fällen unberechtigte Anträge gestellt zu haben. Zuvor hätten sie meist schlecht gehende Vorrats- oder Servicegesellschaften aufgekauft.
Hamburger Bande setzte junge Leute als Strohgeschäftsführer ein
Und dann setzten sie den Ermittlungen zufolge „sehr junge Männer mit Migrationshintergrund“ als Strohgeschäftsführer ein. Dies hätten sie getan, um ihre wahre Identität zu verschleiern. Dabei sei der mutmaßliche Kopf der Bande nicht mit den Schein-Chefs in Kontakt gekommen. Vielmehr soll deren Betreuung vor allem von beiden Angeklagten Jasar A. und Nawid A., 25 beziehungsweise 23 Jahre alt, übernommen worden sein.
Die meist ahnungslosen frischgebackenen Chefs stellten dann für ihre vorgeblich durch die Corona-Krise massiv geschädigten Betriebe – überwiegend Firmen aus der Sicherheitsbranche – Anträge auf Soforthilfe. Da standen dann hohe Umsätze aus den letzten beiden Monaten des Jahres 2019 deutlich geringeren Einkünften in den gleichen Monaten 2020 gegenüber – dem ersten Jahr, in dem die Corona-Krise auch auf die Wirtschaft massiven Einfluss hatte.
Eine der Angeklagten soll das Geld „gewaschen“ haben
Sally A., die einzige Frau in dem angeklagten Quintett, habe sich wegen Beihilfe zum Subventionsbetrug schuldig gemacht, sagte der Vorsitzende Richter in der Urteilsbegründung. Der 32-Jährigen war in der Anklage vorgeworfen worden, das ausgezahlte Geld gewaschen und von der Beute mehrere Immobilien gekauft zu haben.
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Die zwei Jahre Freiheitsstrafe, die das Gericht jetzt für Sally A. verhängte, könne zu Bewährung ausgesetzt werden, erklärte der Kammervorsitzende. Denn die 32-Jähre wirke, im Gegensatz zu den anderen Angeklagten, von dem Strafverfahren „beeindruckt“. Allerdings müsse sie hundert Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. Für die vier angeklagten Männer dauert die Untersuchungshaft weiter an.
Hamburg: 650 Verfahren wegen Corona-Subventionsbetrugs
Dieses Verfahren ist eins von vielen im Zusammenhang mit Corona. Allein wegen Subventionsbetrugs sind seit Frühjahr 2022 von der Hamburger Staatsanwaltschaft 650 Verfahren eingeleitet worden, die sich gegen rund 900 Beschuldigte richten.
Insgesamt sind im Zusammenhang mit der Pandemie 2300 Verfahren erfasst. 1500 davon betrafen den unberechtigten Bezug staatlicher Leistungen, das Fälschen von Gesundheitszeugnissen und die missbräuchliche Verwendung von Impfausweisen, Testzertifikaten oder Attesten zur Befreiung von der Mund-Nasen-Bedeckung.