Tishman Speyer hat zwei zentrale Gebäude gekauft: Das Klöpperhaus an der Mö und den Bürokomplex am Michel. Das soll entstehen.
Es ist eines der spektakulärsten Gebäude der Stadt: Am Baumwall setzte sich der Verlag
Gruner + Jahr Ende der 80er-Jahre selbst ein architektonisches Denkmal. Ein Gebäude, das geschickt das Grundstück zwischen Elbe und Michel ausfüllt und unverwechselbar erscheint: Das Haus greift den Viadukt der Hochbahn ebenso auf wie die Kräne des Hafens und macht maximal auf maritim, Bullaugen und Reling inklusive.
Bis zuletzt war es Heimathafen der Redakteure von Gruner + Jahr, bevor das Unternehmen in schwere See geriet. Während RTL den Namen des Verlags schon versenkt hat, ist das Haus gerettet: Der US-amerikanische Immobilienkonzern Tishman Speyer hat die Immobilie übernommen und nun Großes am Baumwall vor, wie Geschäftsführer Florian Reiff im Podcast „Was wird aus Hamburg?“ verrät.
Das Gruner und Jahr-Gebäude am Baumwall fasziniert Reiff seit Jahren
„Ich bin schon vor vielen Jahren oft um das Verlagsgebäude am Baumwall gestreift und habe mir gedacht, dieses Haus müsste man umnutzen“, sagt Reiff, der seit 25 Jahren für das Unternehmen arbeitet. Mehrfach habe Tishman Speyer den Besitzer kontaktiert. Nun darf der Projektentwickler das Haus neu erfinden.
Es bekommt nicht nur eine neue Funktion, sondern auch einen neuen Namen: Hamburg Decks. Denn auf verschiedenen Decks soll man sich treffen, arbeiten, einkaufen. Das Hamburg Decks umfasst als Gesamtensemble nicht nur das Verlagsgebäude mit 55.000 Quadratmetern Mietfläche, die sich auf zwei Körper verteilen. Ebenso ein Teil ist das denkmalgeschütztes Getreideheberhaus am Stubbenhuk 10 mit 4300 Quadratmetern Bürofläche. Zusätzlich dazu will Tishman Speyer zwei neue Häuser errichten.
Snøhetta aus Oslo entwirft zwei Neubauten
„Diese geplanten Gebäude schließen die Zahnlücken des Geländes“, sagt Reiff. „Dort, wo heute die beiden Parkplätze sind, entsteht ein Wohngebäude mit 112 Wohnungen, davon 30 Prozent gefördert.“ Hinzu kommt ein Bürogebäude als Holz-Hybridbau mit 4800 Quadratmetern Bürofläche.
Die Investoren von Tishman Speyer, einem internationalen Immobilienentwickler mit bekannten Großprojekten wie dem Rockefeller Center oder dem The Spiral in New York, möchten in Hamburg nicht kleckern: Die Neubauten haben die Star-Architekten Snøhetta aus Oslo entworfen.
Noch spektakulärer sind die Pläne für das Verlagshaus, das die meisten Hamburger nie von innen sehen konnten und das deshalb stets ein kleiner Fremdkörper blieb. „Das Hamburg Decks liegt im Knotenpunkt zwischen Innenstadt und Elbe, zwischen Portugiesenviertel und Michel“, betont Reiff. „Wir wollen es jetzt für die Bürger öffnen.“
Eine neue Verbindungsachse vom Michel zur Elbphilharmonie
So soll zwischen den Gebäuden die Verbindungsachse zwischen den beiden Wahrzeichen entstehen. „Heute schlagen die Touristen noch einen weiten Bogen, weil sie den Weg nicht kennen. In Zukunft soll das eine lebendige Gasse werden, wo sich die Menschen auf dem Weg zur Bahn noch ein Franzbrötchen holen.“
Höhepunkt werde die Öffnung im Erdgeschoss zur Michelwiese hin, so Reiff. „Wir schaffen eine Markthalle nach Vorbild des Chelsea Market in New York. Außerdem wird es Außenterrassen mit Blick auf Elbe, Elphi und Michel geben.“
Dort sollen kleinere Manufakturen die Menschen zum Bummeln und Essen einladen – der Kaffeeröster, die kleine Brauerei, die Saftpresse. „Wir setzen nicht auf die typischen Ketten, sondern auf lokale Anbieter und lokale Produktion.“
Pfannen voller Paella und Hummerröllchen
Seine Vision ist ein lauter und geschäftiger Marktplatz „mit großen Pfannen voller Paella, brutzelnden Würsten und Hummerröllchen“. Auf bis zu 6000 Quadratmeter könnte hier eine Sehenswürdigkeit für Hamburg wachsen. Reiff verspricht einen Ort zum Arbeiten und Genuss, einen Ort für Einheimische wie für Touristen, für Spaß und Gastronomie.
