Hamburg. Was macht Fridays for Future? Hamburgs Sprecherin über Pläne und warum man eine andere Strategie als die Letzte Generation fährt.

Beim Kampf für ein besseres Klima kann man eigentlich gar nicht früh genug aufstehen. Könnte man zumindest meinen. Allerdings kann zu frühes Aufstehen auch ungeplante Nebenwirkungen mit sich bringen.

Zum Beispiel, dass das Café, in dem man sich zum längeren Gespräch über den Klimakampf, neue Pläne von Fridays for Future (FFF) und die Gründe, warum man zu den jüngsten Entwicklungen der Letzten Generation auf Distanz geht, noch zu hat. Das Knuth in Hamburg-Ottensen? Macht erst um 10 Uhr auf. Das Tarifa daneben? Ebenfalls noch zu. Und so trifft man sich eben in der Rain Cafeatery gegenüber vom Mercado. Auch gut.

Fridays for Future: Hamburger Sprecherin (20) ist schon lange dabei

Annika Rittmann kommt mit dem Fahrradhelm in der Hand ins Café, bestellt einen Cappuccino mit Hafermilch und braucht trotz Frösteltemperaturen im April nicht lange, um in Sachen Klimadiskussion warm zu werden. „Wir können nachvollziehen, wenn Menschen die Aktionsform der letzten Generation kritisieren. Diese richten sich teilweise gegen Menschen, die es sich möglicherweise nicht leisten können, in der Hamburger Innenstadt zu wohnen und die auch nicht auf den Nahverkehr ausweichen können, weil der gar nicht fährt“, sagt die überzeugte Klimaaktivistin.

„Wir halten es für sehr wichtig, bei unserem Vorhaben die ganze Gesellschaft mitzunehmen. Das gemeinsame Suchen nach Lösungen mit verschiedenen gesellschaftlichen Akteuren, genau dafür steht Fridays for Future. Die Letzte Generation arbeitet mit einer anderen Strategie.“

Rittmann ist erst 20 Jahre alt – und dennoch so etwas wie ein Dinosaurier der Friday-for-Future-Bewegung. Seit mehr als drei Jahren ist sie dabei, mittlerweile ist sie Sprecherin von Fridays for Future Hamburg. Und als eines der Hamburger FFF-Gesichter ist sie derzeit bemüht, das gute Image zu bewahren, das Fridays for Future sich über die letzten Jahre erarbeitet hat – und sich dementsprechend von der Letzten Generation ein wenig abzugrenzen.

Klimaaktivisten wollen nicht gegeneinander ausgespielt werden

„Die Klimakrise braucht gesamtgesellschaftliche Lösungen, und die finden und erstreiten wir nur gemeinsam und nicht, indem wir Menschen im Alltag gegeneinander aufbringen“, sagt Rittmann, die aber auch nicht in die Falle tappen will, dass nun Klimaaktivisten gegen Klimaaktivisten gegeneinander ausgespielt werden: „Wir teilen die Position, dass politisch im Hinblick auf die Klimakrise viel zu wenig getan wird“, sagt sie.

Letzte Generation: Eine Aktivistin sitzt mit einem Betonteil an ihrer Hand zwischen Polizisten auf der Fahrbahn. Klimaaktivisten der Bewegung Letzte Generation haben mehrfach die Elbbrücken stadteinwärts blockiert.
Letzte Generation: Eine Aktivistin sitzt mit einem Betonteil an ihrer Hand zwischen Polizisten auf der Fahrbahn. Klimaaktivisten der Bewegung Letzte Generation haben mehrfach die Elbbrücken stadteinwärts blockiert. © dpa | Jonas Walzberg

„Trotz aller Unterschiede halten auch wir unangebrachte Vergleiche im Hinblick auf die Letze Generation, die medial oder durch die Politik auch als Klima-Terroristen dargestellt werden, für völlig überzogen. Auch die Letzte Generation ist eine friedliche Protestform. Das wirkliche Radikale ist das Nicht-Handeln der Politik.“

