Hamburg. Mit dem Gottesdienst, der am Mittwoch in St. Jacobi abgehalten wurde, wollte man “den Opfern eine Stimme geben“.
Ein Kreuz, gestaltet aus Backsteinen, liegt vor dem Altar, ausgeleuchtet von dem Schein etlicher Teelichter und einer einzelnen, dicken, großen Kerze. Es ist der helle und wohl auch Zuversicht und Trost spendende Blickfang an diesem Abend in der Hauptkirche St. Jacobi. Denn bei dem Gottesdienst zum „Tag der Kriminalitätsopfer“, der am Mittwoch in St. Jacobi abgehalten wurde, ist die klare Botschaft: „Nein“ zu Gewalt – und „Ja“ zum Leben.
Unter diesem bedeutsamen Motto lässt sich der Festakt zusammenfassen, dessen besondere Aufmerksamkeit in diesem Jahr jenen Menschen galt, die im Rahmen ihrer beruflichen oder ehrenamtlichen Tätigkeit als Einsatzkräfte Gewalt ausgesetzt waren. Eingeladen hatten die Opferschutzorganisation „Weißer Ring“ sowie die Evangelisch-Lutherische Kirche.
Gottesdienst zum „Tag der Kriminalitätsopfer“: "Solidarität mit den Betroffenen"
„Den Opfern eine Stimme geben“, sei das Anliegen des Weißen Ringes – und ebenso dieses Gottesdienstes, sagte die neue Landesvorsitzende des Weißen Ringes, Monika Schorn, in ihrer Begrüßungsansprache. „Wir möchten an diesem Tag ein Zeichen setzen gegen Respektlosigkeit, gegen zunehmende Verrohung, gegen Verletzung und für Verbundenheit und Solidarität mit den Betroffenen“, sagte Schorn. „Machen wir uns für ein Klima des bewussten, fürsorglichen und achtsamen Miteinanders stark!“ Unter den Gästen war unter anderem Polizeipräsident Ralf Martin Meyer.
In ihrer Rede erinnerte die Stellvertretende Landesvorsitzende des Weißen Ringes, Kristina Erichsen-Kruse, an gewalttätige Übergriffe auf Polizisten aus der jüngeren Vergangenheit. Solche Taten häuften sich, so Erichsen-Kruse. So habe es laut Bundeskriminalamt im Jahr 2015 bundesweit noch 33.773 versuchte und vollendete Fälle von Gewalttaten gegen 64.371 Polizeibeamtinnen und -beamte gegeben. Sechs Jahre später, also 2021, sei die Zahl auf 39.649 Fälle mit 88.626 Polizeibeamten als Opfer angestiegen.
Auch Kräfte der Feuerwehr mit Gewalt konfrontiert
Ebenso sei festzustellen, dass zunehmend auch Kräfte der Feuerwehr oder sonstige Rettungskräfte in allgemeinen Einsatzlagen mit entgegengebrachter Gewalt konfrontiert werden. „Die Angriffe und Respektlosigkeiten gehen uns alle an“, betonte Erichsen-Kruse. „Es geht um Menschen. Und es geht auch um den Schutz demokratischer Werte und um unser gesellschaftliches Miteinander. In welcher Gesellschaft wollen wir leben?“
Die Stellvertretende Weißer-Ring-Landesvorsitzende forderte „eine gesamtgesellschaftliche Debatte, in der die Rolle derjenigen, die täglich antreten, um uns zu schützen und unser Leben zu retten, respektvoll in den Mittelpunkt gestellt wird“. Jeder einzelne Mensch selber entscheide, „was wir denken, was wir wahrnehmen, welche Haltung wir einnehmen. Wir entscheiden, auf welche Seite wir uns stellen. Und keine einzige Entscheidung bleibt folgenlos für uns und unsere Gemeinschaft.“
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Pastorin geht auch auf Amoklauf in Hamburg ein
Pastorin und Notfallseelsorgerin Erneli Martens sprach unter anderem von der Amoktat in Hamburg am 9. März, die die Menschen der Stadt bis ins Mark erschüttert habe. „Wir können und wollen uns nicht vorstellen müssen, was geschehen ist – weil es so grausam ist. Weil es so furchterregend ist.
Weil es einen so hilflos werden lässt.“ Doch es sei wichtig, Nein zur Gewalt zu sagen, forderte Pastorin Martens. „Gewalt ist keine Lösung. Sie zerstört das Leben von Menschen. Diese verheerende Kraft braucht eine Grenze. Diese Grenze zu setzen ist eine Aufgabe von uns allen. Aus dem JA zum Leben: Das NEIN zur Gewalt. Lasst uns nicht müde werden, diesen Weg zu gehen!“
In diesem Sinne waren auch die Fürbitten, unter anderem diese:
„Gott, uns erschüttert der Amoklauf vor wenigen Tagen hier in unserer Stadt.
Wir ringen um Fassung. Suchen nach Worten.
Gott, sei bei denen, die unter der Gewalt leiden.
Sei bei den Weinenden, den Trauernden, den Verzweifelten.
Bleib Du in ihrer Nähe.“
„Tag der Kriminalitätsopfer“: Stefan Gwildis singt bei Gottesdienst
Zur musikalischen Begleitung des Gottesdienstes zum „Tag der Kriminalitätsopfer“ trug unter anderem Sänger Stefan Gwildis bei, der „Zu Dir“, „Halleluja“ und das Lied „Wer weiß denn schon, was morgen kommt“ sang, letzteres gemeinsam mit Cecile Poirot von der Hamburger Polizei. „Ich bin berührt und beseelt nach Hause gegangen“, sagte eine Besucherin nach dem Gottesdienst. Eine Aussage, die wohl auf die Stimmung vieler Gäste zutraf.
Vor 32 Jahren rief der „Weiße Ring“ bundesweit den „Tag der Kriminalitätsopfer“ ins Leben. Mit diesem Aktionstag soll am 22. März eines jeden Jahres auf die persönliche, rechtliche und wirtschaftliche Situation der Menschen aufmerksam gemacht werden, die von Kriminalität und Gewalt betroffen sind und in dieser Situation die Hilfe und Solidarität unserer Gesellschaft dringend benötigen.