„So etwas gibt es nicht mehr: Eine Markthalle, in die alle gerne kommen, die ein Anziehungspunkt ist. Genau das wollen wir dort erreichen.“ Jede Änderung am Gebäude werde wegen des Denkmalschutzes behutsam angegangen. Mit zwei neuen Eingängen im Erdgeschoss, zur U-Bahn und Elbpromenade hin und an der Michelwiese, könnten die Menschen durch das Haus flanieren.
„Das Haus hat sehr schöne Lichthöfe, die sich vielleicht bis auf die Marktebene herunterziehen lassen, um Tageslicht zu bekommen“, sagt Reiff. Bei der Revitalisierung setzt Tishman Speyer auf die ursprünglichen Architekten des Verlagsgebäudes, Steidle & Kiessler aus München. Gebaut wurde es zwischen 1987 und 1990 unter Leitung des Hamburger Büros Schweger und Partner.
Einst galt das Haus als Umsetzung des Satzes: Journalismus ist Quatschen auf dem Flur
Damals wurde das innovative Haus gefeiert für die offene Struktur, die architektonische Umsetzung der alten Weisheit von Henri Nannen, wonach Journalismus „Quatschen auf dem Flur“ ist. „Wir transferieren diesen Satz ins 21. Jahrhundert“, sagt Reiff. Bezogen auf die aktuellen Erfordernisse sei der Bau schon heute „absolut zeitgemäß. Das Haus hat sehr wenige Aufzüge, aber viele Treppen, Stege und Brücken. Diese moderne Kommunikation gibt die Architektur her und wird in Zukunft wieder nachgefragt werden.“
In den oberen Geschossen sind nur Büros geplant, allerdings in einer kuratierten Mischung. So sollen die Mieter – große und kleine Unternehmen, Start-ups und Freiberufler -- voneinander profitieren. Reiff verspricht „ein vernetztes Ökosystem, das von Verbindungen lebt“.
Wohnungen hingegen wird es nicht geben. „Wir haben das intensiv geprüft und mit Stadt und Oberbaudirektor diskutiert“, sagt der gebürtige Stuttgarter Reiff. „Aber es ist sehr schwer, die Büros zu vertretbaren Mieten in Wohnungen umzuwandeln, weil der bauliche Aufwand erheblich wäre.“
Viermal mehr Parkplätze für Räder als für Autos
In Sachen Ökologie verspricht das Decks Nachhaltigkeit: „Wir nutzen Erdwärme, Photovoltaik und Fernwärme, um den CO2-Abdruck so gering wie möglich zu halten“, sagt Reiff. Die Zahlen der Stellplätze bilden die Verkehrswende bereits ab: Auf 450 Parkplätze für Autos kommt Raum für 1700 Fahrräder.
Das neue Areal am Michel soll nach und nach wachsen. Das Kontorhaus aus dem Jahr 1926 ist bereits entkernt und dürfte Ende 2024 fertig sein. Für die 112 Wohnungen und das Holz-Hybridgebäude laufen derzeit die Baugenehmigungsverfahren. Reiff hofft, Ende 2024 beginnen zu können.
Der Umbau des Verlags dürfte nach dem RTL-Auszug spätestens Anfang 2025 beginnen. Läuft alles nach Plan, könnte die Markthalle Ende 2026 ihre Pforten öffnen. Insgesamt wird ein dreistelliger Millionenbetrag investiert.
Das alte Gruner und Jahr-Gebäude bekommt Modellcharakter
Das Haus hat Modellcharakter: Reiff betont, dass die Erdgeschossnutzung für Projekte von zentraler Bedeutung ist. „Vor einigen Jahren haben sich Immobilien in guten Lagen über die Einzelhandelsmieten im Erdgeschoss gerechnet. Die Vermietung der oberen Geschosse hat keine so große Rolle gespielt“, so der Experte.