FFF sammelte 200.000 Unterschriften für Wissing-Rücktritt

Mit der Politik hat die Informatik- und Psychologie-Studentin bereits in dieser Woche ein Date. Am kommenden Freitag, natürlich. Dann will sie mit ihren Mitstreitern und Mitstreiterinnen in Berlin parallel zum FDP-Parteitag auf de Straße gehen und protestieren. Im Gepäck mit dabei: Eine Petition mit mehr als 200.000 Unterschriften für einen Rücktritt von Verkehrsminister Volker Wissing. Dem bescheinigte unlängst die Hamburgerin Luisa Neubauer, die bekannteste Klimaaktivisten Deutschlands, Versagen im Kampf gegen die Erderwärmung.

Das sind die Werkzeuge von Fridays for Future: auf die Straße gehen, protestieren, kritisieren. Not so much: Staus verursachen, sich festkleben, das Rathaus besprühen. Und trotzdem sagt Rittmann: „Was in dem Diskurs häufig zu kurz kommt, ist, dass das Klima durch die Politik zerstört wird, die nichts oder viel zu wenig tut.“

Hamburgerin Annika Rittmann warnt vor 4,4 Grad Erderhitzung

Jetzt hätten sich alle – Politik, Bürger, Medien – auf die Letzte Generation eingeschossen und dabei das eigentliche Ziel vergessen: den Kampf gegen den Klimawandel. „Aktuelle Berechnungen zeigen, dass Deutschland mit dem aktuellen politischen Kurs Richtung 4,4 Grad Erderhitzung unterwegs ist. Das ist dramatisch“, sagt Rittmann – und trinkt ihren Cappuccino. Der Becher ist jetzt nicht mal mehr halbvoll „Die Bundesregierung, auch das Kanzleramt, bewegt sich leider aktuell stark rückwärts. Das ist komplett verantwortungslos.“

Annika Rittmann bei der zehnten Demo von Fridays for Future in der Hamburger City 2022, bei der sie eine Rede hielt.
Annika Rittmann bei der zehnten Demo von Fridays for Future in der Hamburger City 2022, bei der sie eine Rede hielt. © Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Halbvoll? Halbleer? Die Eimsbüttlerin bleibt trotz aller ernüchternden Fakten optimistisch. „Was mir oft zu kurz kommt, ist, was wir mit Fridays for Future schon alles erreicht haben. Wir haben das Verfassungsgerichtsurteil erkämpft, bei der Bundestagswahl alle demokratischen Parteien dazu gebracht, sich zu 1,5 Grad zu bekennen, eine progressivere Gesetzeslage und eine fundamentale Bewusstseinsänderung erzeugt.“ Und auch der nächste Satz ist Rittmann wichtig: „All das haben wir durch Demonstrationen erreicht.“

Fridays for Futures will im Herbst wieder verstärkt auf die Straße gehen

Für die Hobbyschiedsrichterin steht fest, dass sie der Politik auch weiterhin die Rote Karte zeigen will. Auf der Straße, auf Demonstrationen, mit Worten. „Unser primäres Ziel mit FFF ist, die Mehrheiten, die ja da sind, auch sichtbar zu machen“, sagt sie. „Im Herbst wollen wir wieder global auf die Straße gehen. Darauf arbeiten wir jetzt schon hin.“

Nach einer guten Stunde ist erst einmal genug geredet. „Wir wollen einen offenen und breiten Diskurs miteinander“, sagt sie noch kurz vor dem Abschied. Auch mit der Letzten Generation. „Natürlich gibt es Austausch untereinander – genauso wie mit anderen Aktivistinnen und Aktivisten für ein besseres Klima, mit dem BUND oder mit anderen Politikerinnen und Politiker. Und in diesen Gesprächen sprechen wir dann auch mal gemeinsam kritisch über Strategien und Aktionen.“

In diesem Sinne: bis Freitag.