„Inzwischen ist es umgekehrt. Die Erdgeschossnutzung wird essenziell für unsere Städte, aber auch für Standorte wie diesen. Wie benötigen eine bunte Mischung, die man mit Spitzenmieten nicht erreichen kann.
Nur dieser Mix aktiviert und belebt das ganze Haus und hilft bei der Vermarktung der oberen Etagen.“ Da müsse man lokale Händler quersubventionieren, die keine Toppreise bezahlen können. Denn die Markthalle werde das zusätzliche Argument für die Büroflächen im ehemaligen Verlag.
Das Hamburg Decks ist nicht das einzige Großvorhaben der Gruppe in Hamburg. Gemeinsam mit dem arabischen Staatsfonds Abu Dhabi Investment Authority hat Tishman Speyer den früheren Kaufhof an der Mönckebergstraße 3 gekauft.
Ambitionierte Pläne auch für das alte Kaufhof-Warenhaus
Entworfen hatte es der Architekt Fritz Höger 1913 für die Wollhandelsfirma Wilhelm Klöpper als Bürogebäude, Anfang der 60er-Jahre zog Kaufhof mit einem Warenhaus ein. Nun plant Tishman Speyer die Revitalisierung als gemischtgenutztes Bauwerk hinter historischer Fassade. Auf rund 30.000 Quadratmetern Fläche entstehen Büros, Geschäfte, aber auch 16 bis 18 Wohnungen unter dem Dach.
Weitere Wohnungen gibt es im dahinterliegenden Atelierhaus. Hier können Freiberufler, Architekten, Agenturgründer und Start-up Unternehmer Wohnen und Arbeiten unter einem Dach verbinden. „Wir müssen die Produktion, die Manufakturen zurück in die Stadtzentren holen.
Diese Betriebe sorgen für die richtige Durchmischung“, beschreibt Reiff die Idee. „Keiner weiß, wohin uns die künstliche Intelligenz führt. In ein paar Jahren benötigen wir vielleicht weniger Dienstleistungsberufe, dann wird die Produktion noch wichtiger.“
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Vielfältig soll auch die Nutzung des Neuen Klöpperhauses werden, das Ende 2025 fertig sein soll: „Wir sind noch nicht so weit, dass wir über konkrete Nutzungskonzepte sprechen“, sagt Reiff. Ihm schwebt eine Mischung vor, die sich am Ende rechnet – eine große Verkaufsfläche im Erdgeschoss, im Untergeschoss vielleicht eher kreative oder kulturelle Nutzungen, die auch abseits der Geschäftszeiten Leben bringen. Weil das Haus über eine unterirdische Passage an den Hauptbahnhof angebunden ist, seien hier Produkte für den täglichen Bedarf wünschenswert.
Atelierhaus soll Wohnen und Arbeiten verbinden
Reiff sieht das Neue Klöpperhaus und das benachbarte Atelierhaus, das an der Stelle des Parkhauses entsteht, als Teil eines größeren „Mönckeberg-Viertels“. „Wir müssen die Außenbereiche, die Freiflächen, die ganze Umgebung miteinbeziehen.“
So stellt er sich an den Langen Mühren beispielsweise Gastronomie vor. Die Innenstadt müsse belebt werden, es gebe zu viel Leerstand, sagt Reiff. „Ich kann heute nicht mehr nur auf den Einzelhandel setzen, sondern muss andere Konzepte finden, die Standorte beleben“, sagt der 52-Jährige. Es bedürfe auch kultureller Einrichtungen in der Stadt.
„Hamburg steht oben auf der Liste.“
„Wenn ich heute am Bahnhof ankomme und auf den Vorplatz trete, möchte ich gleich wieder wegfahren. Das muss sich ändern“, sagt Reiff. Bange ist ihm nicht, das dies gelingt: „Hamburg hat im Vergleich zu vielen anderen deutschen Städten eine wahnsinnige Aufenthaltsqualität“, sagt der Kenner vieler Metropolen der Welt.
„Die Stärke liegt natürlich am Wasser, aber auch an den Passagen. Da kann noch mehr passieren: Hamburg hat Potenzial nach oben.“ Für sein Unternehmen sei die Stadt neben Berlin der wichtigste Standort hierzulande: „Hamburg ist eine diverse Stadt mit einer starken Industrie. Zugleich ist sie innovativ und setzt auf neue Technologien, etwa Wasserstoff. All diese Themen spielen eine Rolle für uns. Hamburg steht oben auf der Liste.“